»Es ist eine Frage der Mode«, erklärte ihm Baxter, der Butler, völlig ungerührt. »Und damit eine Angelegenheit von äußerster Notwendigkeit. Falls Ihr wünscht, als Oberhaupt Eures Clans ernstgenommen zu werden, ist es unumgänglich, daß Ihr rollengerecht gekleidet seid.«
»Mein Clan besteht derzeit aus ein paar Dutzend Kusinen und Vettern und einer Handvoll Blutsverwandter. Kaum genug für ein anständiges Fußballspiel, geschweige denn einen Clan.«
»Umso wichtiger, Sir, daß Ihr korrekt gekleidet seid. Die Gesellschaft wird sich nach Euch richten. Je eindrucksvoller Ihr auftretet, desto mehr Respekt genießt Euer Clan. Der Wiederaufbau der Familie ist nur mit Unterstützung der anderen Clans möglich, und sie erhaltet Ihr nur, wenn sie Euch als Gleichgestellten akzeptieren. Bemüht Euch um eine nicht ganz so steife Haltung, Sir. Die Kleidung muß natürlich wirken, um den besten Effekt zu erzielen.«
Robert gab sich Mühe, die Paradehaltung aufzugeben. Es fiel ihm nicht leicht. Nichts von alldem war leicht. Es hatte ihn mit Stolz erfüllt, ein Militär zu sein, und er hatte seine Flottenlaufbahn nur mit äußerstem Widerstreben aufgegeben, nachdem General Beckett ihm persönlich erläutert hatte, daß Robert nicht seiner Familie und der Raumflotte gleichzeitig die Treue halten konnte. Er müßte sich für die eine oder andere Seite entscheiden. Und letztlich wurde Robert klar, daß er seinem Clan und seiner Blutlinie und Jahrhunderten der Familientradition verpflichtet war. Alles andere hätte bedeutet, daß die übrigen Familienmitglieder vergebens gestorben waren. Also quittierte er den Flottendienst und kehrte nach Golgatha zurück, um sein Amt als der Feldglöck anzutreten.
Und insgeheim fluchte er über seine Pflicht und seinen Clan, auf dem ganzen Flug hinunter zum Planeten, wo er sich einer Menge bellender Reporter gegenübersah. Kameras sausten mit schwindelerregendem Tempo um ihn herum und schubsten sich gegenseitig weg in dem Bestreben, den besten Blickwinkel zu ergattern. Die Reporter brüllten ihre Fragen schneller, als Robert sie beantworten konnte. Der Clan Feldglöck war eine der führenden Mächte des alten Imperiums gewesen, bis ihn der Clan Wolf dezimiert und in alle Winde zerstreut hatte. Somit war die potentielle Wiedergeburt der Feldglöcks für fette Schlagzeilen gut. Robert tat sein Bestes, um alle Fragen, Kommentare und Anspielungen mit einsilbigem Grunzen zu beantworten, während er sich die ganze Zeit einen Weg durchs Gedränge bahnte. Zum Teil reagierte er so, weil er wußte, daß Reporter auch die unschuldigsten Bemerkungen verdrehen konnten, und zum Teil, weil er eigentlich nichts zu sagen hatte.
Er war mit der aktuellen Politik und den Familienintrigen des Tages nicht vertraut und wollte nichts sagen, was ihn jetzt schon in irgendeiner Richtung festlegte.
Besonders wollte er nicht eingestehen, daß er keinen Schimmer hatte, wie genau er den Clan Feldglöck wieder aufbauen sollte.
Bei der Gelegenheit dachte er wehmütig an Owen Todtsteltzer und Hazel D’Ark. Man konnte zu ihnen ja sagen, was man wollte, und es gab eine Menge, was man hätte sagen können – aber wenigstens wußten sie, wie man mit der Presse umging.
Manche Reporter verlangten offenkundig Gefahrenzulage, um Interviews mit ihnen zu machen. Aber diese beiden kamen mit dergleichen Dingen durch. Bloße Sterbliche wie Robert Feldglöck hingegen, die in Zukunft womöglich noch auf die Unterstützung durch die Presse angewiesen waren, mußten in dieser Hinsicht einen beschwerlicheren Weg einschlagen.
Kaum hatte er das Rudel aus Nachrichtenleuten abgehängt, da nahm er als erstes Kontakt zu einer Agentur für Dienstpersonal auf und stellte den erfahrensten Butler ein, den man dort vertrat. Ein ruhiger, bescheidener, aber erstaunlich bestimmt auftretender Mann in den späten Fünfzigern war dieser Baxter, und er war mehr als nur ein Butler. Er war Leibdiener, ein wahrer Gentleman und mit all den arkanen Geheimnissen und Ritualen aristokratischen Benehmens vertraut. Obwohl Robert fast das ganze Leben bei der Raumflotte verbracht hatte, war er doch genug bei der Familie zu Besuch gewesen, um die Grundlagen zu beherrschen; die alltäglichen Einzelheiten jedoch, nach denen man das korrekte Verhalten und die soziale Stellung beurteilte, waren schnelleren Mutationen unterworfen, als irgendein Außenstehender jemals hoffen konnte zu verfolgen.
Was natürlich genau der Punkt war. Die Gesellschaft der oberen Zehntausend sollte schließlich elitär, vielschichtig und geheimnisvoll sein. Wie wollte man sonst erkennen, wer dazugehörte und wer nicht? Der halbe Spaß, dazuzugehören, bestand darin, hochnäsig auf die herabzublicken, die es nicht taten. Robert der Militär betrachtete die ganze Sache als fürchterlich kindisch, aber er war trotzdem Aristokrat genug, um zu begreifen, wie ernst alle anderen sie nahmen. Jetzt war er selbst der Feldglöck und mußte mitspielen. Man erwartete es von ihm.
Die Rebellion hatte den Familien vielleicht eine andere Rolle zugewiesen, aber manches änderte sich nie.
Und so hörte er geduldig zu, als Baxter ihm Vorträge hielt über Etikette und Stil und die korrekte Art, seine Manschetten zu zeigen, über die aktuellen Tänze und den neuesten Klatsch sowie darüber, mit wessen Unterstützung oder Widerstand er rechnen konnte. Falls Clan Feldglöck wirklich wieder auf dem aufsteigenden Ast war, waren sehr viele Leute der Meinung, es wäre Zeit, sich durch Absprachen Vorteile zu verschaffen, solange die Feldglöcks noch schwach waren. Und genauso viele waren ohne weiteres dazu fähig, sogar Mordanschläge zu arrangieren, um den Aufstieg der Feldglöcks zu verhindern und den Status quo zu bewahren. Allein schon dadurch, daß er der Feldglöck wurde, erbte Robert Intrigen und Fehden, die über Jahrhunderte zurückreichten, und damit alte Bundesgenossen und alte Feinde. In den Familien vergaß oder vergab niemand.
Solange es nicht zweckdienlich war.
Robert schloß einen Moment lang die Augen. Er war todmüde. Jemand würde für das bezahlen, was er durchmachte, und auf keinen Fall er selbst. Er würde das verdammte Spiel mitspielen, aber auf seine Art und nach eigenen Regeln, und der liebe Gott mochte jedem helfen, der ihm dabei in die Quere kam. Er bemerkte, daß Baxter nicht mehr redete, und blickte sich scharf um.
»Tut mir leid, ich wollte nur die Augen ausruhen. War etwas? Habe ich etwas versäumt?«
»Ich fragte nach dem kleinen Portrait rechts von Euch, Sir«, sagte Baxter. »Es ist das einzige Portrait, das Ihr mitgebracht habt. Eine höchst liebreizende junge Dame. Ist sie diejenige, für die ich sie halte?«
»Ja«, antwortete Robert, »das ist sie. Es ist Letitia.« Er starrte ausdruckslos auf das Bild in dem silbernen Rahmen eine der wenigen Habseligkeiten, die er mitgebracht hatte. Alles, was übriggeblieben war von der letzten Einmischung der Familie in sein Leben. »Sie war wirklich bezaubernd. Ich vermute, alle Welt kennt die Geschichte. Sie war seinerzeit ein recht ansehnlicher Skandal. Beinahe hätte ich Letitia geheiratet. Eine arrangierte Hochzeit, aber ich mochte die Dame. Mit der Zeit hätte ich mich womöglich gar in sie verliebt. Aber anläßlich der Hochzeit wurde erkennbar, daß sie schon schwanger war, von einem ihrer Wachleute. Und Gregor Shreck ermordete sie lieber, als hinzunehmen, daß die Hochzeit ihren Fortgang nahm und seine Familie entehrte. Ich wollte Letitia retten, aber die Familie hielt mich zurück. Ich denke, damals habe ich meinen Haß auf die Clans entwickelt. Auf sie alle.«
»Familienehre ist… eine heikle Angelegenheit, Sir. Es ist oft schwierig zu erkennen, was das Beste ist.«
»Gregor hat sie vor meinen Augen umgebracht. Ich hätte ihn damals getötet, falls ich in der Lage gewesen wäre. Vielleicht tue ich es noch.«
»Dann, so fürchte ich, müßt Ihr Euch anstellen, Sir. Gregor Shreck ist zur Zeit nicht mehr der beliebteste Vertreter auf dem gesellschaftlichem Parkett. Tatsächlich möchte ich sogar anzudeuten wagen, daß Feigwarzen wahrscheinlich populärer sind als er.«