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Die Tür öffnete sich vor einer ganzen Armee von Wachleuten, die mit ihren Schußwaffen auf den Fahrstuhl zielten. Ihre Kameraden auf dem Penthouse-Stockwerk hatten Alarm ausgelöst. Evangeline gönnte ihnen freien Ausblick auf ihren blutdurchtränkten Gebieter und die glühende Klinge an seinem Hals und schrie sie dann an, sie sollten ihr zum Teufel noch mal den Weg freigeben, andernfalls sie ganze Brocken aus Gregor herausschneiden würde, bis sie es endlich taten. Gregor unterstützte sie sofort mit einer Flut hysterischer Befehle. Die Wachleute senkten die Waffen, wichen zurück und gaben so einen Durchgang frei, der vom Fahrstuhl zum Haupteingang an der anderen Seite des Foyers führte.

Evangeline lachte rauh.

»Haltet ihr mich für blöd? Legt die Waffen auf den Boden, allesamt, und zieht euch von ihnen zurück!«

Die Krieger sahen Gregor an und gehorchten widerwillig.

Mit lautem Klappern fielen über hundert Disruptoren auf den Betonboden der Eingangshalle. Die Wachleute zogen sich zurück und öffneten somit einen viel breiteren Gang als zuvor.

Evangeline blickte sich argwöhnisch um. Wahrscheinlich waren immer noch alle möglichen getarnten Waffen einsatzbereit, bei den Wachleuten selbst und vielleicht in den Wänden der Eingangshalle, aber solange sie Gregor das Messer an die Kehle hielt, würde niemand etwas riskieren. Sie trieb Gregor aus dem Fahrstuhl und zwang ihn, so rasch zu gehen, wie er nur irgend konnte. Das war der gefährlichste Abschnitt ihres Plans.

Ihr Gravschlitten parkte unweit des Turms. Sie mußte ihn nur erreichen, und schon war sie auf und davon, ehe irgend jemand sie festhalten konnte. Allerdings mußte sie erst noch dorthin gelangen, vorbei an einer Armee von Wachleuten, die völlig zu Recht um ihr Leben fürchteten, falls sie Evangeline entkommen ließen. Und so trieb sie Gregor unerbittlich weiter, ungeachtet seines Keuchens und Schnaufens, und achtete ständig darauf, ob nicht einer der Wachleute dumm genug war, den Helden zu spielen.

Die Haupttür kam langsam näher. Evangeline hatte sich gar nicht daran erinnern können, daß das Foyer so groß war. Die Wachleute sahen sie an, reglos, abgesehen vom langsamen Drehen der Käferköpfe. Die einzigen Geräusche waren die Schritte auf dem Betonboden und Gregors ständiges Stöhnen und Schnaufen. Die Köpfe in den Krügen rummsten auf Evangelines nackten Rücken. Ihr machte es nichts aus, daß sie nackt war. Es kam nur darauf an, lebendig hier herauszukommen.

Endlich erreichten sie die Tür, die sich zischend öffnete, als Gregor näherkam. Evangeline sah das Tageslicht und hörte die alltägliche Geräuschkulisse der Stadt. Es erschien ihr wie eine fremde Welt. Vorsichtig manövrierte sie sich selbst und Gregor herum, damit sie die Tür im Rücken hatten und den Wachleuten entgegenblickten. Sie spürte, welche Spannung sich in ihnen aufbaute. Sie mußte schnell hinaus, ehe jemandem der Geduldsfaden riß.

»In Ordnung, Gregor«, sagte sie atemlos und bemühte sich um einen ruhigen Tonfall, während ihr der Schweiß übers Gesicht lief. »Wir machen jetzt einen kleinen Spaziergang.«

»Draußen?« fragte Gregor. Er schien zum ersten Mal zu bemerken, wo er sich überhaupt befand, und Panik schoß durch ihn hindurch. »Nein! Nicht nach draußen! Nicht heraus aus meinem Turm! Nein!«

Und mit einem Ausbruch an Kraft, von manischer Angst gespeist, schüttelte er ihren Griff ab, duckte sich unter dem Messer hindurch und stolperte auf seine Wachleute zu in Sicherheit. Die Wachen sprangen wie ein Mann auf ihre Waffen los.

Evangeline überlegte, mit dem Messer nach Gregors fettem Rücken zu werfen, entschied, daß die Zeit nicht reichte, und stürmte zur offenen Tür hinaus. Sie sprintete über eine Freifläche zu der Stelle hinüber, wo sie den Gravschlitten geparkt hatte. Ihr nackter Rücken kribbelte in Erwartung von Energiestrahlen, die zu fühlen sie wahrscheinlich gar keine Zeit mehr gehabt hätte. Und dann hörte sie Gregor hinter sich kreischen, man solle sie lebend einfangen, und ihr Herz machte einen Satz. Sie hatte also doch noch eine Chance!

Sie zwang sich, noch schneller zu laufen. Die nackten Füße trommelten schmerzhaft auf dem rauhen Untergrund, und die Glaskrüge hüpften auf ihrem Rücken, während kühler Wind Evangeline über die Haut strich. Ringsherum blieben Menschen stehen und blickten ihr nach, aber niemandem war danach, sich einzumischen. Was ihr nur recht war. Sie hatte bereits eiskalt beschlossen, jeden niederzustrecken, der sich zwischen sie und die Freiheit stellte. Sie hatte zuviel durchgemacht, um sich jetzt noch aufhalten zu lassen. Vielleicht hatte sie doch etwas von einer Shreck in sich. Sie sah jetzt den Gravschlitten, der immer noch dort stand, wo sie ihn geparkt hatte. Es war nicht mehr weit. Sie war inzwischen jenseits von Schmerz oder Müdigkeit, von neuer Hoffnung beseelt.

Auf einmal stand der Schlitten direkt vor ihr, und sie kam rutschend zum Stehen, kurz bevor sie seitlich gegen das Fahrzeug prallte. Sie warf die in die Decke gewickelten Köpfe auf den Rücksitz, und erst in diesem Augenblick hörte sie die Laufschritte hinter sich. Die Vernunft lehrte sie, daß diese Schritte ihr schon seit einiger Zeit folgen mußten, aber sie war zu sehr in die eigenen verzweifelten Gedanken vertieft gewesen, um sie zu hören. Sie wirbelte herum, das Messer in der Hand. Drei gepanzerte Wachleute waren fast schon über ihr, und weitere folgten ihnen mit etwas Abstand. Evangeline zeigte ein Totenkopfgrinsen, das sie von Finlay gelernt hatte, und hielt sich bereit, die drei Vorderleute mit der Monofaserklinge zu empfangen.

Sie hatte einen Vorteil. Die Leute standen unter dem Befehl, sie nicht zu töten, während sie selbst keine derartige Hemmung hatte. Dem ersten Wachmann schnitt sie mit einem beiläufigen Zucken des Handgelenks den Kopf ab, und das Messer schnitt mit gleicher Leichtigkeit durch Stahlpanzer und Fleisch und Knochen. Der maskierte Kopf purzelte fast bedächtig zu Boden, als Evangeline sich schon dem nächsten Wachmann zuwandte und ihm das Messer in die Brust stieß. Er schrie unter der Maske schrill auf. Während er zusammenbrach, wandte sie sich dem dritten Angreifer zu. Blut rieselte ihr über das nackte Fleisch und war ihr obendrein ins Gesicht gespritzt, aber kein Tropfen davon war ihr eigenes. Es fühlte sich warm an in der kühlen Luft, fast beruhigend – das Blut ihrer Feinde. Der dritte Wachmann vergaß Gregors Befehl, sie lebend zurückzubringen, oder scherte sich einfach nicht mehr darum.

Er zog den Disruptor und zielte damit aus kürzester Distanz auf ihre nackte Brust. Evangeline stieß mit dem Messer zu und schnitt die Waffe entzwei. Der Wachmann drehte sich um, wollte wegrennen, und sie machte auch ihn nieder, wobei die Monofaserklinge mühelos in den Körper eindrang und wieder daraus hervortrat. Die anderen Wachleute kamen schlitternd zum Stehen, als Evangeline sich bückte und einen der Disruptoren aufhob, die die getöteten Krieger fallengelassen hatten.

Gregor hetzte seine Leute weiterhin auf und stieß dabei einen Strom von Drohungen und Versprechungen und Flüchen aus, aber die Lage hatte sich verändert, und die Wachleute erkannten es. Zwar hätte ihre schiere Zahl gereicht, um Evangeline letztlich zu überwältigen, aber verdammt viele von ihnen wären dabei umgekommen, wie sie sehr wohl wußten. Und keine Bonuszahlung oder Drohung war das wert. Also zögerten sie, und während sie das noch taten, stieg Evangeline in den Gravschlitten, startete und ließ sie alle zurück. Niemand jagte ihr auch nur einen Schuß hinterher.

Sie lachte unsicher, wagte noch nicht, sich zu entspannen, aber schließlich stieg doch die Hoffnung auf, daß sie das Schlimmste überstanden hatte. Sie war nicht überzeugt gewesen, daß sie es schaffen würde. Tief im Herzen war sie sich immer noch als hilfloses Opfer vorgekommen und hatte nicht wirklich damit gerechnet, Gregor überwältigen zu können. Sie war nur hingegangen, weil sie mußte, um ihre Freundin zu retten – und weil sie es satt gehabt hatte, sich zu fürchten.