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Die neueste Idee war, einen offiziellen Parlamentspräsidenten zu ernennen, jemanden, der sich keiner besonderen Partei oder Sache verpflichtet fühlte und demzufolge fähig war, völlig unparteilich für Ordnung zu sorgen. Prinzipiell eine gute Idee.

Leider hatte man Elias Gutmann für den Posten ausgewählt.

Angeblich, weil er zu unterschiedlichen Zeiten schon auf so vielen Seiten gestanden hatte, daß er wahrheitsgemäß behaupten konnte, jedermanns Interessen zu vertreten. Tatsächlich hatte man ihn gewählt, weil er die meisten Abgeordneten bestochen und die restlichen eingeschüchtert hatte, eine Praxis, die ihm schon immer sehr zustatten gekommen war.

Wie es hieß, hatte Elias Gutmann bei jeder schmutzigen Machenschaft im Imperium die Finger im Spiel, obwohl die Leute sorgfältig darauf achteten, wie laut sie das aussprachen. Die Familie Gutmann hatte Elias in seiner unfeinen Jugend von Golgatha verbannt und ihm regelmäßig Geld geschickt, solange er versprach, nicht nach Hause zurückzukehren – eine Vereinbarung, die beiden Parteien zupaß kam. Gutmann benutzte dieses Geld und die neue Freiheit, um sich zu dem erstrangigen Schurken zu entwickeln, den er schon immer in sich vermutet hatte. Er unterstützte sogar die Rebellion finanziell, nur um sich abzusichern.

Dann fielen so viele Angehörige seiner Familie in den Kämpfen auf Golgatha auf beiden Seiten, daß Elias sich ohne eigenes Zutun als ältester Überlebender wiederfand und schließlich doch zur Heimkehr aufgefordert wurde. Er verschwendete keine Zeit und stürzte sich kopfüber in die Politik, denn er spürte, daß man im neuen Imperium auf diesem Gebiet die eigentliche Quelle von Macht und Reichtum fand. Und jetzt war Elias Gutmann Parlamentspräsident und konnte entscheiden, wer im Parlament angehört wurde und wer nicht. Man hatte vernommen, daß viele Abgeordnete fragten, wie es nur soweit hatte kommen können, aber sie achteten sorgsam darauf, es ganz leise zu fragen.

Noch unglückseliger für alle Beteiligten war, daß das Parlament diese wichtige Ernennung vorgenommen hatte, während Owen Todtsteltzer gerade auf der Jagd nach Valentin Wolf und seinen Spießgesellen war. Alle warteten jetzt darauf, welche Reaktion er zeigen würde, und waren hin und hergerissen zwischen dem Wunsch, einen guten Platz zu ergattern, und dem sehr realen Bedürfnis, den Kopf einzuziehen oder sich zumindest außer Schußweite zu halten. Owen enttäuschte sie nicht.

Kaum öffneten sich die Türen der Halle, da stürmte er wütend in den Plenarsaal, und Hazel marschierte fröhlich neben ihm her. Owen ignorierte die klagenden Rufe der Saaldiener, die versuchten, ihn in die richtige öffentliche Zone zu steuern, und nahm direkten Kurs auf Gutmann, der auf einer erhöhten Plattform zwischen den beiden Bankreihen saß.

Zwei bewaffnete Wachtposten traten vor, um ihm den Weg zu versperren. Owen schlug einen bewußtlos, trat dem anderen in die Leistengegend und setzte einfach seinen Weg fort. Hazel folgte ihm und stieg dabei anmutig über die stöhnenden Gestalten auf dem Boden hinweg. Gutmann regte sich ein wenig unbehaglich auf seinem Platz. Er hatte noch andere, verborgene Schutzvorkehrungen getroffen, aber Auge im Auge mit dem Todtsteltzer wußte er nicht mehr so recht, wie wirksam sie sein würden. Owen blieb direkt unterhalb von Gutmanns erhöhtem Sitz stehen und blickte böse zum Parlamentspräsidenten hinauf.

»In Ordnung, welcher geistig behinderte Haufen schwanzloser Wunder hat diesen Gauner zum Parlamentspräsidenten gewählt? Kaum wende ich Euch fünf Minuten den Rücken zu, da reißt Ihr die Türen auf und holt den Fuchs in den Hühnerstall.

Warum habt Ihr ihm nicht gleich noch die Kronjuwelen ausgehändigt, wo Ihr schon dabei wart? Ich sehe lieber gleich mal nach ihnen, sobald ich hier fertig bin, und sollte nur ein Stück fehlen, wird jemand dafür büßen, und das werde verdammt sicher nicht ich sein. Wieso in aller Welt nur Gutmann? Sollte irgendwo im Imperium ein mieses Geschäft laufen, von dem er noch nicht profitiert hat, dann nur, weil er noch nichts davon gehört hat. Dieser Mann macht Geschäfte mit Tod und Leid; Gott weiß, wieviel Blut an Gutmanns Händen klebt.«

»Und wie viele Menschen sind von Eurer Hand gestorben, Sir Todtsteltzer?« fragte Gutmann aalglatt. »Wir alle mußten betrübliche Dinge tun, um dorthin zu gelangen, wo wir heute sind. Aber es heißt, wir hätten inzwischen eine neue Ordnung.

Eine Chance für jeden, sich neu zu bewähren. Ein neues Leben und eine neue Karriere aufzubauen, gänzlich verschieden von dem, was früher womöglich war. Oder glaubt Ihr nicht an neue Chancen? An Wiedergutmachung?«

»Nicht, soweit es Euch anbetrifft«, sagte Owen rundweg.

»Eher werden Grendelkreaturen zu Vegetariern, als daß Ihr Euch bessert. Ich kenne Euch, Gutmann.«

»Jedoch bleibt die Tatsache bestehen«, erklärte Elias Gutmann locker, »daß die guten Männer und Frauen dieses Hauses mich aus freien Stücken zum Parlamentspräsidenten gewählt haben. Oder wollt Ihr Euch der Autorität der Abgeordneten widersetzen?«

»Verdreht jetzt nicht alles!« verlangte Owen und wurde unwillkürlich lauter. »Ich habe nicht Jahre auf der Flucht verbracht und bin auf den Straßen Golgathas durch Blut und Gemetzel gewatet, nur um dann zu sehen, wie die Macht Menschen wie Euch übergeben wird! Ich weiß nicht, wie es Euch gelang, einer Anklage als Kriegsverbrecher zu entgehen, Gutmann, aber mir entkommt Ihr nicht! Steigt jetzt von diesem Sitz herunter, oder ich komme hinauf und hole Euch!«

»Ihr könnt mir nichts anhaben. Ich genieße den Schutz des Parlaments. Der Leute, die Ihr selbst an die Macht gebracht habt. Habt Ihr kein Zutrauen zu Eurer eigenen Schöpfung?«

»Nicht, wenn sie so übel verpfuscht wird.«

»Also stellt Ihr Euch über die Autorität des Parlaments? Genau wie die Aristokraten, die Ihr gestürzt habt, weil Ihr sagtet, sie mißbrauchten ihre Macht. Erkennt irgend jemand die Ironie? Ihr seid kein Held mehr, Todtsteltzer, der unterwegs seine eigenen Regeln aufstellen kann. Ihr seid ein gewöhnlicher Bürger des Imperiums und unterliegt der Autorität des Volkes, wie sie ihren Ausdruck durch das Parlament findet.«

»Zum Teufel damit! Ich habe nie ein Parlament gebraucht, das mir sagte, wie man richtig und falsch unterscheidet. Steigt jetzt herunter, oder ich bringe Euch auf Eurem Sitz um!«

»Ihr trotzt dem Willen des Parlaments!«

»Zur Hölle damit! Notfalls reiße ich das ganze Gebäude ein!«

Bewaffnete Wachleute stürzten von allen Seiten heran, während unter den Abgeordneten aufgeregtes Geplapper ausbrach.

Bei irgend jemand anderem wären es vielleicht nur leere Drohungen gewesen, was sie eben gehört hatten, aber das hier war Owen Todtstelzer. Vielleicht setzte er sie einfach in die Tat um. Gutmann packte fest die Armlehnen seines Sitzes, aber sein Gesicht blieb ruhig. Er hatte den Todtsteltzer so manipuliert, daß dieser die Beherrschung verlor und damit sein Heldenimage untergrub. Jetzt brauchte Gutmann das nur noch zu überleben.

»Typische Todtsteltzer-Drohung«, sagte er gelassen und achtete darauf, laut genug zu sprechen, um den zunehmenden Tumult zu übertönen. »Zum Teufel damit, wie viele es das Leben kostet, solange er nur seinen Willen bekommt. Ich schätze, wir dürften nicht überrascht sein. Schließlich war es sein Vorfahre, der erste Todtsteltzer, der den Dunkelwüsten-Projektor aktivierte und ungezählten Milliarden Unschuldiger den Tod brachte.«

Hazel umklammerte grimmig Owens Arm, damit er nicht den Disruptor ziehen konnte. Die umstehenden Wachleute sahen besorgt zu. Hazel packte mit einer Hand Owens Kinn und zwang ihn, sie anzusehen. »Tu es nicht, Owen. Du müßtest eine Menge unschuldiger Menschen töten, ehe du Gutmann erwischen würdest.«