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Carrion musterte sie interessiert. »Ihr habt der Mater Mundi standgehalten? Ich bin beeindruckt.«

»Vielleicht solltest du dich aus der Sache zurückziehen, Diana«, sagte Schwejksam. »Was ist so wichtig an der Frage, was die Mater Mundi ist? Inwiefern sollte es sich lohnen, dabei umzukommen?«

»Ich weiß nicht«, räumte Diana ein. »Das ist genau mein Punkt. Was ist so Schreckliches an ihr, so Schockierendes, daß sie bereit ist zu morden, nur um es geheimzuhalten?«

Schwejksam zuckte ungeduldig die Achseln. »Zwecklos, mich das zu fragen. Ich habe mich noch nie für Angelegenheiten der Esper interessiert. Was möchtest du von mir, Diana?

Wir legen in nicht ganz sechs Stunden ab, um Kurs auf die Dunkelwüste zu nehmen.«

»Deshalb mußte ich dich ja noch rasch erreichen. Mich interessiert immer mehr das eigentliche Wesen der ESP. Wie sie das möglich macht, was sie bewirkt. Ihr beide seid einzigartige Personen. Der Kapitän, weil er teilweise das Labyrinth des Wahnsinns durchschritt und verändert wieder zum Vorschein kam. Und Carrion, denn ehe er nach Unseeli ging, zeigte er keine Spur von Esper-Fähigkeiten. Niemand in seiner Familie war jemals Esper, soweit ich dem nachgehen konnte, und die genetischen Angaben in seinen alten medizinischen Dateien bestätigen es. Also, Carrion, wie seid Ehr zu dem Ausbund an ESP geworden, der Ihr heute seid?«

»Die Fremdwesen haben mich verändert«, erklärte Carrion.

»Die Ashrai. Es war nötig, damit ich allein auf ihrer Welt überleben und mich ihrem Krieg gegen die Menschheit anschließen konnte. Also haben sie mich umgeformt. Und nein, ich weiß nicht, wie sie das getan haben. Ich kann mich nicht daran erinnern.«

»Sie mußten Modifikationen auf genetischer Ebene vornehmen«, überlegte Diana stirnrunzelnd. »Ganz schön raffiniert für eine Lebensform ohne erkennbare Technik.«

»Das ist eine sehr menschliche Haltung«, fand Carrion.

»Tech ist nicht alles.«

Diana musterte ihn schweigend und ausgiebig. »Ihr seid niemals allein, nicht wahr, Carrion? Sie sind stets bei Euch. Die Gespenster. Die Ashrai.«

Carrion beugte sich vor. »Ihr könnt sie sehen?«

»Beinahe. Ich habe einmal auf Unseeli in ihren Gesang eingestimmt, wißt Ihr noch? Mein Bewußtsein verschmolz mit ihrem, wenn auch nur kurz. Diese Verbindung ist immer noch vorhanden. Ich kann sie spüren, eine potentielle Präsenz rings um Euch herum, wie der Luftdruck vor einem Sturm. Warum bleiben sie, Carrion? Warum bleiben sie bei Euch?«

»Ich bin der letzte Ashrai. Alles, was von ihnen geblieben ist.

Sie suchen Vergeltung. Für das, was ihnen angetan wurde. Was ihren Bäumen und ihrer Welt angetan wurde.«

»Vergeltung?« fragte Diana. »Das ist eine sehr menschliche Haltung, nicht wahr?«

»Ja«, sagte Carrion. »Bedauerlicherweise haben sie aus dem Beispiel gelernt.«

»Wir sind uns sehr ähnlich, Ihr und ich«, fand Diana. »Verändert durch Kräfte, die größer sind als wir, aus Gründen, die wir nicht ganz begreifen. Zu was solltet Ihr Euch entwickeln, Carrion? Zu ihrem Helden? Ihrem Verteidiger? Ihrem Rächer?

Seid sehr vorsichtig, Carrion! Ihr seid vielleicht nicht der, für den Ihr Euch haltet. Ihr habt schon einmal für die Ashrai gegen die Menschheit gekämpft. Würdet Ihr heute noch die Menschheit für sie vernichten – aus Rache?«

»Das würden sie nie von mir verlangen«, sagte Carrion.

»Woher wollt Ihr das wissen?« fragte Diana, und Carrion fand keine Antwort darauf.

»Warum bist du hier, Diana?« fragte Schwejksam, nachdem die Stille lange genug angehalten hatte, um ungemütlich zu werden. »Wenn ich daran denke, was du im Parlament zu uns gesagt hast…«

»In der Not frißt der Teufel Fliegen«, sagte Diana. »Die Weltenmutter möchte mich tot sehen. Deshalb brauche ich Hilfe, mächtige Bundesgenossen, die mir den Rücken freihalten und mich mit ihrer Macht unterstützen.«

»Also hast du dich an deinen Vater gewandt«, stellte Schwejksam fest. »Natürlich, Diana. Dafür sind Väter da.«

»Nein, Vater«, entgegnete Diana. »Du nicht. Das Labyrinth hat dir Macht verliehen, aber du bist immer noch dabei zu lernen, wie man sie einsetzt.«

»Ihr wünscht also meine Hilfe?« fragte Carrion. »Sehr gut.

Meine Fähigkeiten stehen Euch zur Verfügung.«

»Schmeichelt Euch nicht zu sehr«, sagte Diana. »Ich brauche die Ashrai. Ihre nichtmenschliche Stärke. Wie ich schon sagte – die Verbindung besteht nach wie vor. Gott weiß, daß ich versucht habe, sie mir auszutreiben. Ich möchte in meinem Kopf niemanden beherbergen außer mir selbst. Aber falls die Ashrai da sind, kann ich sie vielleicht einsetzen. Also sagt mir, Carrion: Würden sie kommen, wenn ich sie riefe? Wenn ich sie brauchte?«

»Ich weiß nicht«, antwortete Carrion. »Sie reden nicht mehr mit mir. Sie haben jedoch stets eingegriffen, wenn ich sie brauchte.«

»Nicht ganz die Antwort, die ich erhofft hatte«, räumte Diana ein. »Aber… sehen wir mal, ob sie der Wahrheit entspricht.«

Ihr Gesicht veränderte sich plötzlich. Dunkle Schatten tauchten unter den Augen auf, und die Haut spannte sich eng über die Knochen. Die dünnen Lippen streckten sich zu einem gnadenlosen, humorlosen Lächeln. Diana wirkte plötzlich größer, als sie war, und die Augen leuchteten unnatürlich hell. Psikräfte funkelten und prasselten in der Luft, die sie umgab, und ihre Präsenz weitete sich mit einem Satz aus und erfüllte die ganze Kabine. Diana war verschwunden, untergetaucht in jener böswilligen Anomalie, die Johana Wahn hieß. Schwejksams Hand fuhr mechanisch zu seiner Waffe, fiel dann aber zur Seite.

Selbst wenn er sich hätte überwinden können, auf die eigene Tochter zu schießen, bezweifelte er, daß die Waffe gegen jemanden wie Johana Wahn etwas genutzt hätte.

Sie stand auf und funkelte Carrion an, und Schatten ballten sich um sie herum. Carrion war rasch auf den Beinen und hielt die Energielanze vor sich. Johana Wahn packte sie mit ihren Geisteskräften, riß sie ihm aus der Hand und schleuderte sie quer durch die Kabine. Carrion schrie erschrocken auf, als hätte man ihm eines seiner Gliedmaßen abgerissen. Er schwebte langsam hoch und krachte dann mit dem Rücken an die Kabinenwand, wo er durch Johana Wahns Willen in einer Haltung festgedrückt wurde, als hätte man ihn gekreuzigt. Schwejksam wollte aufstehen, stellte aber fest, daß er es nicht schaffte, daß ihn die unerbittlichen Gedanken seiner Tochter festhielten.

Und dann kamen die Ashrai.

Sie füllten die Kabine aus wie eine brodelnde Wolke, tot und doch nicht dahingeschieden, mit Gargoylenfratzen und riesigen Krallenhänden. Die Kabine schien sich in alle Richtungen auszuweiten, sich in eine riesige Höhle zu verwandeln, die den gewaltigen Gestalten der Ashrai Platz bot. Schwejksam schrie auf, als er ihrer angesichtig wurde. Sie waren grauenhaft und prachtvoll, schrecklich in ihrem Zorn, und sie brannten so hell!

Johana Wahn, die wie ein Stern flammte, schenkte den Ashrai ein Lächeln und sprach sie in völlig vernünftigem Ton an.

»Hallo Leute! Schön, euch wiederzusehen. Ist eine Weile her. Tut mir leid, eure Ruhe zu stören, aber ich könnte wirklich eure Hilfe gebrauchen. Da draußen lauert etwas, das sich Mater Mundi nennt, und sie könnte doch glatt eine Spur mächtiger sein als ihr. Und ich denke nicht, daß sie irgendeine Konkurrenz zu dulden bereit ist. Sollte ich eure Hilfe gegen sie brauchen, leistet ihr dann meinem Ruf Folge?«