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»Und dann leitet der Schwarze Block sowohl die Kirche als auch das Parlament«, sagte Brendan.

»Das Parlament gehört Euch noch nicht«, entgegnete Stephanie. »Es zeigt sogar betrübliche erste Anzeichen eines eigenen Willens.«

»Es ist nur eine Frage der Zeit«, sagte SB ruhig. »Wieso sucht Ihr beide Euch jetzt nicht ein möglichst unbedenkliches Gesprächsthema, während ich mich um einige persönliche Geschäfte kümmere?«

Sie bewegte sich anmutig durch die Menge, bis sie vor Julian Skye stand. Er sah sie kommen und traf zunächst Anstalten, sich zu entfernen, aber letztlich blieb er doch stehen und wartete auf sie. Sie blieb unmittelbar außer Armesreichweite stehen und blickte lächelnd zu ihm auf. Mit regloser Miene nickte er ihr kurz zu.

»Hallo Julian«, sagte sie mit ihrer süßesten Stimme. »Es ist lange her, seid ich dich zuletzt sah. Du siehst gut aus.«

Der letzte Satz war eine höfliche Lüge, und sie beide wußten es. Julian hatte sich nie richtig von den scheußlichen Verletzungen erholt, die er in den Verhörzellen erlitt.

Der verstorbene Giles Todtsteltzer hatte auf der Alptraumwelt Hakeldamach so etwas wie eine Wunderheilung bei ihm bewirkt, aber sie war nicht von Dauer. Julian Skye klammerte sich mit Hilfe grimmiger Entschlossenheit an die Reste seiner Gesundheit, und das sah man.

»Hallo SB«, antwortete er schließlich. »Du bist so schön wie immer. Hast du in letzter Zeit Verrat an jemandem verübt, der interessant sein könnte?«

SB schüttelte den Kopf. »Du hast es nie verstanden, aber ich konnte nicht anders. Sobald du mir sagtest, du wärst ein Rebell, übernahm meine Konditionierung. Ich konnte dich nicht einmal davor warnen, daß sie kamen. Ich habe danach geweint.«

»Ja«, sagte Julian. »Und in der Verhörzelle hast du mich zu überreden versucht, meine Freunde und Mitkämpfer zu verraten. Du hast mich als Abschaum bezeichnet, als den letzten Dreck. Und hast mich den Folterknechten überlassen. Und bei all meinen Schreien dachte ich immer an dich.«

»Ich mußte diese Worte sagen. Wir wurden belauscht.«

»Was möchtest du, SB?« fragte Julian rauh.

»Ich wollte sehen, ob wir noch miteinander reden können.

Der Schwarze Block ist mein Leben, aber nie hat etwas mein Herz so berührt, wie du es tatest. Ich möchte alles wieder so haben, wie es früher war.«

»Du mußt mich für verrückt halten! Ich weiß alles über den Schwarzen Block und über dich. Du hast mich einmal getäuscht, Schande über dich. Sollte es dir zum zweiten Mal gelingen, Schande über mich. Du bedeutest mir nichts mehr, SB.

Es hat weh getan, aber ich fühle mich so viel besser, seid ich dich nicht mehr im Herzen trage.«

»Nein, bitte nicht.« Sie streckte beide Hände nach ihm aus, aber er schrak zurück, wollte sie nicht berühren. Sie ließ die Hände sinken, und ihre Augen füllten sich mit unvergossenen Tränen. »O Julian! Meine Gefühle für dich waren echt, auch wenn ich ihnen nicht nachgeben konnte. Jetzt ist alles anders.

Ich habe mich verändert. Aufgrund meiner Stellung hat mir der Schwarze Block mehr Freiraum für persönliche Initiativen eingeräumt. Endlich steht es mir frei, meinem Herzen zu folgen!

Menschen können sich verändern; du mußt es einfach glauben!

Wir könnten wieder zusammen sein, und keine Geheimnisse stehen mehr zwischen uns.«

»Geheimnisse wird es immer geben, solange du den Schwarzen Block repräsentierst.« Julian schüttelte ruckhaft den Kopf und rang um einen gleichmäßigen Tonfall. »Verschwinde, SB.

Egal, was du hier für ein Spiel treibst, ich möchte daran nicht teilhaben. Was wir hatten, was wir zu haben glaubten, war nie mehr als ein Traum. Und ich bin erwacht. Ich habe lange gebraucht, um über dich hinwegzukommen, SB. Ich mache das nicht noch einmal durch. Nur… Geh jetzt bitte.«

»Das tue ich«, sagte SB. »Ich gehe und komme dir nie wieder unter die Augen, wenn du mir sagst, daß du mich nicht liebst.«

»SB…«

»Sag es, und ich gehe. Obwohl ich dich liebe. Weil ich eher sterben würde, als wieder zu sehen, wie du verletzt wirst. Sag nur… daß du mich nicht liebst.«

»Ich liebe dich nicht.«

»Lügner«, sagte SB Chojiro leise.

»O Gott, natürlich liebe ich dich, SB! Ich werde dich immer lieben.«

Sie hob die Hände, legte ihm die Fingerspitzen auf den Mund. »Du brauchst nichts weiter zu sagen, mein Liebling. Ich weiß, wie schwer dir das gefallen sein muß. Aber vertraue mir, es wird diesmal anders. Viele alte Einschränkungen gelten für mich nicht mehr. Immerhin, ich denke, wir haben zunächst genug geredet. Wir haben Zeit… alle Zeit, die wir brauchen.

Lebwohl, mein Liebster. Für den Augenblick.«

Und sie drehte sich um und ging fort, zurück zu Brendan und Stephanie und den Ratgebern. Julian blickte ihr nach und wußte nicht, was er sagen oder denken sollte. Sie hatte einen rundherum ehrlichen und aufrichtigen Eindruck gemacht, aber es bedeutete nichts, denn sie war vom Schwarzen Block. Alles, was er mit Sicherheit wußte, war, daß sein Herz wieder so klopfte wie früher, als er noch wußte, was Glück bedeutete, als seine Liebe noch etwas anderes gewesen war als eine Straße in die Verdammnis. Julian Skye blickte SB nach und verfluchte sich als Idiot, weil er noch immer glaubte, daß Dinge glücklich enden konnten.

Toby Shreck und sein Kameramann Flynn machten in der Halle die Runde und begrüßten alle Welt überschwenglich. Es schien, als suchte jeder Tobys Zuspruch, da er jetzt Chef der Imperialen Nachrichten war. Er führte spontane Interviews mit praktisch jedermann und hoffte dabei, daß er später im Bearbeitungsraum ein paar Goldkrümel aus den endlosen einstudierten Geräuschfetzen herauspicken konnte. Politiker wurden mit der Fähigkeit geboren, viel zu sagen und sich dabei auf möglichst wenig festzulegen, aber Toby brachte ausreichend Erfahrung mit und konnte sie dazu bringen, mehr zu bestätigen, als sie eigentlich wollten, und mehr zu sagen, als sie ahnten.

Bis sie es später in den Nachrichten sahen. Toby blieb viel länger, als er ursprünglich geplant hatte, einfach weil er soviel Spaß hatte. Das hier war echte journalistische Arbeit, die Nachrichten erbrachte. Alte Freunde und alte Feinde wurden mit dem gleichen freundlichen Lächeln bedacht, während er die Wahrheit aufstöberte, egal womit sie ihm dabei in die Quere kamen.

Endlich entschieden die Abgeordneten, daß sie soweit waren, warfen sich in ihre eindrucksvollsten Posen und gaben Befehl, die Tür zur Halle zu öffnen. Alle stürmten von dort in den Plenarsaal und trampelten dabei über die hinweg, die zu langsam liefen. Die beiden Sitzreihen beiderseits des offenen Parketts waren gedrängt voll mit Abgeordneten, die sich dabei fast gegenseitig auf dem Schoß saßen. Früher hatte an ein Wunder gegrenzt, wenn ein Viertel der Plätze zu Debatten besetzt war, aber heutzutage waren die Abgeordneten einfach zu erpicht darauf, daß man sie in den Nachrichten sah. Die meisten mußten an bevorstehende Wahlen mit dem neuen allgemeinen Wahlrecht denken und entsprechend auf den Eindruck achten, daß sie etwas taten.

Das Parkett füllte sich rasch mit Menschen, und die Luft schwirrte von Flugkameras, die sich gegenseitig wegzuschubsen versuchten, um jeweils selbst den besten Blickwinkel zu erhaschen. Die Abgeordneten saßen betont aufrecht und blickten auf alle Welt hinab. Ihre Werbeberater hatten sie vor den Risiken einer nachlässigen Körperhaltung gewarnt. Dergleichen machte auf dem Holoschirm einen schlechten Eindruck.

Die Abgeordneten hatten auch Forscher angeheuert, um alte Parlamentsbräuche auszugraben, die sie nutzen konnten. Dazu mußte man auf Zeiten zurückgreifen, als das Parlament noch etwas bedeutet hatte, aber bislang kapierten sie die meisten Verfahren noch nicht richtig. Zum Beispiel trugen die Abgeordneten heute durchweg stolz traditionelle schwarze und rote Gewänder und gepuderte weiße Perücken, aber bislang hatte niemand den Mut aufgebracht und ihnen erklärt, daß die Gewänder einerseits und die Perücken andererseits Traditionen waren, die Jahrhunderte auseinander lagen.