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»Fang jetzt nicht damit an!« verlangte Adrienne. »Ich höre das täglich im Parlament. Zur Zeit haben wir weder das Geld noch die Ressourcen, um die Flotte auf den Stand auszubauen, den sie früher hatte. Die Fabriken arbeiten rund um die Uhr, nur um die Schiffe herzustellen, die wir brauchen, um unsere Planeten zu versorgen, und Leute, die jetzt Hunger leiden, müssen Vorrang vor möglichen Gefahren in der Zukunft genießen. Die Rebellion war lange überfällig, aber manchmal drängt sich mir die Frage auf, ob wir keinen günstigeren Zeitpunkt hätten wählen können.«

»Sie war die Geburt einer neuen Ordnung«, sagte Robert.

»Und eine Geburt ist stets schmerzhaft.«

Adrienne schniefte. »Zitiere mir gegenüber nicht die Propaganda, mein Junge. Ich habe sie zum größten Teil selbst mitverfaßt. Oh, verdammt, sieh nur, wer da kommt! Als ob ich nicht schon genug Probleme hätte!«

Robert drehte sich um und gab sich Mühe, nicht zusammenzuzucken, als er Finlay und Evangeline näher kommen sah.

Evangeline machte ein freundliches Gesicht, und Finlay tat ebenfalls sein Bestes. Robert spürte, wie Adrienne neben ihm kochte, und flüsterte ihr ins Ohr: »Nimm es gelassen. Es wird dich nicht umbringen, wenn du freundlich zu ihm bist.«

»Möchtest du wetten? Immerhin, ihr beide solltet euch unterhalten, Robert. Ich weiß, daß ihr euch nicht viel auseinander macht, aber ihr gehört beide zur Familie. Das bedeutet immer noch etwas, selbst in unserer verwirrten Zeit.«

»Er hat die Familie verlassen und sich den Rebellen angeschlossen, als der Clan ihn am meisten brauchte, so daß ich als der Feldglöck antreten mußte. Ein Privileg, mit dem ich nie gerechnet hatte und wofür ich keinerlei Erfahrung mitbrachte.«

»Er hatte keine Wahl. Er mußte seinem Herzen und damit Evangeline folgen.« Plötzlich schnaubte Adrienne. »Ich kann nicht glauben, daß ich ihn tatsächlich verteidige! Auch wenn er mir einmal das Leben gerettet hat. Sieh mal, er wollte nie der Feldglöck sein. Er wußte, daß er damit nur Schaden anrichten würde. Du bist der Aufgabe viel mehr gewachsen. Du hast die Familie am Leben gehalten, in einer Situation, in der sie unter Finlay aus allen Rohren feuernd untergegangen wäre. Nimm hin, was geschehen ist, und geh weiter deinen Weg. Versuche, ein paar Brücken wieder zu reparieren. Heutzutage brauchen wir alle Freunde, die wir nur finden können.«

Die vier begegneten sich auf einer kleinen Freifläche, die sich wie von selbst um sie herum bildete. Alle in der Nähe erkannten einen möglichen Siedepunkt, wenn sie ihn erblickten.

Und sei es nur, um keine Blutspritzer auf ihre besten Sachen zu bekommen. Evangeline und Adrienne begrüßten sich herzlich.

Adrienne hatte Finlay seine Geliebten nie verübelt, solange er beharrlich über ihre eigenen vielen Affären hinwegsah. Die beiden Frauen hatten in der Untergrundbewegung enge Freundschaft geschlossen und hinter Finlays Rücken Skandalgeschichten über ihn ausgetauscht. Finlay und Robert nickten sich mit ausdruckslosen Gesichtern formell zu. Dann streckte Finlay plötzlich die Hand aus, und Robert ergriff sie nach einem Augenblick der Überraschung. Beide entspannten sich etwas.

»Meinen Glückwunsch zu deinem neuen Kommando«, sagte Finlay. »Der erste Feldglöck seit dreihundert Jahren, der es zum Kapitän gebracht hat.«

»Ich werde mein Bestes tun, um der Familie Ehre zu machen«, sagte Robert. »Du siehst… sehr gut aus, Finlay.«

Finlay zuckte die Achseln. »Wenn man mit den ganz Großen Umgang pflegt, muß man sich entsprechend kleiden. Es ist eine ganze Weile her, seit ich meine Schlachten noch mit scharfen Worten und bissigen Bonmots geschlagen habe statt mit kaltem Stahl, aber ich denke, ich finde mich wieder hinein. Wir haben uns… einander zu sehr entfremdet, Robert. Freunde und Bundesgenossen kommen und gehen, aber die Familie ist ewig.«

»Du warst es, der nie viel Zeit für die Familie hatte.«

»Ich versuche, das zu ändern.«

Robert erwiderte Finlays festen Blick und nickte leicht. »Du warst es, der auf Distanz blieb. Und ich war zu sehr damit beschäftigt, die Familie zusammenzuhalten und im Militär zu dienen, um dich ausfindig zu machen.«

»Ich weiß. Ich bin dir dankbar für das, was du getan hast.

Wir haben während der Rebellion auf verschiedenen Seiten gestanden, aber das ist alles vorüber. Wir müssen zusammenstehen, oder unsere Feinde überwältigen uns.«

Robert zog eine Braue hoch. »Und welche Feinde genau haben wir womöglich gemeinsam?«

»Vielleicht Leute wie den Schwarzen Block. Leute, die die Uhr zurückdrehen möchten. Du hast keinen Grund, die alte Ordnung zu lieben. Du hast mehr unter ihr gelitten als die meisten. Der Schwarze Block stand daneben und blieb untätig, als die Wolfs unsere Familie abgeschlachtet haben.«

»Und meine Letitia mußte an dem Tag sterben, der unser Hochzeitstag werden sollte. Ermordet vom Shreck im Namen der Familienehre. Während du danebenstandest und nichts tatest.«

»Das war falsch von mir«, räumte Finlay ein. »Damals habe ich noch an die Familien geglaubt. An die Ehre, von der ich glaubte, sie hielte uns zusammen. Ich mußte erst auf die harte Tour lernen, daß ich darin irrte. Ich habe aber nicht in der Rebellion gekämpft und geblutet, um dann mitzuerleben, wie die Familien in neuer Maske wieder die Macht übernehmen. Ich werde tun, was nötig wird, um sie aufzuhalten. Kann ich dabei auf dich zählen? Das Parlament macht vielleicht nicht viel her, aber es ist unsere einzige Hoffnung.«

»Ich habe dich mir nie als Politiker vorgestellt«, sagte Robert.

Finlay zuckte die Achseln. »Die Politik ist das neue Schlachtfeld. Und ich mußte entweder eine neue Art zu kämpfen lernen oder vor Langeweile umkommen. Also, stehst du auf meiner Seite?«

»Ich denke darüber nach. Wir unterhalten uns später wieder und sehen mal, ob wir wirklich so viel gemeinsam haben, wie du denkst. Falls ja… Dann denke ich, werde ich stolz darauf sein, den legendären Streiter Finlay Feldglöck an meiner Seite zu wissen.«

»Das sehe ich auch so«, sagte Finlay und lächelte zum ersten Mal. Sie schüttelten einander wieder die Hände.

»Gott helfe uns, als nächstes verbrüdern sie sich noch«, sagte Adrienne. »Betrinken sich in zweifelhaften Kneipen und erzählen einander diese Witze, die nur Männer komisch finden.«

»Ich finde das sehr süß«, sagte Evangeline entschieden.

»Hallo, Adrienne«, sagte Finlay und demonstrierte sein höflichstes Gesicht und seinen höflichsten Tonfall. »Du siehst… ganz so aus wie immer.«

»Ich vermute, das dürfte so ziemlich das größte Kompliment sein, das von dir zu erwarten ist«, sagte Adrienne. »Wie ich sehe, hast du immer noch denselben Schneider. Habe ich nicht erzählen gehört, er hätte inzwischen einen neuen Blindenhund?«

»Du bist dermaßen schneidend, daß du dir irgendwann mal selbst eine Schnittwunde zufügst. Du und Evangeline, ihr habt einen schönen Klatsch, nicht wahr?«

»Ich habe gehört, du würdest versuchen, in der großen Politik Fuß zu fassen, Finlay. Ein guter Rat: Tu es nicht. Ich zweifle nicht daran, daß du es gut meinst, aber das letzte, was wir brauchen, ist noch ein enthusiastischer Amateur, der alle auf die Palme bringt und alles noch verworrener macht. Besonders jemand mit deinem Naturell. Du kannst deine Widersacher nicht einfach umbringen, nur weil du im Begriff stehst, die Debatte zu verlieren. Heutzutage gibt es Gesetze gegen dergleichen Verhalten. Obwohl es die Haushaltsdebatten etwas aufregender gestalten würde, wie man zugeben muß… Sieh mal, Finlay, ich kenne dich, auch wenn ich mir oft wünschte, ich täte es nicht. Du hast ein zu weiches Herz für die Politik.