»Unsterblichkeit?« erkundigte sich Valentin.
»Warum nicht?« fragte Löwenstein zurück.
»Wir verfügen noch über weitere Stimmen, denen Ihr vielleicht lauschen mögt«, meldete sich der ursprüngliche Sprecher zurück. »Wir haben hier Euren Vater Jakob. Möchtet Ihr mit ihm sprechen?«
»Ich denke nicht, danke«, antwortete Valentin. »Wir hatten nie viel gemeinsam, nicht einmal, als er noch lebte.«
»Dann vielleicht Euer Bruder Daniel? Er kam uns besuchen, und wir statteten ihn mit vielen Geschenken aus. Er ist inzwischen unser Agent und unterwegs nach Golgatha.«
»Oh, gut«, sagte Valentin. »Der liebe Daniel! Ich werde einen Empfang für ihn arrangieren müssen.«
»Nein, das werdet Ihr nicht«, warnte ihn die Stimme. »Daniel ist zur Zeit für uns wichtiger als Ihr. Laßt Ihn in Ruhe. Zunächst.«
»Wie Ihr wünscht«, sagte Valentin gelassen, »Vergeltung ist nicht weniger befriedigend, wenn man sie hinausgezögert hat.
Auf die Gefahr hin, habgierig zu erscheinen, meine metallischen Gentlemen: Was habt Ihr mir sonst noch anzubieten?«
»Schutz vor Euren Feinden. Rückkehr an die Macht in dem neuen Imperium, das wir aus der Asche des alten errichten werden. Was könntet Ihr Euch darüber hinaus wünschen?«
»Ich hatte schon immer den Wunsch, Herrscher von Golgatha zu werden«, antwortete Valentin.
»Der Titel ist schon vergeben«, meldete sich Löwenstein zurück. »Wie wäre es mit Virimonde?«
Valentin lächelte bei diesen Erinnerungen. Das Gefeilsche dauerte noch einige Zeit, aber es endete darin, daß Valentin zum Agenten der abtrünnigen KIs von Shub wurde, der offiziellen Feinde der Menschheit. Sein erster Einsatz für sie bestand in seinem Flug nach Loki, um dort Kontakt mit nützlichen Leuten herzustellen, die ebenfalls an einem Abkommen mit Shub interessiert waren. Obwohl sie sich natürlich auf Frieden und Sicherheit beriefen und nur um ein Bündnis gegen gewisse gemeinsame Gefahren nachsuchten.
Trotz all der Tarnschirme von Shub konnte Valentin nicht auf dem Planeten landen, ohne entdeckt zu werden. Deshalb war man übereingekommen, daß das Schiff im hohen Orbit bleiben sollte, während er als Hologramm an der Konferenz teilnahm.
Die neuen Rebellen gaben ihm die Koordinaten durch, und zum vereinbarten Zeitpunkt schickte Valentin sein Abbild hinunter.
Aufgrund der niemals endenden Stürme, die die Atmosphäre aufwühlten, war der Empfang nicht ganz das, was er hätte sein können, und Valentins Abbild erschien als knisternde, gelegentlich durchsichtige Gestalt. Für ihn ging das in Ordnung. Er war stolz auf die dramatische Bandbreite seiner Auftritte.
Er fand sich in einem anonymen schwarzen Raum wieder, vor einem Tisch, an dem vier Personen saßen. Eine fünfte Gestalt stand etwas abseits, und Valentin erkannte sie sofort. Er beschloß, sich zunächst auf die vier am Tisch zu konzentrieren.
Er wußte immer gern, mit wem er zu tun hatte.
»Nun ja«, sagte er ruhig. »Da sind wir ja alle endlich unter einem Dach versammelt, mit mir wie immer als Gespenst, das beim Festmahl zu Tisch sitzt. Wie bezeichnen wir uns heute – als Renegaten, Rebellen oder, darf ich es laut aussprechen, als Verräter am Imperium?«
»Wir sind keine Verräter«, erwiderte einer der Männer am Tisch sofort. »Wir sind einfach praktisch gesinnte Menschen, die das Nötige tun, um zu überleben. Die Tatsache, daß wir bereit sind, mit Abschaum wie Euch zu verhandeln, sollte das ausreichend beweisen.«
»Wie überaus grob«, brummte Valentin. »Ihr seid mir gegenüber im Vorteil, Sir. Vielleicht wärt Ihr so gut, mich mit Eurem Namen zu beehren?«
»Ich bin Tarquil Vomak, Abgeordneter für Graylake Ost im Parlament auf Golgatha. Ich repräsentiere mächtige und einflußreiche Personen. Mich zu beleidigen, das läuft auf eine Beleidigung von ihnen hinaus.«
»Welch wunderbare Zeitersparnis!« fand Valentin. »Seid doch so freundlich, auch Eure Kollegen vorzustellen.«
Vomak schniefte, als fände er, daß diese Aufgabe unter seiner Würde war. »Falls ich muß. Zu meiner Linken erblickt Ihr die Lady Donna Silvestri. Sie spricht für den Schwarzen Block, der uns zu diesem Gespräch mit Euch zusammengerufen hat.
Uns gegenüber sitzen Matthew Tallon, ehemaliger planetarer Intendant für Loki, und der frühere Bürgermeister Terrence Jacks. Und ich bin sicher, Ihr kennt unseren Partner dort in der Ecke, Kit Sommer-Eiland.«
»O ja«, bestätigte Valentin. »Ich kenne Kid Death.«
Sein Blick wanderte ohne Eile über die Verschwörer. Der Abgeordnete Vomak war ein großer, stämmiger Mann, der scharlachrote Kleidung trug, womöglich, damit sie zur Farbe der Wangen paßte. Auf eine anspruchslose Art sah er recht gut aus, wenn auch ein Schmollmund diesem Eindruck abträglich war. Donna Silvestri war Valentin vage als eine der Personen bekannt, die Verantwortung für das Finanzwesen des Clans Silvestri trugen. Sie war rund und breit und matronenhaft und hatte blaßblaue Augen. Sie trug einen dicken grauen Wollmantel, und möglicherweise erkannte nur Valentin, daß sich ihr warmes, mütterliches Lächeln in keinster Weise im Blick widerspiegelte. Falls sie für den Schwarzen Block sprach, dann war sie es, die hier Macht verkörperte. Tallon und Jacks machten diesen dickköpfigen, vom Wetter gegerbten Eindruck, der allen gemeinsam war, die in Lokis stürmischer Umarmung lebten. Tallon war von beiden der ältere und ernstere, Jacks der jüngere und ungeduldigere. Und schließlich natürlich noch Kit Sommer-Eiland. Kid Death, der lächelnde Killer. Eine schlanke Gestalt in schwarzer und silberner Rüstung, mit blaßblonden widerspenstigen Haaren und eisigen blauen Augen.
»Hallo Kit«, sagte Valentin. »Als ich zuletzt von dir hörte, warst du ein Held der Rebellion und eine Säule der neuen Ordnung.«
»Hallo Valentin«, sagte der Sommer-Eiland mit seiner kalten, unerbittlichen Stimme. »Ich habe nie viel vom Philosophieren gehalten. Die zivilisierte Gesellschaft wurde richtig langweilig. Ich bin ein Killer, also gehe ich dorthin, wo Blut fließt. Für den Moment bietet mir der Schwarze Block die benötigte Abwechslung.«
»Es hat mir so leid getan, vom Verlust deines Freundes David auf Virimonde zu hören.«
»Nein, hat es nicht.«
»In Ordnung, du hast recht. Ich wollte nur höflich sein, Kit.
Du solltest es wirklich selbst mal damit probieren. Was genau treibt ein berüchtigter Killer wie du hier?«
»Der Schwarze Block sagte, daß hier Arbeit auf mich wartet.
Verrat und Tod sind seit jeher Bettgefährten.«
»Natürlich«, bestätigte Valentin. Er bedachte die Personen am Tisch mit einem Lächeln. »Vielleicht ist irgend jemand so freundlich und erklärt mir, was genau ich nun an Shub übermitteln soll. Was hat uns alle hier zusammengeführt?«
»Die Notwendigkeit«, erklärte Donna Silvestri. »Die Menschheit hat viele Feinde, unter denen die Neugeschaffenen nur die jüngsten sind. Unser Kampf gegen Shub zieht Menschen und Ressourcen ab, die lieber gegen näherliegende Gefahren eingesetzt werden sollten. Ein befristetes und eng begrenztes Bündnis mit Shub liegt im Interesse aller Beteiligten.
Wir brauchen uns nicht zu mögen, um gegen einen gemeinsamen Feind zusammenzuarbeiten. Später… haben wir vielleicht genügend gemeinsame Interessen entwickelt, um die frühere Gegnerschaft überflüssig zu machen.«
»Wirklich logisch«, meinte Valentin. »Warum habt Ihr dieses überaus vernünftige Argument nicht dem Parlament vorgetragen?«