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»Glückwunsch«, sagte Ohnesorg. »Wir haben die Landung überlebt. Leider steht das Schiff in Flammen. Wir müssen hinaus, und zwar schnell.«

»Und was hält uns auf?« wollte Ruby wissen.

»Wir stecken in unserem Kokon fest, und ich kann nicht genug Hebelwirkung einsetzen, um uns zu befreien. Irgendwelche Vorschläge?«

»Wir haben die Füße noch auf dem Deck. Falls wir uns nicht nach hinten stemmen können, dann immer noch aufwärts.«

Also gaben sie sich gegenseitig Halt, weigerten sich, über die Schmerzen aus den diversen Verletzungen zu schreien, und zwangen sich auf die Beine. Danach war es eine einfache, wenn auch schmerzhafte Aufgabe, sich aus dem Kokon zu befreien, der ihnen das Leben gerettet hatte. Sie stützten sich schwer aufeinander und humpelten zu der einzelnen Luftschleuse hinüber. Sie fühlten sich beide nicht besonders sicher auf den Beinen. Jack konnte nicht so gut sehen, wie er es gern gehabt hätte, und der Kopf tat ihm scheußlich weh. Er hoffte nur, daß er keine Gehirnerschütterung hatte. Ruby schonte ein Bein, und eines ihrer Augen war rot von geplatzten Adern.

Wirklich kein gutes Zeichen. Jakob beschloß, später über all das nachzudenken. Zunächst mal mußten sie aus der verdammten Pinasse herauskommen. Er schlug auf die Steuertasten der Luftschleuse, und nichts passierte. Er hieb erneut darauf, so heftig er in der geschwächten Verfassung nur konnte, aber die Innentür der Luftschleuse blieb hartnäckig geschlossen.

»Was dauert denn da so lange?« nörgelte Ruby. »Ich möchte mich hinlegen. Etwas schlafen.«

»Gleich«, sagte Ohnesorg. »Zunächst solltest du mal dieser Tür gut zureden. Sie will nicht auf mich hören.«

»Die Luftschleuse hängt an der Hauptsteuerung. Und die wurde bei der Landung zerstört.«

»Können wir sie reparieren?«

»Vielleicht«, antwortete Ruby und runzelte die Stirn, während sie sich zu konzentrieren versuchte. »Falls du gut in Puzzlespielen bist. Außerdem solltest du es nicht so eilig mit dem Aussteigen haben. Soweit ich mich an die Dateien erinnere, sind die Außenbedingungen hier grauenhaft – kalt, eine starke Hintergrundstrahlung, und der Wind hört nie auf. Setzen wir uns doch einfach hin und warten auf Rettung. Ich bin müde.«

»Ich fürchte, das können wir nicht machen, Ruby. Wir haben Feuer im Laderaum, und es breitet sich in unsere Richtung aus.

Und die Triebwerke…«

»Könnten jederzeit hochgehen. Na klar. Verdammt! Du bist wirklich voller guter Nachrichten, was? In Ordnung. Die Tür müßte eine Handsteuerung haben, die darüber und darunter zu finden ist. Knobeln wir aus, wer sich bücken muß.«

Letztlich wurde Jakob beinahe ohnmächtig vor lauter Schmerzen, als er sich zu bücken versuchte, also mußte Ruby es an seiner Stelle übernehmen, wobei sie die ganze Zeit fluchte und sich beschwerte. Sie öffneten die Innentür der Luftschleuse zentimeterweise, stolperten in die Schleusenkammer und zündeten die Explosivriegel, mit denen man die Außentür absprengen konnte. Ohnesorg steckte vorsichtig den Kopf hinaus und zuckte zusammen, als ihm der bitterkalte Nachtwind ins Gesicht blies. Es fühlte sich an, als würde er mit Messern geschnitten. Rasch zog er den Kopf wieder ein.

»Scheußlich.«

»Habe ich dir ja gesagt«, stellte Ruby fest. »Die Einheimischen tragen Schutzanzüge, wenn sie ins Freie gehen müssen, was sie so selten tun, wie es die Umstände nur erlauben.«

»Wir haben nicht die Zeit, um Schutzanzüge zu improvisieren. Wir müssen etwas Distanz und Schutz zwischen uns und dieses Schiff bringen, für den Fall, daß es in die Luft geht. Ich bin mir ziemlich sicher, daß ich in Marschentfernung von hier eine Felswand gesehen habe, die den Eindruck erweckte, daß sie Höhlen enthält.«

»Damit solltest du lieber recht behalten, Ohnesorg! Okay, du führst, ich folge.«

Sie torkelten in die eisige Dunkelheit hinaus, und der Wind blies sie für einen Moment seitlich aus der Bahn, ehe sie sicheren Stand fanden. Die Kälte schnitt wie mit Messern in sie hinein, und der Wind hatte etwas an sich, was regelrecht scheuerte und die freiliegende Haut wundrieb. Sie drückten sich aneinander und stolperten los, weg von dem abgestürzten Schiff, in Richtung auf die dunkle Klippe in der Ferne.

Sie kamen nur so langsam voran, daß es sie schier zum Wahnsinn trieb. Mit gebrochenen Knochen und hemmenden Schmerzen konnte man durch Kraftaufwand und Entschlossenheit auch nur noch begrenzte Erfolge erzielen. Sie stolperten weiter und stützten einander. Es war noch nicht ganz dunkel, aber nur ein kleiner Mond stand am Himmel und warf ein kränklich blaues Licht über die Alptraumlandschaft. Sie befanden sich in einem Tal, auf allen Seiten umstanden von hohen, unheimlichen Formen, die unerwartet aus der Düsternis aufragten. Nirgendwo erblickten sie eine Spur von etwas Lebendigem. Der Wind heulte wie eine sterbende Kreatur. Die Felswand schien einfach nicht näherzukommen.

»Wie stehen unsere Chancen auf Rettung?« fragte Ruby nach einer Weile.

»Schlecht«, antwortete Ohnesorg. »Der Sturm und der Angriff haben uns weit aus dem Kurs geworfen. Als ich zuletzt unsere Position feststellen konnte, waren wir etwa drei Kilometer von der Hauptstadt Vidar entfernt. Keine weiteren Siedlungen in Marschentfernung. Und nach so einem Absturz macht sich vielleicht niemand mehr die Mühe mit einem Rettungseinsatz. Sie würden nicht so weit herauskommen, nur um ein paar Leichen zu identifizieren. Selbst wenn es zwei recht berühmte Leichen wären.«

»Also«, sagte Ruby, »gehen wir erst mal zur Felswand. Dann klettern wir daran hinauf, bis wir eine Höhle finden. Dort setzen wir uns hin, bis wir geheilt sind. Und dann müssen wir drei Kilometer durch diese Scheiße wandern, um wieder die Zivilisation zu erreichen. Wundervoll! Sollten wir all das überleben, dann werde ich feststellen, wessen Idee es war, uns hierzuschicken, reiße ihm seine Milz heraus und zwinge ihn, sie Bissen für Bissen zu verspeisen.«

»Du mußt dich schon besser fühlen, wenn du so viel reden kannst. Legen wir mal einen Zahn zu.«

»Du bist ein Mistkerl, Jakob. Habe ich dir das in letzter Zeit schon mal gesagt?«

»Halt die Klappe und geh weiter.«

»Warum zum Teufel war ich nur bereit herzukommen?« fragte Ruby.

»Du hast dich nun mal freiwillig gemeldet. Wolltest mal wieder ein bißchen Nervenkitzel.«

»Sowas habe ich mir dabei eindeutig nicht vorgestellt.«

»Ah, du möchtest nie irgendwohin, wo man Spaß hat.«

Sie klammerten sich aneinander, während der Wind sie hin-und herpeitschte, wie ein Tyrann auf irgendeinem Spielplatz.

Sie kniffen die Augen vor den Böen zusammen, bis sie kaum noch etwas sehen konnten, und Staub wurde ihnen in Nasen und Münder geweht und reizte ihre Kehlen. Der Boden unter ihren Füßen stieg und fiel ohne erkennbaren Grund und erwies sich dabei doch als hart und unnachgiebig, so daß mit jedem Schritt schmerzhafte Schwingungen durch die erschöpften Leiber liefen.

Ohnesorg versuchte, sich einen Eindruck von der Umgebung zu verschaffen. Die Formen, an denen sie vorübergingen, schienen aus einer Art schwarzem Basalt zu bestehen, aber die seltsamen und rätselhaften Gebilde wirkten auf unterschwellige Weise beunruhigend. Sie erweckten den Eindruck, beinahe organisch zu sein, auf seltsame Art vertraut, wie Gestalten, die man im Traum erblickt und die voller Bedeutung sind. Ohnesorg schüttelte den Kopf und bemühte sich, die beunruhigenden Gedanken zu verbannen. Nur die Vorstellungskraft gaukelte ihm vor, die Felsen ähnelten Kreaturen, die jeden Augenblick erwachen, sich umdrehen und ihn mit der böswilligen Geduld verfolgen konnten, wie sie den Kreaturen in Alpträumen eigen war. Er blickte zur Pinasse zurück. Sie war im schwindenden Licht der Dämmerung kaum noch zu erkennen, aber er sah sie noch gut genug, um darüber erstaunt zu sein, daß er und Ruby überhaupt überlebt hatten. Das Boot war an mehreren Stellen aufgebrochen, und die dicken Panzerplatten waren verbogen, zerrissen wie Papier. Mehr als ausreichend, um jeden menschlichen Fahrgast zu töten. Jeden nur menschlichen Fahrgast.