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Als die Rebellenführer nach dem Sturz der Herrscherin die Palastunterlagen in die Hand bekamen, wurden die Namen dieser üblen Folterknechte und Mörder bekannt, und die lange erwartete Vergeltung nahm ihren Lauf. Die Untergrundbewegungen brachten die Gesichter dieser Leute mitsamt Adressen auf die Holoschirme, und man zerrte die Übeltäter aus ihren Luxuswohnungen oder jagte sie auf den Straßen. Viele fanden ein blutiges und scheußliches Ende, und die übrigen stellten sich eilig den Behörden. Nach wie vor glaubten sie, Absprachen treffen zu können, indem sie sich gegenseitig verrieten, und erkannten zu spät, daß man ihnen auch nicht mehr Gnade erweisen würde, als sie es ihren zahllosen Opfern gegenüber getan hatten. Die Kriegsverbrecherprozesse begannen nur Stunden nach Löwensteins Sturz und wurden täglich in voller Länge über Holovision ausgestrahlt, damit die Leute verfolgen konnten, wie Gerechtigkeit geübt wurde. Die Verfahren zogen sich endlos hin, und es schien keinen Mangel an Beschuldigten zu geben, egal wie schnell die Gerichte sie an den Galgen schickten. Die öffentlichen Hinrichtungen lockten riesige, meist stille Menschenmengen an, als müßten die Leute die Verbrecher selbst sterben sehen, um zu glauben, daß es tatsächlich geschah.

Die Gerichte veröffentlichten so schnell wie möglich Einzelheiten über das Schicksal der Opfer. Es waren halt nur so viele.

Das Parlament verfolgte die Kriegsverbrecherprozesse mit mehr als nur ein bißchen Eifersucht. Das lag sowohl an der Macht, die sie ausübten, als auch an der öffentlichen Aufmerksamkeit, die sie von den Parlamentsdebatten ablenkten. Die Abgeordneten waren jedoch zu klug, um sich einzumischen.

Mehr noch als Gerechtigkeit benötigte das Volk Rache.

Owen und Hazel erreichten die große Halle, den letzten Raum vor dem eigentlichen Plenarsaal. In den letztgenannten führte eine alte, massive Eichentür, die, einer alten Tradition folgend, immer nur von innen geöffnet wurde. Die Abgeordneten nutzten dieses Privileg, um die Leute so lange wie möglich warten zu lassen und sie damit an ihren Platz in der neuen Ordnung zu erinnern – eine von Löwenstein entlehnte Praxis, obwohl man das natürlich nie laut aussprach. Wie immer war die große Halle gedrängt voll, und es herrschte ein betäubender Lärm. Jeder suchte nach Kontakt, um ein neues Abkommen zu treffen oder über eine neue Gelegenheit zu reden. Holographien waren nicht zugegen; jeder mußte persönlich anwesend sein. In der heutigen Zeit der Klone, Fremdwesen und jener falschen Vertreter, die man Furien nannte, wußte man gern, mit wem man sprach. An versteckten Stellen waren ESP-Blocker installiert, damit alle ehrlich blieben, und zum Teufel damit, falls es die Esper schockierte.

Als Owen und Hazel eintraten, erstarrte alles. Aller Augen richteten sich auf sie, und das Geschnatter erstarb rasch vollständig. Owen und Hazel blickten sich in der Stille gelassen um und senkten höflich die Häupter. Aller Augen wandten sich wieder ab, und das Gebrabbel der Gespräche nahm seinen Fortgang. Niemand wünschte, mit dem Todtsteltzer und der d’Ark zu konversieren. Es wäre unsicher gewesen. Aus den verschiedensten Gründen. Owen und Hazel gingen ohne Eile in die Halle hinein, und jedermann machte ihnen Platz.

»Der übliche warmherzige Empfang«, stellte Owen fest und scherte sich nicht darum, ob jemand mithörte.

»Undankbare Bastarde«, sagte Hazel und sah sich hoffnungsvoll um, ob nicht einer der Anwesenden so dumm war, sich beleidigt zu geben.

»Sie haben wirklich Gründe, uns nicht zu mögen«, sagte Owen leiser. »Helden und Rollenvorbilder sollten rein und makellos sein. Ich fürchte, wir haben uns in dieser Hinsicht als enttäuschend erwiesen.«

»Mir blutet das Herz«, sagte Hazel. »Ich habe nie behauptet, ich wäre eine Heldin. Es fehlt nicht viel, und ich gehe fort, und das Parlament kann seinen Bericht in den Wind schreiben.

Verdammt, es fehlt kaum mehr, und ich brenne das Haus nieder, ehe ich gehe.«

»Sachte, sachte«, murmelte Owen und lächelte unbekümmert, damit es jeder sehen konnte. »Zeigt Euren Widerwillen nicht. Sie würden es als Zeichen der Schwäche betrachten.«

Hazel schniefte. »Wenn mich jemand als schwach betrachtet und versucht, daraus einen Vorteil zu schlagen, kann er seine Innereien gleich im Eimer mit nach Hause tragen.«

»Nehmt die Hand vom Schwert, verdammt! Ihr könnt hier niemanden umbringen. Duelle sind verboten. Trefft nur Anstalten, das Schwert zu ziehen, und ein halbes Hundert Wachtposten tauchen aus allen Ritzen auf. Auch für uns wird da keine Ausnahme gemacht. Ich wünschte wirklich, Ihr würdet Euch über die Veränderungen hier auf dem laufenden halten.«

»Ach, weißt du, du liebst es wirklich, mir bei jeder Gelegenheit eine Rede zu halten. Außerdem würde ich mit einem halben Hundert Wachen fertig.«

Owen seufzte. »Ja, das würdet Ihr wahrscheinlich, aber das ist nicht der Punkt. Wir versuchen, einen guten Eindruck zu machen.«

»Seit wann?«

»Seit wir es wiederum nicht geschafft haben, Valentin Wolf vor Gericht zu bringen.«

Hazel zuckte die Achseln. »Ist es okay, wenn ich jemanden nur halb umbringe?«

»Falls Ihr müßt. Versucht nur, es zu tun, während die Holokameras gerade nicht hinsehen. Wir können wirklich nicht noch mehr schlechtes Ansehen gebrauchen.«

Hazel sah sich um. »Ich denke nicht, daß ich hier je so viele Kameras gesehen habe. Entweder hat das Parlament heute etwas wirklich Interessantes auf dem Programm, oder jemand hat Bescheid gesagt, daß wir kommen. Hallo, ich entdecke da ein vertrautes Gesicht!«

Und sie stürzte sich in die Menge und drängte die Leute mit der Schulter zur Seite, wenn sie nicht rechtzeitig Platz machten. Owen folgte ihr und murmelte unterwegs höfliche Entschuldigungen. Daran gewöhnte er sich immer mehr. Das vertraute Gesicht erwies sich als das von Tobias Shreck, wie immer in Gesellschaft seines Kameramanns Flynn. Owen folgte Hazels Beispiel und begrüßte die beiden, und lächelte zum ersten Mal aufrichtig, seit er die Halle betreten hatte. Toby Shreck hatte schon im Verlauf der Rebellion als Reporter gearbeitet und dabei eine unheimliche Begabung demonstriert, immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort aufzutauchen, Flynn stets eng im Gefolge, um alles live zu übertragen. Sie hatten viele der Kämpfe von Owen und Hazel gesendet und waren sogar zugegen gewesen, als die Rebellen schließlich die Imperatorin Löwenstein stürzten und den Eisernen Thron für immer zerstörten.

Toby sah größtenteils aus wie immer, ein schwitzender Fettkloß mit geschniegeltem blonden Haar, den man leicht zum Lächeln bringen konnte. Er trug modische Kleidung von allerfeinstem Zuschnitt, so geschneidert, daß sie so viel wie möglich von seiner Leibesfülle verbarg. Passen tat sie ihm allerdings nicht. Er war mehr die Lässigkeit von Kampfanzügen gewöhnt, und das zeigte sich. Flynn war von der hochgewachsenen, schlaksigen Art mit täuschend ehrlichem Gesicht. Als ruhiger Typ neigte er dazu, bei der Arbeit mit der Umgebung zu verschmelzen, ein nützlicher Wesenszug, wenn die anderen Leute in der Gegend wild herumballerten.

Sein Privatleben war eine gänzlich andere Geschichte.

»Du siehst aber gut aus, Toby«, sagte Hazel vergnügt und stach verspielt mit dem Finger in seinen fälligen Leib. »Hast wohl ein paar Pfunde verloren, wie?«

»Ich wünschte, es wäre so«, antwortete Toby. »Seit ich zugelassen habe, daß sie mich ins Management beförderten, sitze ich immer nur hinter dem Schreibtisch, statt vor Ort zu arbeiten, wo ich hingehöre.«

»Rede lieber nicht so«, warf Flynn ruhig ein. »Bei deinen Einsätzen vor Ort hast du immer nur gejammert und geschimpft, was du alles an Komfort vermißt.«

Toby funkelte ihn an. »Eine unverblümte Ausdrucksweise dieser Art ist dafür verantwortlich, daß du nach wie vor als Kameramann arbeitest, während ich jetzt im Management sitze. Und wenn du mir noch einmal öffentlich widersprichst, weise ich jemanden in der Buchhaltung an, einmal genau unter die Lupe zu nehmen, was du letztes Jahr alles an Spesen abgerechnet hast.«