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»Hallo Vater«, sagte sie.

»Hallo Diana«, sagte Schwejksam. »Ich habe schon gehört, daß du wieder deinen alten Namen angenommen hast. Ich bin froh. Johana Wahn hat mir im Grunde nie gefallen.«

»Sie war ein realer Teil von mir. Sie ist es nach wie vor, tief in mir. Ich habe mich nur… weiterentwickelt. Als die Weltenmutter noch durch mich wirkte, hielt ich mich für ihren Avatar, ihren Fokus, ihre Heilige auf Erden. Aber sie hat mich verlassen, mir die Gnade und den Ruhm genommen, damit ich den Rest meiner Tage als Wesen geringeren Ranges verbringe, das nicht länger vom Himmel berührt wird. Sie hat mich einfach im Stich gelassen, genau wie du es auf Unseeli getan hast.«

»So war es nicht«, sagte Schwejksam.

»Doch, war es«, erwiderte Diana. »Es war genau so.« Sie sah Carrion an. »Ich habe die Ashrai auf Unseeli singen gehört. Bin in ihren Gesang eingefallen. Sie vermittelten mir einen Eindruck vom Himmel und zogen sich dann zurück. Besser für immer blind, als für wenige Augenblicke die Farben des Regenbogens zu sehen und wieder ins Dunkel geworfen zu werden. Man hat mich so oft verraten; jetzt traue ich nur noch mir.

Wer immer das ist. Ich bin froh, daß Euer Planet tot ist, Carrion. Ich bin froh, daß die Wälder dahin sind. Ich wünschte nur, Ihr und die Ashrai wärt mit ihnen dahingeschieden. Haltet Euch fern von mir. Du auch, Vater. Weil ich dich töte, wenn du mir erneut weh tust.«

Schwejksam wollte etwas sagen, fand aber nicht die Worte, und schließlich verbeugte er sich nur und ging, Carrion an seiner Seite. Diana blickte ihnen nach, und für einen Moment knisterte etwas von ihrer bösartigen alten Persönlichkeit um sie herum wie ein Fliegenschwarm.

Danach fiel alles weitere dramaturgisch stark ab, und das Parlament ging bald auseinander. Owen und Hazel, Jakob und Ruby nahmen einen Seitenausgang, um den Medien und Menschenmassen auszuweichen. Ihnen war nicht danach, mit Fremden zu reden. In der Nähe lag eine Kneipe, nicht viel mehr als ein Loch in der Mauer, aber die Getränke waren genießbar und Privatsphäre wurde garantiert. Sie setzten sich an einen Tisch mit fleckiger und zerkratzter Platte, bedienten sich zurückhaltend von ihren Drinks und fragten sich, was sie einander sagen sollten. Sie hatten einen weiten Weg zurückgelegt, seit Owen sie auf Nebelwelt als gewöhnliche Heldengruppe organisiert hatte.

»Lange her, seit wir zuletzt zusammensaßen«, sagte Jakob Ohnesorg schließlich. »Aber schließlich waren wir jüngst alle sehr beschäftigt, vermute ich.«

»Im Grunde keine Überraschung«, sagte Hazel. »Ich meine, eigentlich hatten wir immer nur die Rebellion als Gemeinsamkeit.«

»Und die Freundschaft«, fand Owen. »Immer bleibt noch die Freundschaft.«

»Natürlich«, sagte Jakob, vielleicht ein bißchen zu herzlich.

»Man kann nicht das gleiche durchmachen wie wir, ohne sich dabei… nahezukommen. Aber ich weiß, was Hazel meint. Die Rebellion hat uns gemeinsame Ziele gesetzt, etwas, woran wir unser Leben orientieren konnten. Als sich die Lage veränderte, mußten wir uns neu definieren, und wir sind nicht mehr die Menschen, die wir früher waren.«

»Richtig«, bekräftigte Ruby. »Wie zum Teufel sind wir nur von hier nach dort gelangt? Ich weiß nicht, womit ich gerechnet habe, falls wir tatsächlich den Sieg davontragen sollten, aber verdammt sicher etwas anderes, als jetzt passiert. Ich vermisse… die klare Orientierung, die ich früher hatte.«

»Aber wir können nicht einfach wieder zum alten Ich zurückkehren«, meinte Owen, »zu den Menschen, die wir waren, ehe all das begann. Wir mußten uns verändern, um zu überleben.«

»Ich würde mich nicht zurückverwandeln, selbst wenn ich könnte«, stellte Hazel fest. »Es wäre mir zuwider.«

»Richtig«, fand Jakob. »Die Bedeutung der eigenen Wurzeln wird überschätzt. Wir sind wie Haie: Wir müssen in Bewegung bleiben oder sterben. Und manchmal bedeutet das, einfach weiterzuziehen.«

»Aber wir müssen in Berührung bleiben«, sagte Owen. »Mit wem sonst sollten wir uns unterhalten? Wer sonst könnte begreifen, was wir erlebt haben? Das Labyrinth hat uns in vielerlei Hinsicht verändert, und ich bin nicht überzeugt, daß der Wandlungsprozeß schon abgeschlossen ist.«

»Fang nicht wieder damit an!« verlangte Ruby ungeduldig.

»Es ist vorbei, Owen; laß es gut sein. Ich habe nicht vor, in der Vergangenheit zu leben. Jeden Abend in solchen Mistlöchern herumzusitzen, über alte Schlachten und Siege zu debattieren, mich über das Wer und Wann zu zanken wie alte Veteranen, denen nichts geblieben ist, als immer wieder die Tage zu erleben, in denen ihr Leben noch Sinn und Richtung hatte. Ich will verdammt sein, wenn mein Leben schon vorüber ist.«

»Richtig«, sagte Jakob. »Deshalb habe ich uns auch freiwillig für den Einsatz gegen Shub gemeldet.«

»Na ja«, sagte Ruby. »Ich weiß nicht recht, ob es das war, was ich mir vorgestellt habe.«

»Ach, komm schon«, versetzte Jakob. »Wo ist dein Sinn für Abenteuer geblieben? Du hast gesagt, du wolltest was erleben.

Also, morgen fangen wir damit an.«

»So bald?« fragte Owen. »Hazel und ich sind gerade erst zurückgekehrt. Wir hatten noch kaum Zeit zusammen.«

»Vielleicht ist es so am besten«, sagte Jakob freundlich. »Wir entwickeln uns zu neuen Menschen und entfernen uns dabei voneinander, ob wir das möchten oder nicht. Fremde werden zu Freunden und dann wieder zu Fremden. So ist das Leben.«

Sie redeten noch eine Zeitlang weiter, aber der Gesprächsstoff war ihnen bereits ausgegangen. Jakob und Ruby brachen auf. Owen starrte in sein Glas, und Hazel sah ihm dabei zu.

»Ich muß Euch etwas sagen«, sagte er endlich. »Ich werde heiraten.«

Hazels Herz machte einen Satz, aber sie hielt Stimme und Gesicht ruhig. »Ach ja? Jemanden, den ich kenne?«

»Konstanze Wolf. Es ist eine arrangierte Hochzeit.«

»Ich dachte, dergleichen wäre zusammen mit der Aristokratie verschwunden.«

»Sie ist nicht wirklich verschwunden«, sagte Owen. »Und manche der alten Wege sind nach wie vor… gültig.«

»Das kommt mir… sehr plötzlich vor.«

»Mich hat es auch überrascht«, räumte Owen ein. »Es war allein Konstanzes Idee. Sie hatte gute Gründe. Ich konnte nicht ablehnen.«

»Du warst schon immer leicht zu überreden. Liebst du sie?«

»Nein! Ich kenne sie kaum. Andererseits ist das bei arrangierten Hochzeiten oft so. Ich mußte schließlich irgendwann heiraten. Jemanden aus meiner Klasse. Es sind die Blutlinien, versteht Ihr?«

»Nein«, antwortete Hazel, »ich verstehe es nicht. Aber trotzdem Glückwunsch. Ich schätze, sie wird die Herrscherin an deiner Seite.«

»Ich wollte das nicht. Aber es erscheint mir… politisch notwendig. Ich kann es nicht ablehnen. Nicht, wenn so viele Alternativen so viel schlimmer wären.«

»Wir könnten fliehen«, meinte Hazel und blickte ihm zum ersten Mal in die Augen. »Dieses ganze Chaos zurücklassen.

Es wäre wieder wie in den alten Zeiten – du und ich auf der Flucht vor dem Imperium, mit keiner Sorge in der Welt, außer der um uns.«

»Klingt verlockend«, gab Owen zu. »Aber ich kann es nicht tun. Ich habe Pflichten, versteht Ihr? Das war mir immer klar.

Letztlich sind manche Dinge wichtiger als das eigene Glück.

Und Ihr habt nie gesagt, Ihr würdet mich lieben.«

»Nein«, sagte Hazel. »Das habe ich nicht.«

Sie warteten noch lange, aber keiner von ihnen hatte mehr etwas zu sagen. Und so saßen sie in der Taverne zusammen, tranken und versuchten, in der sich vor ihnen verdüsternden Zukunft ihren Weg zu erkennen.