Выбрать главу

»Ich hatte also recht«, sagte Owen. »Mein alter Gefährte ist tot. Ich habe einen weiteren Freund verloren. Man sollte eigentlich meinen, daß ich mich inzwischen daran gewöhnt hätte. Aber egal. Also, was passiert jetzt, Mond?«

»Das liegt eigentlich bei Euch, Owen. Ihr hättet uns melden sollen, daß Ihr kommt. Wir hätten einen Empfang für Euch vorbereitet.«

»Ja«, knurrte Hazel, »da wette ich!«

»Bitte legt Eure Waffen weg«, sagte Mond ruhig. »Ihr schwebt nicht in Gefahr. Der Erlöser und seine Gefährten sind den Hadenmännern stets willkommen.«

Owen sah die anderen an, zuckte die Achseln und steckte Pistole und Schwert weg. Nach längerem Zögern steckte Hazel das Schwert in die Scheide, und Bonnie und Mitternacht taten es ihr nach. Bonnie musterte die Hadenmänner mit erkennbarer Neugier, und sie erwiderten den Blick mit gleichem Interesse.

Beide Seiten hatten ihresgleichen wohl noch nie gesehen. Mitternacht verschränkte die muskulösen Arme auf der Brust und schien gelangweilt, seit keine Hoffnung mehr auf ein bißchen Aktion bestand. Owen sah sich um und betrachtete die ausdruckslos starrenden Gesichter der aufgerüsteten Menschen. Er entdeckte eine beunruhigende Ähnlichkeit, als folgten sie hinter den Gesichtern den gleichen Gedanken. Die Hadenmänner wiesen eine vollkommene Gestalt auf, aber es war keine menschliche Vollkommenheit. Die Körper waren überwiegend Maschinen, das Hirn mit implantierten Lektronen verstärkt. Ihr einziges Ziel bestand in der Vervollkommnung der gesamten Menschheit durch Technik. Und falls sie dabei menschliche Attribute verloren hatten – Gefühle und Gewissen und Individualität –, dann war das ein Preis, wie ihn die Hadenmänner schon immer zu zahlen bereit gewesen waren.

»Wir hätten wissen müssen, daß Mond wieder auftaucht«, murmelte Oz in Owens Ohr. »Man kann sich bei einem Hadenmann auf nichts verlassen – nicht mal, daß er tot bleibt.

Jetzt ist er nur noch einer unter vielen bleichen Harlekinen mit dem Kainszeichen auf der Stirn. Sei ja vorsichtig, Owen!«

Owen runzelte die Stirn. Die Worte der KI schienen eine Erinnerung zu wecken, die Erinnerung an etwas, was ihm ein Präkog auf Nebelwelt erzählt hatte. Einen Augenblick lang hatte er das Gefühl, kurz davor zu stehen, daß er etwas Wesentliches begriff, aber Mond wies jetzt höflich darauf hin, daß sie lieber losgingen, und Owen gab seine Überlegungen wieder auf und konzentrierte sich auf das Unmittelbare. Er hegte weiterhin die Hoffnung, die Hadenmänner zu überzeugen, daß sie ihre Gefangenen freiließen und lieber wieder mit der Menschheit zusammenarbeiteten, als sie zu bekämpfen. Gemeinsam erwiesen sich die beiden Zweige der Menschheit vielleicht zu weit mehr fähig, als jeder von ihnen für sich. Und die Hadenmänner mußten etwas aus ihrer totalen Niederlage im ersten Kreuzzug gegen das Imperium gelernt haben. Sicherlich würde doch ein Volk, das sich soviel auf seine Logik zugute hielt, den gleichen Fehler nicht zweimal begehen?

Mond führte die vier Menschen die Straße entlang, und die restlichen Hadenmänner schlossen sich ihnen an, wobei sie perfekten Gleichschritt hielten. Owen hoffte, daß Hazel und ihre anderen Versionen weiterhin seinem Beispiel folgten und nichts vom Zaun brachen. Mit etwas Glück entlockte er vielleicht Mond hilfreiche Informationen, ehe sie das Ziel erreichten. Was wahrscheinlich ein guter Anfang war.

»Also«, fragte Owen beiläufig, »wohin gehen wir, Mond?«

»Ins Stadtzentrum«, antwortete der Hadenmann mit seiner kratzenden, summenden Stimme. »Wir möchten euch so vieles zeigen, Erlöser! Vieles, das Ihr möglich gemacht habt.«

»Wir waren Verbündete während der Rebellion. Warum habt Ihr Euch jetzt gegen die Menschheit gewandt?«

»Wir folgen unser Programmierung. Den Imperativen der Genetischen Kirche. Der Vervollkommnung der Menschheit.

Wir bringen allen die Gabe der Transformation.«

»Was, wenn nicht jeder sie wünscht?«

»Eine solche Reaktion wäre eindeutig unlogisch und wird demzufolge mißachtet. Wir tun, was wir tun müssen. Was nötig ist.«

Wie es schien, hatte Mond recht damit, er verfüge nicht mehr über die alte Persönlichkeit. Seine Antworten hätten von jedem aufgerüsteten Menschen stammen können. Tobias Mond war anders gewesen. Er hatte einen großen Teil seines Lebens unter Menschen verbracht und unwillkürlich menschliche Eigenschaften übernommen. Er hatte immer geäußert, er wünschte sich nichts weiter, als bei seinem Volk zu weilen, ein Hadenmann unter Hadenmännern, aber selbst dabei war er nicht sicher gewesen, ob sie ihn so akzeptieren würden, wie er sich entwickelt hatte. Letztlich starb er, ehe Owen die Gruft der Hadenmänner öffnen konnte, und erlebte somit deren Wiedergeburt nicht mit. Jetzt war er wieder da, lebte, wie er es sich immer gewünscht hatte, und verstand es nicht mal zu würdigen, weil Hadenmänner keine derartigen Gefühle kannten.

Owen verspürte einen unklaren Zorn.

»Ihr verfügt über Monds Erinnerungen«, sagte er scharf. »Ihr erinnert Euch an mich und Hazel. Wir waren Freunde. Was empfindet Ihr heute uns gegenüber?«

»Hadenmänner haben tatsächlich Gefühle«, sagte Mond unerwartet. »Sie sind nur… verschieden von menschlichen Gefühlen. Sie entstehen aus unserem Verstand, nicht aus einem chemischen Ungleichgewicht im Körper. Ihr müßt verstehen, daß wir viel aufgeben, um Hadenmänner zu werden. Unsere Geschlechtlichkeit wird entfernt, ebenso andere überflüssige Begehrlichkeiten und Bedürfnisse, und daher leiten sich unsere Gedanken und Triebkräfte aus anderen Quellen her als Eure.

Wir geben menschliche Schwächen auf, um uns höherzuentwickeln, um Teil eines größeren Ganzen zu werden. Wir fühlen weder Schmerz noch Verzweiflung, weder Hitze noch Kälte.

Wir sind nie allein. Meine Gedanken sind logisch, meine Träume mathematische Abläufe. An mir ist weit mehr als die kaum funktionsfähige Kreatur, die Ihr früher kanntet.«

»Bemühe dich nicht, zu ihm durchzudringen«, sagte Hazel.

»Ich habe es damals auf Haden oft genug versucht. Dabei ist von dem Mond, den wir kannten, ohnehin nichts übrig.«

»Ich entsinne mich«, warf Mond ein. »Ihr habt mich wegen Blutes angesprochen. Benötigt Ihr mehr davon?«

»Nein«, sagte Hazel. »Ich brauche es nicht mehr.«

»Sehr klug«, fand Mond. »Es ist dem menschlichen Organismus sehr abträglich.«

»Menschlich zu sein, das hat Euch zu Dingen befähigt, die sich Euch jetzt wohl wieder entziehen«, sagte Owen. »Erinnert Ihr Euch, wie Ihr gestorben seid, Mond? Ihr habt gerade versucht, die Steuerung einzuschalten, die die Gruft der Hadenmänner öffnete, als die Grendelkreatur angriff. Ihr habt gekämpft, wurdet aber zerrissen; die Kreatur rupfte Euch mit den bloßen Händen den Kopf von den Schultern. Sie fraß schon an Euch, als ich sie fand und tötete. Ich versuchte die Gruft zu öffnen, verfügte jedoch nicht über die Zugangskodes. Nur Ihr kanntet sie. Und Ihr kehrtet von den Toten zurück, um sie mir zu nennen, habt sie mit toten Lippen ausgesprochen. Ohne Eure Hilfe hätte ich die Gruft nicht öffnen können. Erinnert Ihr Euch an irgend etwas davon?«

Mond betrachtete ihn ausgiebig und wandte schließlich den Blick ab. »Nein, ich weiß nichts mehr davon. Es klingt sehr unwahrscheinlich. Wahrscheinlich habt Ihr Euch das im Streß des Augenblicks nur eingebildet. Menschen passiert das schon mal.«

Owen beschloß, das Thema zunächst fallenzulassen, damit der Hadenmann darüber nachdenken konnte. Er war überzeugt, irgend etwas in Mond angerührt zu haben, selbst wenn der aufgerüstete Mann es leugnete. »Also, woher wußtet Ihr, wo Ihr uns findet, Mond?«