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»Davon rate ich dir ab, mein Lieber. Sehr wahrscheinlich würde er einfach Anweisung geben, dich zu erschießen, wenn man seine heutige geistige Verfassung bedenkt. Und ohnehin ist es ein bißchen spät, um solche Gefühle für deine verschwundenen Eltern zu zeigen, nicht wahr? Du bist ein Journalist, der den Dingen auf den Grund geht; du hättest schon vor Jahren mit der Suche beginnen können, falls du wirklich daran interessiert gewesen wärst.«

»Sie sind fortgegangen und haben mich zurückgelassen«, sagte Toby und blickte dabei zu Boden. »Sie sind nie zu mir zurückgekehrt. Und wie du wollte ich nie einen Beweis für ihren Tod finden. Solange sie offiziell als vermißt galten, bestand immer noch die Möglichkeit, daß sie eines Tages wieder auftauchten.« Für einen Moment wirkte er ziemlich verloren und verletzlich, aber dieser Augenblick ging vorüber, und er war rasch wieder ganz der alte. Er blickte auf und musterte Grace unverwandt. »Warum wurde ich nicht dem Schwarzen Block übergeben wie so viele meiner Altersgefährten?«

»Dein Vater war kein Freund dieser Gruppe, und Gregor hatte noch Verwendung für dich. Nicht, daß auch er ihnen je über den Weg getraut hätte! Gregor erwartete stets von jedem das Schlimmste, und im Fall des Schwarzen Blocks hat es ganz den Anschein, als würde er recht behalten. Der Diener hat sich zum Herrn aufgeschwungen. Nur ein weiterer Grund für mich, die politische Bühne zu betreten. Die Familie muß vor jedem Einfluß und jedem Druck bewahrt werden, der von außen stammt.

Ah, der Tee!«

Die Tür hatte sich lautlos geöffnet, und Toby und Flynn blickten auf und sahen, wie sich ihnen ein Diener näherte. Auf einem Silbertablett trug er eine silberne Teekanne sowie ein fein gearbeitetes Milchkännchen und Tassen aus Porzellan.

Dem Diener dichtauf folgte einem hübschen Kleid eine junge Frau in, die unter schulterlangen Goldlocken ein breites Lächeln zeigte. Toby stand rasch auf, um sie zu begrüßen, und lächelte dabei nicht weniger breit, während der Diener die Teesachen auf einem praktischen kleinen Tisch neben Grace aufstellte. Grace bedachte Toby und die junge Frau mit einem wissenden Blick und beschäftigte sich mit dem Teeservice, nachdem sie dem Diener mit einem Nicken zu verstehen gegeben hatte, er möge sich entfernen. Er tat wie geheißen und ging auf dem ganzem Weg rückwärts. Flynn betrachtete Toby interessiert, als dieser die Hand der jungen Frau ergriff.

»Clarissa, du siehst sehr gut aus, richtig gut!«

»Und ich fühle mich auch viel besser, dank dir, lieber Toby.

Die Chirurgen entfernen die Implantate, die Löwenstein mir hat einsetzen lassen, so schnell wie möglich, aber es ist eine langwierige Arbeit. Wenigstens habe ich schon wieder menschliche Augen, um dich anzusehen.«

»Und sehr hübsche Augen obendrein! Das Haar ist auch neu, nicht wahr?«

»Es ist nur eine Perücke, die ich trage, bis die echten Haare nachgewachsen sind. Du hast so viel für mich getan, Toby! Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.«

»Oh, ich bin sicher, daß ihm dazu etwas einfällt!« warf Grace scharf ein. »Das war jetzt genug Rührseligkeit für den Augenblick, meine Lieben. Macht nur kurz damit weiter, und der Tee wird viel zu bitter. Kommt und setzt euch, während ich eingieße.«

Clarissa zog sich einen Stuhl heran, so daß er direkt neben Tobys Platz stand, und sie setzten sich, wobei sie sich weiterhin gegenseitig anlächelten. Flynn hustete höflich und nickte Clarissa lächelnd zu.

»Hallo Flynn«, sagte sie und badete auch ihn in ihrem Lächeln. »Wie geht es Euch?«

»Ich mache gerade Überstunden, dank meines brutalen Bosses, obwohl ich eigentlich längst zu Hause sein und mich entspannen sollte. Fühlt Ihr Euch inzwischen hier glücklich und daheim?«

»Schwer zu sagen«, meinte Grace und behielt dabei das Teeservice unverwandt im Blick. »Sie verbringt die meiste Zeit in ihrem Zimmer und fährt jedesmal zusammen, wenn sie ein lautes Geräusch hört. Der einzige Mensch, mit dem sie spricht, ist Tobias, und das auch nur über Monitor.«

»Sie hat viel durchgemacht«, verteidigte Toby sie. »Da ist es nur normal, wenn sie einige Zeit braucht, um… sich wieder zurechtzufinden. Du hast ihr doch nicht zugesetzt, oder?«

»O nein!« warf Clarissa rasch ein. »Sie ist sehr hilfreich. Mir ist… einfach noch nicht danach zumute, sonst jemanden zu empfangen. Nicht, bis ich wieder ganz die alte bin, aus der Zeit, ehe mich Löwenstein in eine ihrer verdammten Leibwächterinnen verwandelte. Dann überlege ich mir, mich wieder unter Menschen zu mischen.«

»Natürlich«, sagte Toby. »Übereile es nicht. Nimm dir alle Zeit, die du brauchst.«

»Ich höre manchmal von anderen Zofen, die gerettet wurden«, sagte Clarissa und blickte dabei auf die Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte. »Mehrere von uns sind verrückt geworden, und drei haben sich lieber umgebracht, als daran erinnert zu werden, wer sie früher waren und was sie getan haben. So könnte ich nie handeln. Es wäre, als gönnte man Löwenstein den endgültigen Sieg. Aber… ich kann verstehen, warum sie es getan haben. Ich weiß selbst nicht, was ich mit meinem weiteren Leben anfangen soll. Selbst wenn die Chirurgen schließlich mit mir fertig sind, denke ich nicht, daß ich wieder so leben könnte wie vorher. Ich muß mit meinem neuen Leben etwas anfangen, etwas, das eine Bedeutung hat.«

»Warum arbeitest du nicht mit mir zusammen für die Imperialen Nachrichten?« fragte Toby. »Die Rebellion hat gezeigt, welchen Einfluß eine wahrhaft freie Presse haben kann. Nachrichten sind heute wichtig, und du könntest daran mitwirken.«

»Ja«, sagte Clarissa und lächelte ihn noch breiter an. »Ich denke, das würde mir gefallen.«

Und dann läutete Tobys Komm-Implantat gebieterisch in seinem Ohr. Er hörte lange zu, runzelte kräftig die Stirn und stand schließlich abrupt auf. »Tut mir leid, Clarissa, Tantchen, aber Flynn und ich müssen sofort aufbrechen. Gerade kam die Nachricht herein, daß Robert Feldglöck die Kapitänswürde niedergelegt und seinen Abschied von der Flotte genommen hat. Er ist nach Golgatha zurückgekehrt, um seinen Clan wieder aufzubauen. Er muß jetzt jeden Augenblick am Raumhafen eintreffen, und jeder Nachrichtensender der Stadt wird zugegen sein, um davon zu berichten. Ich habe ein paar Lokalreporter hingeschickt, um uns zu vertreten, falls er frühzeitig eintrifft, aber das ist ein Ereignis, von dem ich lieber selbst berichten sollte. Falls irgend jemand die Feldglöcks wieder groß machen kann, dann ein Kriegsheld wie Robert. Komm, Flynn. Clarissa, ich rufe dich später an.«

»Aber ich habe dir gerade Tee eingeschenkt!« beschwerte sich Grace.

»Ach, du meine Güte!« sagte Toby. »Wie schade!«

Robert Feldglöck stand völlig reglos vor dem mannshohen Spiegel und seufzte schwer. Er hatte vergessen, was für eine Last Zivilkleidung sein konnte. Der Schneider fummelte an ihm herum, den Mund voller Nadeln, zupfte hier und justierte dort, und das mit ein bißchen mehr Zutraulichkeit, als nach Roberts Meinung wirklich nötig gewesen wäre. Natürlich hätte ihn auch ein Lektron vermessen und so viele Anzüge herstellen können, wie er wollte, aber in gesellschaftlichen Kreisen legte man Wert darauf, daß derlei Dinge von Hand gemacht wurden, um Geschmacksentscheidungen künstlerisch einsichtig zu machen. Mode war viel zu wichtig, um sie Maschinen zu überlassen.

Also behielt Robert seine Meinung für sich, seufzte viel und ließ den Schneider arbeiten. In der Flotte war es ganz anders gewesen. Eine Uniform zum Tragen, eine als Ersatz und eine Galauniform für besondere Anlässe damit kam man eine ganze Karriere lang aus. Jetzt war Robert jedoch wieder Zivilist und ein Feldglöck; man hatte ihm bereits zwölf verschiedene Kombinationen angepaßt und war dabei noch nicht mal bis zur Abendgarderobe vorgedrungen.

»Ist das wirklich alles nötig?« beklagte er sich bei dem Diener, den er als Modeberater eingestellt hatte.