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»Was eine sehr schöne Überleitung zu der Petition ist, die ich dem Hohen Haus vorzulegen habe«, sagte eine barsche Stimme aus der Menge. Die Leuten sahen sich um, wollten herausfinden, wer das war, und wichen dann hastig zurück, als sie die kleine blonde Frau entdeckten, deren Augen kalt wie der Tod waren. Früher einmal hatte sie Johana Wahn geheißen, ein Avatar der geheimnisvollen und rätselhaften Superesperin Mater Mundi, der Weltenmutter. Macht über alle Hoffnung und Vernunft hinaus brannte damals in Johana Wahn, und die Luft um sie herum knisterte vor Spannung. Heute verkörperte sie nicht mehr alles, was sie früher gewesen war, denn Mater Mundi hatte sie verlassen, und Johana trug wieder den alten Namen Diana Vertue. Trotzdem war sie immer noch eine Macht, mit der man rechnen mußte, und die meisten Leute hatten genug Verstand, in ihrer Nähe sehr nervös zu werden. Heute repräsentierte sie die Esper-Bewegung im Parlament, vor allem deshalb, weil alle anderen Mitglieder der Bewegung zu viel Angst hatten, um ihr das abzuschlagen. Sie bahnte sich jetzt einen Weg nach vorn durch die Menge, und die Leute beeilten sich, ihr auszuweichen. Sie blieb vor Owen stehen, der sich höflich vor ihr verbeugte.

Um die Wahrheit zu sagen: Auch er hatte ein bißchen Angst vor ihr, aber er hielt nichts davon, solche Dinge vor aller Welt zu zeigen.

»Hallo Diana, Ihr seht ganz normal aus. Was für eine Petition könnte das sein?«

»Alle ESP-Blocker aus dem Parlament zu entfernen, damit wir die Gedanken aller Anwesenden lesen und herausfinden können, ob auch jeder das ist, was er vorgibt.« Dianas Stimme klang barsch und rauh und absolut einschüchternd. Die Kehle war geschädigt von den Schreien, die Diana in den Gefängniszellen von Golgatha ausgestoßen hatte, und hatte sich nie wieder ganz erholt. »Die ESP-Blocker müssen weg. Nicht nur Shub liefert uns Gründe, besorgt zu sein. Erinnert Ihr Euch noch an das gestaltwandelnde Fremdwesen, das bei Hofe erschien? Es ahmte einen Mann so exakt nach, daß nicht einmal seine Freunde den Unterschied erkennen konnten. Wirkliche Sicherheit im Parlament können wir nur wahren, indem wir die Gedanken aller lesen und keine Ausnahmen erlauben. Klingt für mich absolut vernünftig.«

»Das liegt daran, daß Ihr so seltsam seid«, fand Gutmann, und praktisch alle nickten beifällig. »Euer Antrag ist völlig inakzeptabel. Jeder hier hat ein Recht auf Unverletzlichkeit der Gedanken.«

»Dieses eine Mal muß ich Euch zustimmen«, sagte Owen.

»Wir alle kennen Geheimnisse, die gewahrt bleiben müssen.

Selbst wenn sie nur für uns wirklich wichtig sind. Oder vielleicht besonders die. Aber ich verstehe, worauf Ihr hinauswollt.

Vielleicht könnten wir ein System ausarbeiten, das auf Freiwilligkeit beruht…«

»Nur zu«, sagte Gutmann. »Ihr zuerst.«

Owen mußte unwillkürlich lächeln. »Geben wir diese Frage an die Kirche weiter. Sie hat Erfahrung mit Beichten.«

»Wir werden es ins Auge fassen«, sagte Gutmann. »Und falls Euch das nicht reicht, Esper Vertue, fühlt Euch frei, Euer Anliegen dem zuständigen Unterausschuß vorzulegen. Zu einem späteren Zeitpunkt. Allerdings führt uns dieses Thema nahtlos zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung. Im Rahmen des Abkommens, das Jakob Ohnesorg mit den Familien ausgehandelt hat, gelten Klone und Esper nicht mehr als Besitztum, sondern als Bürger aus eigenem Recht. So lobenswert und gerecht das scheinen mag, hat es doch zu unerwarteten Problemen geführt. Seit Jahrhunderten beruhten Handel und Industrie im ganzen Imperium auf der unbegrenzten Verfügbarkeit der Arbeitskraft von Klonen und Espern. Jetzt müssen sie durch bezahlte Arbeiter oder neue Techniken ersetzt werden, was beides äußerst teuer ist. Veränderungen sind immer kostspielig, und jemand muß dafür aufkommen.

Da wir die Lektronen der Steuerbehörde endlich wieder in Gang bringen konnten…« Und an diesem Punkt legte Gutmann eine Pause ein, um wie alle anderen im Saal böse die Personen anzuschauen, die für die Zerstörung der Rechner verantwortlich waren, nämlich Owen und Hazel, die lächelten und bescheiden nickten. »… war unser erster Gedanke, die Einstiegsrate der Einkommenssteuer zu erhöhen. Die breite Masse der Bürger machte jedoch rasch ausgesprochen deutlich, daß sie dies als sehr schlechte Idee betrachtet. Sie schlug vor, daß die Aristokraten als die Wohlhabendsten unter uns die Last schultern sollten. Die Clans ihrerseits wiesen nicht zu Unrecht darauf hin, daß viele von ihnen durch den Verlust an Macht und Lenkungsmöglichkeiten, wie ihn Ohnesorgs Abkommen mit sich brachte, schon fast verarmt wären; sie hielten es für im Grunde nicht fair, noch mehr gestraft zu werden. Dunkle Andeutungen sprachen vom drohenden Zusammenbruch von Industrien in Familienhand und von der Massenarbeitslosigkeit, die daraus entstünde. Umfangreiche Diskussionen und Verhandlungen und Ausschüsse in beliebiger Zahl erbrachten bislang keine brauchbaren Ergebnisse.«

»Er hält sogar noch längere Ansprachen als du, Owen«, murmelte Hazel. »Ich bin beeindruckt.«

»Und Ihr braucht Euch auch nicht an die Untergrundbewegungen zu wenden«, warf Diana ein. »Wir müssen schon die Klon- und Esperfamilien unterstützen, die durch neue Techniken ihre Arbeit verloren haben. Solange sie noch Eigentum waren, kamen die Clans für ihren Unterhalt auf. Seit sie freie Bürger sind, waschen die Clans ihre Hände in Unschuld. Freiheit ist ja sehr schön, aber sie bringt noch keine Mahlzeiten auf den Tisch.«

Owen fand, daß er noch nie so viel Undankbarkeit von so vielen Menschen gehört hatte, und ihm war danach, sich entsprechend zu äußern. Er nahm jedoch wieder Abstand davon, weil er nur zu gut wußte, daß sie eine Möglichkeit finden würden, ihm an allem die Schuld zu geben. Und weil auch er nicht wußte, wer für alles bezahlen sollte. Wirtschaft war nie seine starke Seite gewesen. Er war Krieger, nicht Buchhalter. Er sah Hazel an, die mit den Achseln zuckte.

»Frag mich nicht. Um eine gerechtere Verteilung des Reichtums zu erzielen, ist mir nichts Besseres eingefallen, als Piratin und Klonpascherin zu werden. Keins von beiden hat besonders gut funktioniert.«

»Das Problem besteht in der Geschwindigkeit, mit der sich das Imperium verändert«, fand Diana Vertue. »Es geht zu langsam.«

»Das Problem ist, daß es zu schnell geht«, entgegnete Gutmann.

»Klar, daß Ihr das behauptet«, sagte Diana. »Ihr und Euresgleichen habt schließlich am meisten zu verlieren.«

»Wir sind einfach besorgt, es könnte ein zu schneller Wechsel von einem System, das auf Menschen beruht, zu einem System stattfinden, das auf Technik basiert. Wir möchten nicht, daß es wie auf Shub endet.«

Diana runzelte die Stirn, was einschüchternd wirkte. »Ihr verbreitet nur Nebel, Gutmann. Der Untergrund möchte nicht, daß Klone und Esper durch Tech ersetzt werden, sondern verlangt einfach bessere Arbeitsbedingungen und gerechten Lohn.«

»Was uns wunderbar wieder zum Thema Geld führt«, sagte Gutmann, lehnte sich auf seinem Sitz zurück und blickte über die versammelte Menge hinweg. »Durch die Unruhen und die Tatsache, daß niemand mehr lenkend auf die Wirtschaft einwirkt, galoppiert inzwischen die Inflation, sogar auf den stabilsten Planeten. Ersparnisse werden aufgezehrt. Banken brechen zusammen. Die Familien tun, was sie können, sind sich aber nur darin einig, daß die Lage zwangsläufig erst noch schlechter wird, ehe es wieder zum Aufschwung kommt. Was immer man über die alte Ordnung behaupten konnte, sie hat die Währung stabil gehalten – auch wenn die Imperatorin ein paar Banker aufhängen mußte, um sich klar auszudrücken.«

»Wie wäre es mit einer Steuer auf aufgeblasene Schwätzer?« fragte Hazel zuckersüß. »Oder eine Glücksfallsteuer für Leute, die es geschafft haben, aus den Veränderungen hübsch Profit zu schlagen? Das sollte ordentlich Zaster einbringen.«

Viele Anwesende knurrten und brummelten untereinander, aber niemand brachte den Mut auf, von Hazel zu fordern, sie möge ihren Kommentar zurücknehmen.