Ich schulde es seinem Andenken, nicht zurückzutreten, bis ich den Clan in sichere Hände legen kann. Deshalb heirate ich auch Owen Todtsteltzer.«
»Ich habe davon gehört. Meinen Glückwunsch.«
»Danke.«
»Wie ist er denn so? Ich habe ihn immer nur im Holo gesehen. Manche sagen, er wäre ein Held, andere…«
»Sagen, er wäre ein Monster. Ich weiß. Mir kam er jedoch ganz normal vor. Ganz liebenswert. Auf eine tolpatschige Art sogar charmant. Er ist allerdings stark. Nachdenklich. Er wird einen guten konstitutionellen Monarchen abgeben, und wenn unsere beiden Familien verschmolzen sind, kann ich als Königin die Leitung an ihn übergeben. Könnt Ihr Euch sicherere Hände vorstellen als die des legendären Owen Todtsteltzer?«
»Im Grunde nicht. Aber welche Gefühle hegt Ihr für ihn?«
»Er begegnete mir freundschaftlich. Damit gebe ich mich zufrieden. Ich hatte eine große Liebe in meinem Leben. Ich denke nicht, daß ich es ertragen könnte, noch eine zu verlieren.«
»Warum habt Ihr eingewilligt, mich zu empfangen?« wollte Robert wissen. »Ihr sagtet selbst, Ihr wärt derzeit sehr gefragt, und ich bin keine bedeutende Gestalt. Noch nicht. Und unsere Familien sind Todfeinde. Wieso also ich?«
»Weil wir viel gemeinsam haben. Wir wurden beide viel früher, als wir erwarteten, zu Oberhäuptern unserer Clans. Wir beide haben schrecklichen Schmerz und Verlust erfahren, und es hat uns nicht gebrochen. Ich brauche jemanden wie Euch, jemanden, mit dem ich reden kann, der mich versteht. Jemand aus den Reihen der Familien, der den Schwarzen Block nicht fürchtet.«
»Gute Gründe«, räumte Robert ein. »Was den Schwarzen Block angeht, so weiß ich nicht viel. Ich war nur kurz dabei, ehe die Familie mich wieder herausgeholt und zur Raumflotte geschickt hat, wo ich ihr, wie sie fand, nützlicher sein konnte.
Ich wurde nie in Mysterien oder Geheimnisse des Schwarzen Blocks eingeweiht. Ich hatte auch nie eine Ahnung, daß er so weit verbreitet und so… mächtig ist.«
»Das hatten nur wenige«, sagte Konstanze, »bis es viel zu spät war. Ich habe zu viel Böses in den Familien erlebt, Robert.
Zu viele von uns sind Produkte der Inzucht, sind korrupt, mißbrauchen ihre Macht und Privilegien. Ich war eine der wenigen aus unseren Reihen, die die Rebellion tatsächlich befürworteten. Ich sah in der neuen Ordnung eine Chance, die Familien zu dem umzugestalten, was sie sein sollten – die Besten der Besten, die führen und schützen und dabei nicht durch Angst und Unterdrückung herrschen. Der Schwarze Block bringt dieses Ziel jetzt jedoch in Gefahr. Die Clans sind so verzweifelt darauf aus, Macht zurückzugewinnen, daß sie alles tun, was der Schwarze Block ihnen sagt, um das zu erreichen. Wir haben keine Vorstellung davon, was der Schwarze Block heute wirklich darstellt und was er wirklich möchte. Jemand muß ihn aufhalten, und ich schaffe das nicht allein. Ich brauche Bundesgenossen, wahrhaftige Menschen mit gutem Herzen, denen Pflicht mehr bedeutet als nur ein Wort. Was sagt Ihr dazu, Robert Feldglöck? Habe ich in Euch einen Bundesgenossen gefunden?«
»Ich denke, das habt Ihr womöglich, Konstanze Wolf. Aber wie könnten wir etwas ändern?«
»Wir können ein Beispiel geben. Dem Schwarzen Block zeigen, daß wir ihn nicht fürchten. Falls wir aufstehen und uns bemerkbar machen, werden sich uns andere anschließen.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, sagte Robert. »Im Militär ist derjenige, der zuerst aufsteht, gewöhnlich auch der, dem als erster der Kopf weggeschossen wird. Ich denke jedoch, daß Ihr recht habt mit der Überlegung, daß sich uns andere anschließen könnten, wenn sie erfahren, daß es Gleichgesinnte gibt. Was ist mit Eurer alten Familie aus der Zeit vor Eurer Ehe mit Jakob Wolf? Wo steht sie? Würde sie Euch unterstützen?«
»Meine Familie und ich, wir… reden nicht mehr miteinander«, antwortete Konstanze gelassen. »Ich war die älteste Tochter des Clans Devereaux und sollte eigentlich einen geeigneten jungen Mann niederen Standes heiraten, um die Blutlinie zu verbessern. Statt dessen ging ich die Ehe mit einem Wolf ein und wurde Mitglied seines Clans, und meine Blutlinie ging der Familie Devereaux für immer verloren. Mein Vater erklärte, daß ich für ihn gestorben wäre. Seitdem habe ich mit keinem aus der Familie mehr gesprochen.«
»Das ist aber eine Schande!« fand Robert. »Ihr solltet es versuchen, Konstanze. Man könnte inzwischen andere Gefühle für Euch hegen, da sich die Umstände geändert haben.«
»Ich habe meinen Stolz.«
»Manchmal ist Stolz nur hinderlich. Die Menschen, die wir lieben oder bewundern, werden uns immer viel zu schnell genommen, ehe wir Gelegenheit finden, ihnen all das zu sagen, was wir eigentlich sagen möchten. Ich habe meine Eltern frühzeitig verloren, also verehrte ich, während ich älter wurde, das Oberhaupt meines Clans, Crawford Feldglöck. Für mich war er ein Gott. Ich wäre für ihn durchs Feuer gegangen, hätte er nur einmal von mir Notiz genommen. Ich habe mich immer schuldig gefühlt, weil ich am Tag, als die Wolfs kamen, nicht bei ihm im Feldglöck-Turm stand. Ich kann mich einfach nicht des Gefühls erwehren, daß die Sache anders verlaufen wäre, hätte ich nur an seiner Seite gekämpft. Wahrscheinlich irre ich mich.
Wahrscheinlich wären wir auch so alle umgekommen. Aber manchmal…«
»Ich weiß«, sagte Konstanze. »Ich kann das verstehen.«
Sie beugte sich vor und legte zum Trost eine Hand auf seine.
Und als sie sich gegenseitig berührten, sprang ein elektrischer Funke zwischen ihnen über, ihre Augen begegneten sich, weit geöffnet und erschrocken, und ihre Herzen schlugen auf einmal schneller. Sie blickten sich tief in die Augen und sahen dort den Himmel, der sie erwartete. Und dann zog Konstanze ruckhaft die Hand weg, und alles stürzte wieder in seinen Normalzustand zurück. Für einen Moment saßen sie schweigend da und sahen alles an, nur nicht sich gegenseitig. Robert riskierte einen kurzen Blick auf Konstanze und entdeckte die letzten Spuren heißer Röte in ihrem Gesicht. Auch seine Wangen fühlten sich ungemütlich warm an.
»Und wie laufen die Vorbereitungen auf Eure Hochzeit mit dem Todtsteltzer?« fragte Robert schließlich.
»Sehr gut, danke der Nachfrage«, antwortete Konstanze mit völlig gefaßter Stimme. »Sie findet in sechs Monaten statt.
Vorausgesetzt, es treten keine… Komplikationen auf.«
»Natürlich«, sagte Robert. »Man weiß nie, ob und wann sich Komplikationen ergeben. Ihr liebt ihn nicht, oder?«
»Nein«, bestätigte Konstanze. »Ich liebe ihn nicht.«
»Gut«, sagte Robert. Ihre Blicke begegneten sich wieder, und diesmal lächelten sie sich auch an.
Finlay hielt sich immer noch in seinem Quartier unter der Arena auf, als er hörte, wie jemand nachdrücklich an die Tür klopfte. Er runzelte die Stirn. Für jemanden, der sich angeblich versteckte, erhielt er aber verdammt viele Besucher. Er schnallte sich Schwertgurt und Pistolenhalfter um und näherte sich vorsichtig der Tür. Er hätte wirklich in ein Gucklock oder eine versteckte Kamera investieren sollen! Er lauschte einen Moment lang, hörte nichts, und öffnete schließlich die Tür nur einen Spalt weit. Eine vertraute Stimme nannte seinen Namen, und dann wurde er weggedrückt, als die Tür unter dem Gewicht der Person nachgab, die daran lehnte. Er packte Evangeline, als sie auf ihn zukippte, gerade noch rechtzeitig, ehe sie auf dem Boden aufschlug. Sie war in ein langes purpurrotes Laken gewickelt, und ein Teil davon wölbte sich über einem großen, unhandlichen Paket, das sie unter einem Arm trug. Ihr Gesicht war schlaff vor Schock und Erschöpfung und mit frisch getrockneten Blutspritzern bedeckt.
Finlay versuchte sie zu befragen, aber sie brachte nichts weiter hervor als seinen Namen, den sie in einem fort murmelte.