»Na ja«, sagte Finlay. »Das ist ja, als wären alle meine Geburtstage auf einmal angebrochen. Die beiden Männer, die ich hasse, gemeinsam in diesem Zimmer. Es gibt einen Gott, und Er ist gut.«
»Ihr und ich, wir haben nie viel mit Ihm zu tun gehabt«, entgegnete Valentin gelassen. »Wir dienen seit jeher einem viel dunkleren Herrn. Aber Euer Gefühl für den richtigen Zeitpunkt ist wie immer untadelig. Ich bin hergekommen, um ein Bündnis mit Gregor zu schließen – wobei es um gewisse heikle Dinge geht, die Euch nicht zu interessieren brauchen. Und Ihr wählt genau diesen Abend, um nach Eurer etwas verspäteten Rache zu streben. Nun, ich kann Euch nicht gestatten, Euch einzumischen, Finlay, also werdet Ihr, wie ich fürchte, sterben müssen.«
Finlay lachte, und es klang häßlich. Gregor wimmerte, und Valentin trat vor und bezog zwischen ihm und Finlay Stellung.
Er legte die Pistole weg und zog das Schwert.
»Ich habe viel von Eurer Schwertkunst vernommen, Feldglöck. Sehen wir mal, wie gut Ihr wirklich seid. Mann gegen Mann, Schwert gegen Schwert… Bringen wir zu Ende, was wir vor so langer Zeit im Feldglöck-Turm begonnen haben.«
»Ich habe jetzt keine Zeit dafür«, sagte Finlay und schoß Valentin Wolf mit dem Disruptor durch die Brust. Der Energiestrahl zuckte durch Valentins Körper und schleuderte ihn zu Boden. Finlay rümpfte die Nase und wandte sich Gregor zu, der ihn lautlos anknurrte. Finlay trat vor, legte Schwert und Pistole weg und packte Gregor mit beiden Händen am Hemd.
Er zerrte den gewaltigen, aufgeblähten Körper aus dem Bett und warf ihn auf den Boden. Valentins brennende Kleider hatten einige der umstehenden Möbel entzündet, und die Flammen breiteten sich aus. Die Hitze und das flackernde Licht hüllten die Ereignisse in eine passend höllische Atmosphäre. Finlay blickte auf Gregor hinab.
»Ihr habt Evangeline weh getan. Ihr seid ein Mörder, ein Verräter und ein Symbol für alles, was an den Familien und am Imperium korrupt ist. Ohne Euch wird die Welt besser riechen.
Vergeudet meine Zeit nicht mit Drohungen oder Warnungen.
Eure Wachleute werden nicht erscheinen, und mir ist völlig egal, was passiert, sobald ich mit Euch fertig bin. Es kommt nur noch darauf an, daß Ihr ebenso leidet, wie es meine Evie getan hat. Ich werde Euch dermaßen weh tun, daß es Euch wie eine Erleichterung vorkommen wird, wenn Ihr schließlich sterbt und in den Feuern der Hölle landet.«
Er griff hinter sich und zog die Projektilpistole aus dem Gürtel. Er hatte sie speziell für diesen Augenblick mitgenommen, eine einfache Faustfeuerwaffe mit acht Kugeln. Er zerschoß Gregors linke Kniescheibe. Gregor kreischte schrill und umklammerte das verletzte Bein, als könnte er die Kniescheibe wieder zusammendrücken. Finlay schoß nacheinander auf die andere Kniescheibe und die beiden Ellenbogen.
Gregor schrie jetzt in einem fort. Finlay feuerte ihm in Bauch und Lenden. Gregor brüllte die Reste seines Verstandes hinfort und fand trotzdem keine Zuflucht vor den schrecklichen Schmerzen.
Finlay stand da, lauschte eine Zeitlang und zeigte sein Totenschädellächeln. Das halbe Zimmer brannte inzwischen. Er sah sich nach Valentin um, entdeckte ihn aber nirgendwo. Der Wolf mußte weggekrochen sein, um zu sterben. Er würde nicht weit kommen, nicht nachdem ihm die halbe Brust weggeschossen worden war. Finlay wandte sich wieder Gregor zu, der immer noch schrie wie eine frisch zur Hölle verdammte Seele.
»Das ist für dich, Evie«, murmelte Finlay und jagte Gregor eine Kugel durch jedes Auge. Er senkte die leergeschossene Waffe und betrachtete die Leiche seines Feindes. Sie bot ihm Trost. Die Flammen tobten ringsherum und schossen zweifellos auch durch sämtliche tieferen Stockwerke. Gregors Privatquartier hatte keine Fenster, bot keinen Ausweg. Finlay hörte überall Explosionen. Der Turm würde nicht viel langer halten.
Finlay blickte sich gelassen um.
Und fragte sich, was er als nächstes tun würde.
KAPITEL SECHS
DER STURM ZIEHT AUF
Das Imperium war in seinem Übergang von der alten zur neuen Ordnung gefährlich geschwächt und fand sich nun von allen Seiten gleichzeitig angegriffen. Und alles ging in Windeseile zum Teufel. Alte Feinde stürmten heulend aus der Dunkelheit hervor und fielen wie die Wölfe über die ungeschützten Kolonien am Abgrund her.
Eine gewaltige Flotte von Shub-Sternenschiffen brach aus dem Verbotenen Sektor hervor, fegte den Quarantäne-Sternenkreuzer zur Seite und verwüstete jeden bewohnten Planeten auf ihrem Weg. Diese Schiffe waren angetrieben vom neuen Hyperraumantrieb, wie ihn die Fremdwesen entwickelt hatten, und praktisch nicht aufzuhalten, außer von den wenigen Sternenkreuzern der E-Klasse, über die die Imperiale Flotte noch verfügte.
Die großen goldenen Schiffe der Hadenmänner tauchten aus dem Nichts auf und fielen grausam über ahnungslose Planeten überall entlang des Abgrunds her – der Zweite Große Kreuzzug der Genetischen Kirche. Rasch wurde deutlich, daß sie aus getarnten Stützpunkten tief unter den Oberflächen unbewohnter Planeten hervorkamen. Die Hadenmänner hatten in jüngster Vergangenheit geheime Nester überall im Imperium angelegt, um nicht noch einmal alle ihre Eier in einen einzelnen, zerbrechlichen Korb zu legen. Die Verwüstung von Brahmin II durch den Todtsteltzer hatte ihnen recht gegeben, und angespornt durch die Vernichtung dessen, was als ihre zweite Heimatwelt geplant gewesen war, öffneten sich alle Nester der Hadenmänner auf einmal. Die riesigen goldenen Schiffe aus gefürchteten Legenden zogen erneut ihre Bahn durch die weite Nacht und brachten Tod und Zerstörung und Schlimmeres als den Tod.
Auch die Insektenschiffe tauchten wieder auf. Lautlos glitten sie aus der Dunkelheit hervor wie riesige, klebrige Kugeln aus kompaktem Netzgewebe, angetrieben von unbekannten Kräften. Mühelos durchbrachen sie planetare Verteidigungsanlagen und luden krabbelnde Armeen von Killerinsekten aus, die ganze Städte lebendig verschlangen und nichts anderes zurückließen als nackte, abgenagte Knochen. Sie äußerten keine Drohungen, stellten keine Forderungen und wichen weder vor Zureden noch vor Warnungen zurück. Sie fielen einfach in lautlosem Grauen vom Himmel und machten sich über alles Lebendige her. Bald waren ganze Planeten draußen am Abgrund bedeckt von umhertrippelnden, durcheinanderwogenden Insekten, die blind durch die Ruinen dessen krabbelten, was einmal Städte der Menschen gewesen waren.
Das Imperium vergeudete bemerkenswert wenig Zeit, ehe es zur eigenen Verteidigung schritt. Das Parlament machte aus Golgatha eine große Kommunikations- und Taktikzentrale, warnte alle Planeten und Kolonien, die in Gefahr waren, und sandte eilig Schiffe, Soldaten und Waffen zu den Welten, die noch nicht gefallen waren oder noch keinem Angriff ausgesetzt. Zum Glück erwies sich, daß Shub, die Hadenmänner und die Insekten zwar allesamt Feinde der Menschheit waren, aber kein Interesse an irgendeiner Form von Bündnis untereinander zeigten. Jeder ging seinen eigenen Weg, suchte sich eigene Ziele und kooperierte nicht mit den übrigen Angreifern, nicht einmal, wenn es eindeutig im eigenen Interesse gewesen wäre.
Sie griffen sich jedoch auch nicht gegenseitig an und hielten sich alle an das jeweils eigene Gebiet. Zunächst jedenfalls.
Den ganzen Abgrund entlang fielen die Kolonien, eine nach der anderen. Die drei Angriffsstreitmächte drangen stetig tiefer ins Imperium vor, in Richtung der dichteren Zentren menschlicher Besiedelung und des verletzlichen imperialen Herzens: Golgatha. Manche Kolonisten versuchten, wider die Wünsche und den Rat des Parlaments, Abkommen mit denen zu schließen, die sie angriffen. Es nützte ihnen nichts.
General Becketts verwüstete Imperiale Flotte gab sich Mühe, aber ihre Fähigkeiten waren von Anfang an begrenzt. Die wenigen noch existierenden Schiffe der E-Klasse mit dem neuen Hyperraumantrieb konnten nicht überall zugleich sein, und fortlaufend kamen Hilferufe von angegriffenen Planeten. Beckett schickte die Reste seiner Flotte kreuz und quer durchs Imperium und warf auch noch das letzte Schiff ins Gefecht, das überhaupt eine Besatzung und funktionsfähige Geschütze hatte, sogar die Einheiten, die die Dunkelwüste patrouillierten. Er hetzte sie von einem Krisenherd zum nächsten, aber allzu oft kamen sie zu spät, um noch etwas zu bewirken. Schließlich versuchte Beckett es damit, die Flotte aufzuspalten und die stärksten Sternenkreuzer zu den Planeten zu schicken, die in der unmittelbarsten Gefahr schwebten. Imperiale Sternenkreuzer jedoch, die der Feind allein antraf, fanden sich rasch mit einer Übermacht und überlegener Feuerkraft konfrontiert, so daß ihnen keine andere Wahl blieb, als um ihr Leben zu flüchten, oft schwer beschädigt. Das Parlament wurde durch den Verlust zu vieler unersetzlicher Schiffe nervös und befahl Beckett, die Flotte umzugruppieren und auf kürzere Linien zurückzuziehen, um die dichter bevölkerten Zentralwelten des Imperiums zu verteidigen. Alle übrigen mußten sehen, wo sie blieben. Die Bevölkerungen ganzer Welten versuchten, ihre Heimat zu verlassen, und drängten sich in die Laderäume jedes Schiffes, das über einen funktionsfähigen Hyperraumantrieb verfügte. Viele erreichten nie ihre Ziele. Viele weitere planetare Bevölkerungen leisteten in ihrer Heimat Widerstand, wollten lieber sterben, als die Welten aufgeben, die sie sich durch Generationen harter Arbeit und Opfer zu eigen gemacht hatten.