Aufständische?«
»Ja«, antwortete Wild. »Sie beteiligen sich an allem, was passiert. Dieses Dorf hieß Trawl und hatte vielleicht fünfhundert Einwohner. Ich hatte Verwandte dort. Sie sind alle tot.
Trawl war nicht mal von strategischer Bedeutung, aber die Rebellen haben es trotzdem zerstört. Einfach, weil es da war. Und sie haben alle umgebracht, um uns eine Botschaft zu übermitteln: Daß es nichts gibt, wozu sie nicht bereit sind, und daß wir nichts tun können, um sie daran zu hindern. Ich habe alle meine Familienangehörigen in Trawl verloren. Niemand ist mehr da. Ich bin der letzte meiner Linie, und unser Name stirbt mit mir.«
»Ja«, sagte Ruby. »Sowas passiert zur Zeit häufig. Ich kann aber nicht glauben, daß Menschen aus freiem Willen Seite an Seite mit Geistkriegern kämpfen.«
Wild zuckte die Achseln. »Sie sind verzweifelt. Viele von ihnen haben alte Rechnungen zu begleichen. Und vielleicht… haben sie einfach Geschmack am Töten gefunden. Ich weiß es nicht. Manchmal denke ich, daß das ganze Imperium verrückt geworden ist. Die alte Ordnung war übel, aber was wir heute haben, ist schlimmer.«
»Es ist nur ein Übergang«, meinte Ohnesorg. »Es treten zwangsläufig… Schwierigkeiten auf, wenn ein System durch ein anderes ersetzt wird. Mit der Zeit wird sich die Lage bessern.«
»Ich bin sicher, daß das alle trösten wird, die im Zuge Eures Übergangs ums Leben kommen«, sagte Wild. »Oder diejenigen, die miterleben müssen, wie sie sterben. Was ist passiert, Sir Ohnesorg? Ich habe immer an Euch geglaubt. Habe Euren Kampf gegen Löwenstein auf Schwarzmarkt-Videos verfolgt.
Habe darum gebetet, daß Ihr eines Tages irgendwie den Sieg davontragen möget. Jetzt weiß ich nicht mehr, was ich glauben soll.«
»Habt Vertrauen«, sagte Ohnesorg. »Nicht zu mir, sondern zu den Menschen. Sie werden das Imperium wieder aufbauen und stärker machen, als es vorher war. Alles, was jetzt geschieht, wird vorübergehen.«
»Falls du jetzt wieder von Geburtswehen sprichst«, warf Ruby ein, »muß ich womöglich kotzen.«
»Nichts, was von Wert ist, wird jemals ohne Schmerzen und Opfer erreicht«, beharrte Ohnesorg und konzentrierte sich auf Wild. »Wir schulden denen, die umgekommen sind, daß wir weiterkämpfen für die Ziele, an die wir glauben und an die sie geglaubt haben.«
»Ich möchte es ja glauben«, sagte Wild. »Ich wünsche mir ja, daß all dieses Sterben und Leiden einen Sinn hat. Aber was haben wir erreicht, wenn Leute wie de Lisle wieder an die Macht kommen können?«
»Vertraut mir«, sagte Ohnesorg. »Ich kümmere mich schon um ihn, sobald ich wieder auf Golgatha bin.«
»Könnt Ihr die Aufständischen stoppen?« fragte Wild.
»Könnt Ihr die Geistkrieger aufhalten?«
»Natürlich können wir das«, sagte Ruby. »Wir sind schließlich die Guten, nicht wahr, Ohnesorg?«
»Na ja, ich schon«, antwortete dieser. »Ich bin mir nicht so sicher, was dich angeht.« Er sah Wild an. »Wir tun alles, was wir können, um diesen Planeten vor seinen Feinden zu retten.
Das schwöre ich bei meinem Blut und meiner Ehre. Jetzt brauche ich eine Karte, die ich Euch auszuarbeiten bitte. Sie soll zeigen, wieviel Territorium die Aufständischen beherrschen und in welche Richtung sie marschieren. Ich brauche eine Vorstellung davon, was sie als nächstes angreifen.«
Wild nickte und wandte sich wieder dem Terminal zu. Ohnesorg gab Ruby einen verstohlenen Wink, und sie entfernten sich ein Stück weit, um sich unter vier Augen zu besprechen.
»Ursprünglich habe ich geglaubt, man hätte uns hierher geschickt, um uns von unseren Nachforschungen bezüglich der Verbindungen Shubs auf Golgatha abzulenken«, sagte Ohnesorg. »Aber das hier ist eindeutig wichtiger. Shub muß hier aufgehalten werden, und zwar gründlich, oder sie ziehen von einem Planeten zum nächsten und wiederholen die gleiche Taktik.«
»Aber was sollen wir gegen eine Armee von Geistkriegern ausrichten?« wollte Ruby wissen. »Du hast diesem Jungen eine echt nette Ansprache gehalten, aber ich kann nicht erkennen, wie wir deine Versprechungen realisieren sollen. Selbst ausgebildete Soldaten haben an Geistkriegern richtig zu knacken, und die Armee dieser Stadt besteht eindeutig aus Amateuren.
Shub wird sie durchkauen und wieder ausspucken.«
»Ich habe jedoch einige Erfahrung damit, Strategien gegen überlegene feindliche Kräfte zu entwickeln«, entgegnete Ohnesorg. »Ich habe durchaus einen ansehnlichen Anteil meiner Feldzüge gewonnen, wie du weißt.«
»Du hast genauso viele verloren.«
»Das war früher, und jetzt ist heute. Falls Wilds Karte zeigt, was ich erwarte, dann habe ich eine Idee, wie wir diesen Krieg mit einem Schlag gewinnen können.«
»Ein letzter verzweifelter Zug, volles Risiko, gegen überwältigende Chancen, wobei alles von uns abhängt. Sowas?«
»Ja«, antwortete Ohnesorg. »Sowas.«
»Ah«, sagte Ruby kopfschüttelnd, »das Übliche halt. Sieh mal, warum tun wir nicht ein einziges Mal was Vernünftiges, rufen ein halbes Dutzend Sternenkreuzer und bitten sie, die Positionen der Aufständischen vom Orbit aus wegzupusten?«
»Erstens sind kein halbes Dutzend Sternenkreuzer verfügbar.
Zweitens würden ihre Sensoren durch die endlosen Stürme hindurch keine präzisen Informationen liefern. Drittens wird Shub den Krieg eskalieren, wenn wir es auch tun. Wir müssen sie mit dem schlagen, was wir hier vorfinden, damit sie es sich zweimal überlegen, ehe sie die gleiche Nummer woanders wiederholen.«
»Ich hasse es, wenn du mir so vernünftig zuredest«, stellte Ruby fest. »In Ordnung, auf ein Neues. Wird Zeit, mal wieder in letzter Sekunde den Sieg zu erringen.«
Wild lenkte höflich ihre Aufmerksamkeit auf sich, und sie drängten sich vor seinem Monitor, um die Karte zu studieren.
»Bislang konzentrieren sich die Aufständischen auf eine Taktik der blitzschnellen Überfälle mit anschließendem Rückzug«, erklärte Wild. »Sie greifen an, wenn das Wetter mal etwas ruhiger ist, vernichten das Ziel und verschwinden, ehe wir zum Gegenschlag ausholen können. Jede Fortbewegung läuft zu Fuß; das gilt für den Gegner wie für uns. Flugzeuge funktionieren auf Loki nicht; die Stürme sind zuviel für sie. In gewisser Hinsicht ist das unsere Rettung. Es begrenzt den Schaden, den die von Shub anrichten können.«
»Was ist mit Kraftfeldern?« erkundigte sich Ruby. »Ein guter Schirm wird mit jedem Wetter fertig, das dieser Planet gegen ihn schleudert.«
» Loki zeichnet sich durch sehr ungewöhnliche elektromagnetische Felder aus. Ihr glaubt ja nicht, wieviel Energie nötig ist, um den Schirm über Vidar aufrechtzuerhalten. Nichts unterhalb eines Sternenkreuzers kann genug Energie erzeugen, um für längere Zeit ein Kraftfeld aufrechtzuerhalten, das sich durch Lokis Atmosphäre bewegt.«
»Das wurde alles bei der Besprechung vor dem Start erwähnt, Ruby«, sagte Ohnesorg. »Ich wünschte wirklich, du würdest mal aufpassen.«
»Du bist der Denker in unserer Truppe, Ohnesorg. Aber sogar ich kann diese Karte auswerten. Die Aufständischen sind dabei, Vidar zu umzingeln und gegen jede Hilfe von außen abzuriegeln. Das muß ihr nächstes Ziel sein: Vidar selbst.«
»Richtig«, sagte Ohnesorg. »Sie sind zum letzten, tödlichen Schlag bereit.«
»Dann müssen wir etwas unternehmen«, sagte Wild, drehte sich um und funkelte Ohnesorg und Ruby an. »Ihr müßt etwas unternehmen! Ihr seid die großen Helden!«
»Sachte, Junge«, mahnte ihn Ruby. »Wir können nicht einfach losstürmen und die aufständischen Truppen ganz allein angreifen. Nicht mal ich bin so verrückt.«
»Was tun wir also? Warten wir, bis sie uns erreichen?«
»Beinahe«, sagte Ohnesorg. »Allerdings locken wir sie zu uns, auf einen Schauplatz unserer Wahl. Wir können nicht riskieren, daß sie Vidar belagern. Die Stadt wurde nicht gebaut, um Angriffen von Geistkriegern standzuhalten. Wir müssen dem Gegner im Feld gegenübertreten. Nach den Informationen, die wir erhalten haben, können Eure Lektronen Sturmflauten vorhersagen. Trifft das zu?«