Выбрать главу

Eine Streife der örtlichen Wache fing sie ab, als sie sich dem Haupttor näherten; sie bestand aus sechs Mann in voller Gefechtspanzerung mit improvisierten Masken und Kapuzen. Sie stapften entschlossen auf die beiden Neuankömmlinge zu, blieben dann aber in respektvollem Abstand stehen. Jeder der Wachleute hielt ein Strahlengewehr in den behandschuhten Händen und zielte sorgfältig damit. Ohnesorg und Ruby blieben ebenfalls stehen, nur um höflich zu sein. Einer der Wachleute trat vor.

»Wer zum Teufel seid Ihr?« brüllte er und konnte sich durch den Wind trotzdem kaum bemerkbar machen. »Unsere Sensoren bestätigen, daß Ihr weder Furien noch Geistkrieger seid, aber kein Mensch ist dumm genug, um draußen ohne Panzerung herumzulaufen!«

»Wir sind Jakob Ohnesorg und Ruby Reise«, antwortete Ohnesorg so höflich, wie man sein konnte, wenn man schrie. »Ich glaube, Ihr erwartet uns. Tut mir leid, daß wir uns etwas verspätet haben.«

»Aber… wir haben Euer Schiff gestern abstürzen gesehen, und das über drei Kilometer weit entfernt!«

»Wir haben den Absturz überlebt, im Gegensatz zu unserer Besatzung. Also haben wir den Tagesanbruch in einer Höhle abgewartet und sind hierhergewandert.«

»Ihr seid z u Fuß gegangen? Jesus Christus, vielleicht seid Ihr ja wirklich so gut, wie man sich erzählt! Folgt mir, ich führe Euch in die Stadt. Ich fürchte allerdings, daß unsere Waffen auf Euch gerichtet bleiben werden, bis wir Eure Identität bestätigen konnten. Shub hat schon alle möglichen Tricks probiert, um in die Stadt zu gelangen. Wir gehen keinerlei Risiko mehr ein.«

»Verstanden. Wärt Ihr vielleicht damit einverstanden, daß wir jetzt aufbrechen? Ich habe für mein Leben genug von diesem Sturm und dem Staub.«

»Willkommen auf Loki«, sagte der Anführer der Wachleute, drehte sich um und ging auf das Haupttor zu. Ohnesorg und Ruby folgten ihm, und die übrigen Wachleute drehten sich langsam um und behielten sie so im Visier. Das Haupttor erwies sich als Konstruktion aus zwei riesigen Stahlplatten. Sieben Meter hoch, passend zur Mauerhöhe, und über zweieinhalb Meter breit waren sie und erweckten ganz den Eindruck, sie könnten sogar einen brünstigen Grendel abwehren. Langsam öffneten sie sich, als der leitende Wachoffizier ein Signal gab.

Er führte Ohnesorg und Ruby hindurch. Die übrigen Gardisten folgten ihnen rasch und hielten sie umzingelt. Die Tore knallten wieder zu und sperrten den Sturm aus.

Plötzlich war es ganz ruhig. Das Brüllen des Sturms war wie abgeschnitten, als hätte jemand hoch droben einen Schalter gedrückt. Ohnesorg richtete den schmerzenden Rücken langsam auf und rieb sich Staub aus den Augen. Neben ihm hustete Ruby kräftig, um den Staub aus Hals und Mund zu entfernen.

Sie befanden sich in einer riesigen Luftschleuse, groß genug für fünfzig Personen, falls ihnen ein bißchen Gedränge nichts ausmachte. Die Luft war behaglich warm und wunderbar rein.

Ohnesorg holte mehrmals tief Luft, ehe er sich an den leitenden Wachoffizier wandte, der gerade damit beschäftigt war, die Einzelteile seiner Rüstung müde in Wandfächern zu verstauen.

Er war jung, kaum in den Zwanzigern, und hatte ein langes, ernstes Gesicht unter einem dicken Schopf langer gelber Haare.

Verantwortung und Härte des Lebens hatten schon tiefe Furchen um Mund und Augen gegraben. Plötzlich lächelte er Ohnesorg an, und es war ein gewinnendes, fast schüchternes Lächeln.

»Unseren Sensoren und den Lektronendaten zufolge seid Ihr tatsächlich, wer und was Ihr vorgebt. Mann, sind wir froh, Euch zu sehen!« Er gab den übrigen Gardisten einen Wink, und sie steckten sofort ihre Waffen weg und begannen damit, Masken und Panzer abzulegen. Sie alle wirkten jung und ernst und durchaus fähig, sich im Gefecht zu bewähren. Ohnesorg vermutete, daß Schwächere auf Loki nicht lange durchhielten.

Der Anführer hielt ihm die Hand hin, und Ohnesorg schüttelte sie mechanisch. Der Anführer wandte sich auch an Ruby, aber sie bedachte ihn nur mit einem harten Blick, so daß er die Hand senkte und sich wieder zu Ohnesorg umdrehte.

»Ich bin Peter Wild, leitender Wachoffizier. Ich wollte eine Suchgruppe losschicken, die nach Euch Ausschau hält, aber der Stadtrat war fest überzeugt, daß niemand einen solchen Absturz hätte überleben können. Ich habe es ihnen ja gesagt! Ich wußte, daß mehr als ein Absturz nötig ist, um Jakob Ohnesorg zu erledigen!«

Von den übrigen Wachleuten kam lautes, zustimmendes Gebrumm, und Ohnesorg sah sich um und stellte fest, daß sie ihn mit großen Augen und breitem Lächeln ansahen und ihm respektvoll zunickten. Ohnesorg deutete auf Ruby, die plötzlich damit aufhörte, zu husten und auf den Boden zu spucken.

»Ich denke, Ihr kennt meine Begleiterin?«

»O ja!« antwortete Wild, und sein Lächeln verschwand. »Wir wissen alles über Ruby Reise. Bitte laßt nicht zu, daß sie wichtige Leute umbringt oder irgendwas in Brand steckt!«

»Deine Reputation ist dir vorausgeeilt«, sagte Ohnesorg trocken zu Ruby.

»Trotzdem«, fuhr Wild fröhlich fort, »sind wir sehr froh, Euch hier zu empfangen, Sir Ohnesorg. Vielleicht könnt Ihr diesem verdammten Krieg eine Wende geben.«

»Unsere Instruktionen waren sehr allgemeiner Natur«, sagte Ohnesorg. »Bringt uns über die Einzelheiten auf den neuesten Stand.«

Wild zögerte. »Man erwartet von mir, Euch direkt zum Stadtrat zu führen, damit man Euch dort über die aktuelle Lage informiert.«

»Ihr könnt unterwegs schon damit anfangen. Erzählt mir von Vidar! Wie gut ist die Stadt geschützt?«

»Wände und Türen aus massivem Stahl, über dreißig Zentimeter dick«, berichtete Wild und führte sie durch das Innentor der Luftschleuse. »Das Kraftfeld über den Mauern schützt uns vor dem Wetter. Wir brauchen Stadtmauer und Tore, weil wir das Kraftfeld nicht mal für eine Sekunde senken könnten, ohne daß der Sturm die Stadt verwüstet. Es liegt nicht nur an der Windstärke; der Staub sickert einfach überall hinein. Die Technik versagt dabei fortlaufend.«

»Hört der Sturm nie auf?« fragte Ruby.

»Nein, gnä’ Frau. Er hat nur zuzeiten Schwächeperioden.

Hier entlang.«

Auf die Luftschleuse folgte ein schlichtes Muster aus schmalen Straßen zwischen niedrigen, kompakten, funktionell wirkenden Häusern. Farben und Dekorationen waren Mangelware.

Vidar diente dem Bergbau und bot keinen Platz für Zierrat und Phantasien. Menschen eilten vorbei, als Wild seine Gäste in die Stadt führte, schenkten den Neuankömmlingen jedoch wenig oder gar keine Beachtung. Alle trugen Schwerter und Strahlenwaffen, sogar in der angeblichen Sicherheit der Festung.

Ohnesorg hielt das für bedeutsam.

»Die Truppen der Aufständischen haben sich mit Shub verbündet«, sagte Wild. Er sprach das Wort Shub wie einen Fluch aus. »Sie verfügen über eine Armee aus Geistkriegern und ein paar Furien sowie über ein ganzes Arsenal an hochtechnologischen Waffen, die mehr Ausfälle zu verzeichnen haben, als daß sie funktionieren würden. So ist nun mal Loki. Nicht mal Shub findet Schutz vor dem Staub. Als Folge davon findet ein Großteil der Kämpfe ohne Waffen statt. Fleisch und Blut gegen wandelnde Leichen und Metallgestalten. Nicht direkt ein ausgeglichenes Szenario, aber so ist nun mal Shub. Jedenfalls scheinen die Aufständischen keine Einwände zu haben. Ihre Anführer interessieren sich für nichts anderes mehr als den Sieg. Die Disruptorkanone, die Euch abgeschossen hat, war für uns ebenso überraschend wie für Euch. Sie müssen echt Angst vor Euch haben, wenn sie das Risiko eingehen, eine so starke Waffe zu enttarnen. Betrachtet es als zweifelhaftes Kompliment.«