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»Mal vorausgesetzt, daß wir währenddessen nicht auf scheußliche Weise umkommen«, sagte Hazel.

»Klingt, als würde es Spaß machen«, bemerkte Bonnie. »Ist es okay, wenn ich ein paar von diesen Hadenmännern umbringe?«

»Lieber viele«, sagte Hazel. »Nur zu.«

»Sobald wir die Informationen haben, die wir brauchen«, sagte Owen mit Bestimmtheit. »Erst spionieren, dann umbringen.«

»Mach dir keine Sorgen«, versetzte Mitternacht. »Eine Kriegerin hat immer Verständnis für die Notwendigkeit geschickten Vorgehens. Bin ich nicht ein Wesen aus Nebel und Schatten?«

»Fangt nicht damit an!« verlangte Owen. »Ich bekomme genug solches Zeug von meiner KI zu hören. Falls wir auf Hadenmänner treffen, möchte ich, daß wir alle uns wirklich bemühen, keinen Streit anzufangen. Nach wie vor besteht eine Chance, daß dies alles nur ein fürchterliches Mißverständnis ist. Und selbst wenn nicht, kann ich sie vielleicht noch überreden, auf den richtigen Weg zurückzukehren. Sie behaupten nämlich, sie würden mich als ihren Erlöser respektieren. Und sie haben in der Rebellion auf unserer Seite gefochten.«

»Hält euer Owen auch lange, langweilige Ansprachen?« fragte Hazel ihre beiden anderen Versionen, und beide nickten ernst.

»Die Hadenmänner haben den Sieg unserer Rebellion möglich gemacht«, fuhr Owen laut fort und ignorierte Hazel. »Wie habt Ihr beide es ohne sie geschafft?«

Mitternacht zuckte die Achseln. »Auf die langsame und harte und blutige Tour. Viele Menschen sind umgekommen. Löwenstein hatte immer gesagt, falls sie stürzte, würde sie das Imperium mitnehmen, und sie kam verdammt dicht heran, ihr Versprechen wahrzumachen.«

»Richtig«, sagte Bonnie. »Die Eiserne Hexe und ihre Flotte haben uns einen hohen Preis für den Sieg abverlangt.«

»Siehst du, Owen«, sagte Hazel sanft, »du hast also doch richtig gehandelt.«

»Nur, falls es uns gelingt, sie jetzt aufzuhalten«, erwiderte Owen. Er war noch nicht bereit, sich zu vergeben, aber trotzdem tröstete ihn der Gedanke ein wenig, wie übel es ohne die Hadenmänner als Bundesgenossen hätte ausgehen können. Er zeigte auf die vier Handsteuerungen der Metalltür, und zu viert kurbelten sie langsam die schwere Last aus dem Weg. Sobald sich die schweren Bolzen zurückgezogen hatten, schwenkte die Tür bemerkenswert leicht auf. Sie ließen sie offenstehen, nur für den Fall, daß sie sich plötzlich zurückziehen mußten. Owen ging als erster in den schmalen Backsteintunnel dahinter. Nach wenigen Minuten erreichten sie ein einfaches Stahlgitter in der Tunneldecke, durch das in starren Schäften das Licht von oben hereinfiel und dabei den grünen Dunst der Kanalisation sauber durchschnitt. Die vier versammelten sich unter dem Gitter, konnten jedoch draußen nichts erkennen.

»Wir müssen direkt unter der Straße sein«, sagte Hazel. »Irgendwo in den Außenbezirken der Stadt. Möchtest du mal einen Blick hinaus werfen?«

Owen überlegte. »Wie weit sind wir von der Stelle entfernt, wo Ihr zuletzt die Kanalisation betreten habt?«

»Meilenweit«, antwortete Hazel. »Gut innerhalb der eigentlichen Stadt.«

»Wir steigen aus«, sagte Owen. »Hier ist das Risiko geringer, auf Hadenmänner zu stoßen. Tretet bitte zurück, während ich mir die Ehre gebe.«

Das Metallgitter gab mühelos nach, und Hazel half Owen dabei, durch die Öffnung hinauszuklettern. Er zog sich hoch und sah sich rasch um, die Augen vor dem hellen Licht zusammengekniffen. Die Straße war leer, und es herrschte völlige Stille.

Owen gab kund, daß die Luft rein war, und sah sich noch einmal genauer um, während die anderen zu ihm auf die Straße stiegen. Sie machten viel Lärm dabei, aber niemand war in der Nähe, der es hätte hören können. Überhaupt niemand.

Der grünliche Dunst stieg aus der Öffnung und verstreute sich langsam. Hazel beförderte das Gitter mit einem Fußtritt wieder in Position. Alle vier Gefährten atmeten in der klaren, etwas kalten Stadtluft tief ein, wahrend sie sich umsahen, und befreiten Mund und Nase damit vom üblen Gestank der Kanalisation. Owen und Hazel waren gar nicht dazu gekommen, Mitternacht und Bonnie zu erzählen, daß die grüne Luft giftig war, und da beide nach wie vor gesund und munter waren, schien es auch jetzt wenig Sinn zu machen. Sie trampelten herum, um die Schuhe vom schlimmsten der dicken schwarzen Schmiere zu befreien, durch die sie gewatet waren, hatten damit aber nur teilweise Erfolg. Und trotz des erneuten Lärms erschien niemand, um nachzusehen. Owen gab jeden Versuch auf, seine Begleiterinnen zur Ruhe anzuhalten, und beschäftigte sich von neuem damit, sich umzusehen.

Sie standen direkt am Rand von Brahmin City in einer Gegend, die bislang von Umbaumaßnahmen der Hadenmänner frei zu sein schien. Die Gebäude waren einfach nur Häuser und zeigten keine Spur der glänzenden Hadenmännertech. Die Straßen waren verlassen, und nirgendwo vernahm man einen Laut. Nichts verriet, daß hier je Menschen gelebt hatten. Und obwohl es langsam dunkel wurde, war keine der Straßenlaternen angesprungen.

»Verdammt, das ist aber unheimlich!« meinte Hazel. »Jemand sollte sich hier herumtreiben. Jemand sollte arbeiten. Ich meine, Städte halten sich doch nicht von allein in Gang.«

»Städte der Menschen jedenfalls nicht«, sagte Owen. »Nicht einmal zu den Fenstern blickt jemand heraus. Selbst die niedergedrücktesten und unterwürfigsten Gefangenen müßten genügend Grips aufweisen, um mal zu den Fenstern hinauszublicken, was draußen vor sich geht.«

»Soll ich ein paar Türen eintreten?« fragte Bonnie.

»Vorläufig nicht, danke«, sagte Owen. »Wir sind hier, um die Leute zu retten, nicht, um sie zu erschrecken.«

»Es muß allmählich dunkel werden in den Häusern«, überlegte Mitternacht. »Aber niemand hat bislang Licht angemacht.«

»Vielleicht ist es verboten«, überlegte Hazel.

»Vielleicht ist niemand zu Hause«, sagte Owen. »Womöglich sind alle… irgendwohin gebracht worden.«

»Ich möchte was anderes feststellen«, äußerte sich Mitternacht, nachdem sie alle eine Zeitlang darüber nachgedacht hatten. »Nirgendwo in der Nähe fahren Verkehrsmittel. Wir würden das hören. Welches Ziel wir auch haben, wir werden es zu Fuß erreichen müssen.«

»Das schaffen wir schon«, sagte Hazel. »Die Stadt ist so groß nun auch wieder nicht.«

»Jetzt mal langsam«, verlangte Owen. »Als ich den Vorschlag machte, in Brahmin City zu spionieren, schwebte mir etwas Verstohleneres vor, als im hellen Tageslicht herumzuspazieren.«

»Owen«, sagte Hazel, »hier ist niemand, der uns sehen könnte. Und ich habe nicht vor, mich von etwas Geringerem als Beschuß in die Kanalisation zurücktreiben zu lassen. Und zwar nur durch verdammt schweren Beschuß, was das angeht! Solange wir Augen und Ohren offenhalten, kann sich in dieser Stille niemand an uns heranschleichen.«

»Ich hasse es, wenn Ihr recht habt«, sagte Owen. »In Ordnung, machen wir einen kleinen Spaziergang und sehen mal, ob wir jemanden finden, dem wir ein paar präzise Fragen stellen können. Waffen bereithalten, Leute, aber nur schießen, wenn es nicht anders geht! Wir sind gut, aber ich bin mir nicht sicher, ob sogar wir eine ganze Armee Hadenmänner auslöschen könnten. Ich persönlich hätte es nach wie vor am liebsten, unentdeckt in die Stadt einzudringen und wieder daraus zu verschwinden, aber falls wir um einen Kontakt mit den Hadenmännern nicht herumkommen sollten, ziehe ich immer noch eine Art von Verhandlungen vor. Vielleicht können wir ihnen begreiflich machen, daß nicht einmal sie in der Lage sind, es mit dem gesamten Imperium aufzunehmen, selbst wenn es gegenwärtig geschwächt dasteht.«

»Viel Glück«, sagte Hazel. »Du wirst es brauchen.«

Owen schniefte und ging die Straße entlang. Mitternacht folgte ihm rasch und hakte sich vertraulich bei ihm unter.

Owen wirkte ein wenig verlegen, versuchte aber nicht, sich zu befreien. Zum Teil, weil er nicht unhöflich sein und sie gegen sich aufbringen wollte, zum Teil, weil er nicht ganz sicher war, daß Mitternacht es dulden würde. Sie hatte besonders kräftige Arme. Hazel und Bonnie schlenderten hinterher und lächelten beide über Owens Unbehagen.