»Gott, du siehst reizend aus«, sagte Finlay. Sie tat es wirklich. Sie trug ein langes Kleid von funkelndem Silber, an einer Schulter offen, um ihren zierlichen Körperbau zu zeigen. Das dunkle Haar trug sie kurz geschnitten, der aktuellen Mode zum Trotz. Ihr Gesicht war durch hohe Wangenknochen und große Augen charakterisiert und wirkte verletzlich, aber entschlossen.
Allein ihr Anblick festigte Finlay in seinem Entschluß, sie vor allen Gefahren und Grausamkeiten der Welt zu schützen. Sie war der Grund für ihn weiterzuleben, das Blut, das in seinen Adern kreiste, das Herz, das in seiner Brust nur für sie schlug.
Zuzeiten, wenn sie abwesend war, vergaß er das, aber jetzt war sie zurückgekehrt, und er fühlte sich von neuem lebendig und wach. Am liebsten wäre er hinausgerannt und hätte ein paar Drachen erschlagen, nur um sie ihr zu Füßen zu legen.
»Du siehst… schick aus«, sagte Evangeline. »Wäre es nur noch ein bißchen bunter, würde alles andere im Vergleich schwarz und weiß wirken.«
»Ich kleide mich nur nach meiner Rolle«, antwortete Finlay.
»Alles Subtile ist derzeit außer Mode. Allerdings hättest du mal ein paar von den Sachen sehen sollen, die ich anhatte, als ich vorgab, einer der heimlichen Vorkämpfer von Stil zu sein, und deshalb ständig modisch auf der Höhe sein mußte.«
»Ich habe Holos davon gesehen. Die Bilder sind unwiderruflich in meine Netzhäute eingebrannt. Nun, worüber bist du im Moment so böse? Doch wohl nicht darüber, daß Robert an deiner Stelle als Clanoberhaupt der Feldglöcks weitermacht, oder?«
»O verdammt, nein! Soll er ruhig der Feldglöck sein, wenn er möchte. Er wird es viel besser machen, als ich je könnte. Nein, die Familien finden sich in einer neuen Welt wieder, und er ist viel besser geeignet, den Clan darin zu führen. Ein guter Mann, dieser Robert. Es hilft, daß er zu den wenigen Leuten gehört, die für das Imperium gekämpft haben und trotzdem noch als Helden gelten. Der als letzter von Bord ging, sein Schiff bis zuletzt gegen eine überwältigende Übermacht verteidigte…
Vielleicht kann er dieses Image nutzbar machen, um die Familie neu aufzubauen, wieder zu dem zu machen, was sie war, ehe Valentin sie vernichtet hat.«
Evangeline nickte langsam, als sie hörte, wie giftig Finlays Ton wurde, als er den Namen seines Feindes aussprach. »Deshalb bist du so wütend auf Owen. Spare deinen Zorn für deine wirklichen Feinde auf, Liebster. Du erhältst schon noch Gelegenheit, Valentin zu erwischen.«
Finlay zwang sich zu einem Lächeln. »Sprechen wir lieber von glücklicheren Dingen. Was führt dich so unerwartet zurück?«
»Mein Einsatz hat sich als Reinfall erwiesen. Alles war schon vorbei, als ich eintraf – die Vereinbarungen unterzeichnet und alle Beteiligten glücklich. So läuft es manchmal. Also bin ich hier. Freust du dich, mich zu sehen?«
»Gestatte mir, dich aus diesem Irrenhaus zu geleiten und nach Hause zu bringen, und ich zeige dir, wie sehr ich mich freue«, knurrte Finlay und zog sie fest an sich.
Ihr gemeinsames Lachen war ein Augenblick echter Wärme in der künstlichen Kälte höflicher Gesellschaft.
Von einer Stelle nicht weit entfernt sah ihnen Robert Feldglöck zu. Er trug die neue Kapitänsuniform mit einer gewissen Steifheit. Die hohe Todesrate der imperialen Raumflotte hatte dazu geführt, daß die wenigen würdigen Überlebenden abrupt und schnell befördert wurden, und Robert hatte sich noch nicht an seine neue Position gewöhnt. Er kam sich ein bißchen wie ein Betrüger vor und erwartete ständig, jemand würde gleich hereinplatzen und sagen, alles wäre ein grauenhafter Irrtum gewesen, und ob er die Uniform bitte sofort zurückgeben würde, weil der richtige Kapitän auf sie wartete.
Er lächelte leise, als ihm der gewohnte Gedanke wieder mal durch den Kopf ging. Robert war groß und gutaussehend, hatte einen festen Blick und kurzgeschorenes Haar. Sowohl Haare als auch Gesicht waren von den Bränden versengt worden, die über die Brücke der belagerten Dauerhaft tobten. Robert war mit einer Fluchtkapsel entkommen, aber es hatte lange Sitzungen in einer Regenerationsmaschine erfordert, die Verletzungen am Gesicht zu heilen, und das Haar wuchs erst jetzt wieder allmählich. Er fand, daß er heute älter wirkte, verantwortungsbewußter, und er nahm gern jedes bißchen Hilfe an, das er nur bekommen konnte. Sein neues Kommando war die Elementar, einer der wenigen Sternenkreuzer der E-Klasse, die die Rebellion überstanden hatten, und er war darauf erpicht, sie möglichst rasch offiziell zu übernehmen und mal zu sehen, was sie leisten konnte. Aber… als Feldglöck und Oberhaupt seines Clans war er verpflichtet, einen bestimmten Anteil seiner Zeit auf Golgatha zu verbringen und sich zuerst um die Interessen der Familie zu kümmern. Und das bedeutete, mit den richtigen Leuten im Parlament Umgang zu pflegen, die nötigen Verbindungen zu knüpfen und Absprachen zu treffen, die sicherstellten, daß niemand seine Leute schikanierte, während er unterwegs war und auf seinem Schiff Dienst tat. Eines Tages würde er sich endgültig zwischen den Bedürfnissen der Familie und seiner Militärkarriere entscheiden müssen, aber das… lag noch in der Zukunft.
Sein Vetter Finlay sah tatsächlich ganz zivilisiert aus, jetzt, wo Evangeline eingetroffen war und ihn beruhigt hatte. Eines Tages würde dieser Mann jedoch durchdrehen, und selbst Evangeline würde ihn nicht mehr aufhalten können. Und es würde zu Blutvergießen und Todesfällen kommen und einem Skandal, den zu bereinigen kein Einfluß ausreichen konnte.
Finlay war schlicht eine Katastrophe, die nur darauf lauerte einzutreten. Und als der Feldglöck und Clanoberhaupt lag es an Robert zu entscheiden, was er in dieser Hinsicht tun wollte. Ob er… Schritte unternehmen sollte. Er seufzte leise und schüttelte den Kopf. Eine militärische Ausbildung war ja ganz prima, was die meisten Dinge anging, aber sie half überhaupt nicht beim Umgang mit unberechenbaren Größen wie Finlay Feldglöck. Auf einmal spürte Robert jemanden neben sich.
»Mach dir keine Sorgen um Finlay, Junge. Bessere Leute als du haben versucht, mit ihm fertig zu werden, und sie sind tot und begraben, während dieser Mistkerl Finlay weiterhin ohne Kratzer dasteht. Es gibt keinen Gott.«
Robert drehte sich um und lächelte Adrienne Feldglöck an.
»Warum hast du ihn dann geheiratet?«
»Es war eine arrangierte Heirat, wie du sehr gut weißt. Mein Vater hat sie vereinbart. Er hat mich nie gemocht. Ich würde mich auf der Stelle von Finlay scheiden lassen, wären da nicht die Kinder. Du könntest doch nicht einen netten, stillen Mordanschlag für mich planen, oder, Liebster? Er würde so viele Probleme lösen.«
»Führe mich nicht in Versuchung«, sagte Robert. »Außerdem – wen sollten wir auf ihn ansetzen? Owen Todtsteltzer? Kid Death?«
»Führe mich nicht in Versuchung«, antwortete Adrienne.
»Nein, soll er weiterleben. Und sei es nur, weil sein Tod Evangeline so zu schaffen machen würde. Ich habe Evangeline sehr gern, abgesehen von ihrem grauenhaften Geschmack, was Männer angeht…«
Sie lächelten einander an. Adrienne Feldglöck hatte ein spitzes Gesicht, das von wilder Entschlossenheit kündete, unter einem Mop lockiger goldener Haare, die das einzig Engelhafte an ihr waren. Bei aller Welt galt sie als die grimmigste und gefährlichste Intrigantin der aktuellen politischen Landschaft und hatte entsprechend wenig echte Freunde und so viele Feinde, daß jeder, der sich ihnen anschließen wollte, auf eine Warteliste kam. Adrienne arbeitete hart, war erschreckend intelligent und verflucht viel ehrlicher, als gut für sie war; und obwohl niemand sie in eine offizielle Position gewählt hatte, repräsentierte sie eine Anzahl sehr einflußreicher Interessengruppen. Man konnte sich darauf verlassen, daß sie zu absolut jedem Thema eine präzise Meinung hatte.
»Und wie kommst du als Kapitän klar?« fragte sie.
»Ich gewöhne mich langsam, daran. Dabei hilft, daß die Besatzung mit meinen bisherigen Leistungen vertraut ist; sie weiß, daß ich meine Stellung eigenen Fähigkeiten und nicht plötzlichem Ruhm verdanke. Es ist ein großer Sprung vom Navigationsoffizier zum Kapitän, aber ich nehme dabei ja niemandem den Platz weg. Der Flotte mangelt es verzweifelt an erfahrenen Offizieren. Wenn es nur einen ähnlichen Mangel an Feinden gäbe…«