»Nun, ja. Wir erreichen dabei eine Trefferquote von achtzig Prozent. Aber solche Flauten dauern nie lange.«
»Das muß diese besondere auch nicht. Wir suchen uns also einen ruhigen Flecken, besetzen ihn so, wie es für uns am vorteilhaftesten ist, und erwarten dort den Angriff der Rebellen.
Und dann treten wir ihnen in den Arsch. Die Aufständischen verfügen vielleicht über Geistkrieger, aber Ihr habt uns. Und wir haben bislang noch nie eine Schlacht verloren.«
»War teilweise aber verdammt knapp«, brummte Ruby.
»Halt die Klappe, Ruby. Wir schaffen das schon, Peter. Wir müssen Vidar dazu praktisch schutzlos zurücklassen, aber das ist ein notwendiger Trick. Unsere besonderen Kräfte werden sich entscheidend auswirken. Eine letzte Schlacht, um dem Krieg ein Ende zu bereiten.«
»Jetzt mal langsam!« verlangte Ruby. »Das hängt alles davon ab, daß die Aufständischen und Shub ihre kompletten Kräfte gegen uns werfen, auf einem Gelände, von dem sie wissen müssen, daß wir es ausgesucht und vorbereitet haben. Warum sollten sie das tun?«
»Sie werden es tun, weil wir etwas haben, was sie möchten.
Etwas, das sie unbedingt haben möchten.«
»Zum Beispiel?« fragte Ruby.
»Uns«, antwortete Ohnesorg. »Dich und mich. Die Geheimnisse und Kräfte aus dem Labyrinth des Wahnsinns. Shub wird alles für die Chance riskieren, unserer Personen habhaft zu werden, und du kannst darauf wetten, daß Rebellenspione in der Stadt längst die Nachricht nach draußen übermittelt haben.«
»Oh, phantastisch!« fand Ruby. »Einfach wundervoll! Wir spielen also den Köder in der Falle, in einer Sturmflaute, die vielleicht bis zum Ende der Schlacht anhält, vielleicht aber auch nicht, mit einer ganzen Armee von Geistkriegern, die uns unter allen Umständen kriegen möchten. Habe ich irgendwas ausgelassen?«
»Im Grunde nicht«, sagte Ohnesorg. »Wie sieht es aus, Wild?
Was wissen Eure Lektronen über bevorstehende Sturmflauten?«
»Bin Euch weit voraus«, sagte der über das Terminal gebeugte Wild. »Und es sieht danach aus, als hätten wir endlich mal Glück. In den nächsten paar Tagen ist eine längere Flaute zu erwarten; sie sollte mehrere Stunden lang anhalten und sich über ein Gebiet von etwa einer halben Quadratmeile erstrecken, rings um ein Tal, das nicht allzu weit von Vidar entfernt liegt.
Diese besondere Flaute tritt regelmäßig ein, so daß man sich ziemlich gut darauf verlassen kann. Genau das, was der Arzt verordnet hat.«
»Wird aber auch Zeit, daß mal etwas zu unseren Gunsten läuft«, fand Ruby.
»Dann reden wir jetzt mit den Leuten, die hier das Sagen zu haben glauben«, schlug Ohnesorg vor. »Wir müssen eine Armee aufstellen und haben dafür nicht viel Zeit.«
In einem Bunker aus Stahl und Stein, tief unter der Oberfläche von Loki, planten die Aufständischen ihre nächsten Aktionen.
Oder zumindest war das menschliche Element damit befaßt.
Jung Jakob Ohnesorg und seine Geistkrieger erhielten ihre Befehle von den abtrünnigen KIs auf Shub, und meist weihten sie ihre menschlichen Bundesgenossen nicht ein; diese erfuhren nur, was sie unbedingt wissen mußten. Die Anführer der aufständischen Menschen, der ehemalige planetare Intendant Matthew Tallon und der ehemalige Bürgermeister von Vidar, Terrence Jacks, saßen sich an einem schlichten Metalltisch in einem beengten Raum mit kahlen Wänden und einer niedrigen Decke gegenüber, der vielen Zwecken diente – wozu man ihn jeweils brauchte. Tallon und Jacks hatten das Zimmer im Augenblick für sich, da sie die Anführer waren. Sie stocherten verbittert in der Hauptmahlzeit des Tages herum: Proteinwürfel und destilliertes Wasser, von Shub-Maschinen hergestellt. Alles, was man zum Leben brauchte, aber nichts sonst.
»Gott, ich hasse dieses Zeug!« sagte Jacks und schob die kleinen Proteinbrocken auf dem Teller hin und her. »Es schmeckt nach nichts, muß endlos gekaut werden und hat nicht mal gefällige Farben.«
»Ich weiß«, stieß Tallon ins gleiche Horn. »Ich würde einen Mord begehen für ein kräftiges Steak und einen anständigen Wein, um es damit hinunterzuspülen.«
»Wir haben schon für geringere Ziele gemordet«, sagte Jacks, und sie blickten sich gegenseitig in die Augen.
»Es hat wieder Plünderungen gegeben, nicht wahr?« fragte Tallon. »Obwohl ich es verboten hatte.«
»Ihr könnt den Leuten keinen Vorwurf machen. Ich meine, die Toten brauchen nichts mehr zu essen, oder?«
»Aber es reicht nie. Immer nur, damit ein paar Glückliche etwas Geschmack genießen können. Genug, um sie daran zu erinnern, wie übel dieses Zeug hier wirklich ist. Und so streiten sich die Leute um die Beute, wenn sie doch lieber die Kräfte für den bevorstehenden Kampf schonen sollten. Wir können uns einfach nicht leisten, noch mehr Leute zu verlieren, verdammt! Ich weiß, daß unser Leben hart ist, aber wir haben es frei gewählt. Wir sind lieber Aufständische geworden, als uns einer Tyrannei zu beugen.«
»Und es hat uns verdammt viel geholfen«, höhnte Jacks.
»Verbündet mit den Feinden der Menschheit!«
»Wir hatten keine Wahl! Das Imperium wollte uns nicht schützen, und die Machtstruktur, die es uns aufgezwungen hat, ist hoffnungslos korrupt. Unsere einzige Chance auf ein anständiges Leben lag darin, Shub um Hilfe zu rufen.«
»Ihr nennt das hier ein anständiges Leben? Sich in einem Loch in der Erde zu verstecken und nur daraus hervorzukommen, um die eigenen Leute umzubringen?«
»Es wird besser werden. Ihr werdet schon sehen. Das ist nur eine Übergangszeit.«
»Wie weit ist es mit uns gekommen, Matt?« fragte Jacks.
»Wir hausen wie Ratten in unseren Löchern und stehen daneben, während die Geistkrieger Frauen und Kinder töten.
Einige unserer Leute mischen dabei inzwischen sogar mit, lassen ihre Wut und Frustration an Hilflosen aus. Sind wir einem Sieg in diesem verdammten Krieg näher gekommen? Ich kann es nicht erkennen. Ich erkenne nur, daß wir allmählich so unmenschlich werden wie die Bundesgenossen, für die wir uns entschieden haben.«
»Wir tun, was nötig ist.« Tallon hielt Jacks’ Blick stand.
»Wir haben während der Rebellion gegen Löwenstein einen Eid geschworen, erinnert Ihr Euch? Bei unserem Blut und unserer Ehre. Was immer nötig ist. Daran hat sich nichts geändert. Wir kämpfen immer noch gegen denselben Feind.«
»Tun wir das? Jakob Ohnesorg und Ruby Reise sind gekommen, um gegen uns zu kämpfen! Zwei der größten Helden der Rebellion, die Menschen, die uns damals zum Kampf inspiriert haben, sind speziell aus dem Grund hier erscheinen, um gegen uns vorzugehen! Wie zum Teufel sind wir nur auf der anderen Seite gelandet, soweit es sie anbetrifft? Wir können nicht gegen sie kämpfen!«
»Doch, können wir. Es sind nur die beiden. Was können sie schon gegen eine Armee von Geistkriegern ausrichten?«
»Macht Ihr Witze? Sie haben Golgatha eingenommen, haben Löwenstein vom Eisernen Thron gestürzt und das Imperium neu aufgebaut! Sie sind Legende!«
»Sie sind Monster. Das Labyrinth des Wahnsinns hat sie in etwas verwandelt, was nicht mehr menschlich ist.«
»Und was sind wir?« wollte Jacks wissen, und Tallon wußte keine Antwort.
»Aber, aber«, meldete sich der junge Jakob Ohnesorg von der Tür her. »Liegt hier vielleicht Mutlosigkeit in der Luft? Dar macht Euch doch wohl keine Sorgen wegen Ohnesorgs und Reises. Es sind vielleicht Legenden oder Monster, aber das bin ich schließlich auch.«