Выбрать главу

»Warum?« fragte Owen, ohne Mond anzublicken , die Stimme so kalt wie der Tod. »Wozu all dieses… Grauen?«

»Die Menschen haben sich verändert, seit wir zuletzt unter ihnen wandelten«, erklärte Mond ruhig. »Man findet Klone und Esper und angepaßte Menschen und sogar Wunderwirker wie Euch. Für uns ist entscheidend, die aktuelle Verfassung der Menschheit zu erforschen, ehe wir damit beginnen können, sie zu verbessern. Dieser ganze Turm ist nur ein großes Laboratorium, das dazu dient, die verborgene Wahrheit aufzudecken über das, was in unserer Abwesenheit aus der Menschheit geworden ist. Die Testpersonen werden auf ihre körperlichen und psychischen Grenzen hin geprüft, damit wir womöglich die uralte Frage beantworten können: Was ist dieses Wesen, das man Mensch nennt? Interessiert Ihr Euch für das, was wir bislang in Erfahrung gebracht haben? Unsere Testergebnisse haben sich als höchst erhellend erwiesen.«

Owen packte Mond am Arm und zwang ihn, sich umzudrehen, so daß sie einander von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. »Seid Ihr stolz darauf, Mond? Auf das, was Ihr und Euresgleichen mit lebenden, empfindungsfähigen Wesen angestellt habt?«

Mond reagierte betroffen auf die Frage. »Es ist nötig! Leid ist vorübergehend, Wissen ist ewig. Und keine der Testpersonen wird vergeudet. Wer die Tests überlebt, wird in einen Hadenmann umgewandelt und nie wieder Leid erfahren. Wer stirbt, liefert Körperteile für das Wohl aller. Und alles, was wir hier herausfinden, wird ins große Kompendium des Wissens der Hadenmänner aufgenommen. Durch eigenes Bemühen entwickelt sich der Mensch zu mehr, als er vorher gewesen ist. Das ist das Glaubensbekenntnis der Hadenmänner.«

»Aber was empfindet Ihr bei all dem?« wollte Owen wissen.

»Über das Grauen, das die Testpersonen empfinden, das Ihr ihnen zufügt?«

»Früher einmal«, antwortete Mond langsam, »hatte diese Frage womöglich eine Bedeutung für mich. Aber ich wurde seitdem… verbessert.«

»Den Teufel wurdet Ihr!« entgegnete Owen.

»Nur um das richtig zu verstehen«, mischte sich Bonnie Chaos ein. »Mir ist dieser ganze Hadenmännerscheiß neu.

Wollt ihr die Menschheit verbessern, indem ihr alles wegschnippelt, was uns zu Menschen macht?«

»Ich dachte, daß zumindest Ihr es vielleicht begreift«, sagte Mond. »Ihr wart nicht zufrieden mit dem, was die Natur aus Euch gemacht hat. Ihr habt Löcher in Euer Fleisch geschnitten, um Platz für Metall zu schaffen. Ihr habt flüchtigen Schmerz für künftigen Gewinn ertragen.«

»Nur weil ich Spaß daran hatte, Metallkopf. Es war meine Entscheidung. Ihr habt diesen Leute jede Entscheidung geraubt. Das ist unmenschlich. Und damit ist sofort Schluß.«

Ihre Hand zuckte blitzschnell zur Pistole an der Hüfte, aber die Hadenmänner ringsherum reagierten schneller. Fäuste mit Stahlknöcheln schlugen sie im Gleichklang zu Boden. Mitternachtsblau trat einen Schritt vor, nur um wieder stehenzubleiben, als die Hadenmänner, die sie umgaben, bedrohlich auf sie eindrangen. Bonnie wehrte sich, aber ihrer Gegner waren zu viele, und sie hatte nicht genug Platz. Hazel sah Owen an, aber dieser stand einfach nur da und unternahm nichts, wobei er sich zugleich nicht gestattete, den Blick abzuwenden. Fäuste der Hadenmänner durchschlugen Bonnies leichenblasse Haut und rissen ihr den Piercing-Schmuck aus dem Fleisch. Das Blut spritzte kräftig, und der Ausdruck in Bonnies Augen verschwamm. Schließlich hörte sie auf zu strampeln und lag reglos da, und die Hadenmänner zogen sich von ihr zurück.

Mitternacht bedachte Owen mit einem finsteren Blick. »Du hättest das verhindern können!«

»Ja«, sagte Owen. »Wahrscheinlich. Aber sie mußte auf die harte Tour lernen, wozu die Hadenmänner fähig sind. Ich bin schließlich nicht immer da, um Bonnie zu beschützen. Außerdem heilt sie wieder. Das ist nun mal ihre Gabe.«

»Du kaltherziger Mistkerl!« meinte Mitternacht.

»Manchmal trifft das zu«, bestätigte Owen. »Ihr seid nicht der einzige, der in einem harten Krieg harte Lektionen gelernt hat.«

Er trat vor und kniete neben Bonnie Chaos nieder. Ihr Gesicht war geschwollen und blutig und ein Auge komplett zu.

Sie atmete raspelnd, und der Mund stand offen und verriet, daß einige der vorderen Zähne fehlten. »Wie fühlt Ihr Euch?« fragte Owen sanft.

»Phantastisch«, antwortete Bonnie und bemühte sich, den Atem wieder zu beruhigen. »Gib mir eine Minute, und ich bin wieder auf den Beinen und verpasse den Mistkerlen eine Abreibung.«

»Nein, das werdet ihr nicht«, erwiderte Owen. »Das war deren Vorstellung von einer Warnung. Nächstes Mal bringen sie Euch einfach um. Auf diese Weise können wir sie nicht besiegen. Wir müssen mit Köpfchen einen Ausweg finden. Werdet Ihr jetzt bitte die Nummer der Soloheldin vergessen und Euch meiner Führung anvertrauen?«

Bonnie überlegte. »Wie viele Metallköpfe habe ich ausgeschaltet?«

»Weniger als einen.«

»Ich vertraue mich deiner Führung an.« Sie setzte sich auf und konzentrierte sich. Die Schwellungen im Gesicht gingen zurück, und das zugeschwollene Auge heilte in Sekunden.

Neue Zähne schoben sich aus dem verletzten Zahnfleisch.

Bonnie streckte sich locker wie eine Katze und stand geschmeidig auf, wobei sie breit grinste.

»O Mann, was für ein Rausch!« Sie funkelte die Hadenmänner an. »Nächstes Mal plane ich besser voraus.«

»Nächstes Mal«, entgegnete Mond, »finden wir für Euch einen Platz in unseren Labors. Wir haben Euch nur am Leben gelassen, um dem Erlöser einen Gefallen zu tun.«

»Ja«, warf Mitternacht kalt ein, »ich kann sehen, daß eine echt enge Beziehung zwischen dir und ihm besteht.«

Owen musterte sie. »Ihr seid angeblich Kriegerin. Erkennt Ihr nicht die Sinnlosigkeit eines Kampfes gegen überwältigende Chancen?«

»Wir haben das Labyrinth des Wahnsinns durchschritten!« entgegnete Mitternacht. »Nichts kann uns aufhalten!«

»Du hast dich noch nie Hadenmännern entgegenstellen müssen«, warf Hazel ein. »Falls du lebend aus dieser Sache herauskommen möchtest, höre auf Owen. Er weiß, was er tut.«

Mitternacht funkelte erst Hazel an, dann Owen, und wandte sich schließlich Bonnie zu, um ihr den Arm zu reichen, worauf Bonnie jedoch gar nicht angewiesen war. Hazel trat dicht an Owen heran.

»Sag mir, das das alles zu einem schlauen Plan gehört!« sagte sie leise.

»Es gehört alles zu einem schlauen Plan«, antwortete Owen.

»Jetzt versuch es noch mal in einem Ton, als ob du es ernst meinen würdest.«

»Zur Zeit versuche ich einfach, unser aller Leben zu retten«, sagte Owen leise. »Unsere Chancen hier gefallen mir wirklich nicht. Vielleicht würden wir es schaffen, vielleicht nicht. Ich möchte aber nicht auf die harte Tour herausfinden, daß die zweite Möglichkeit zutrifft.«

Hazel sah sich kurz um und zuckte unbehaglich die Achseln.

»Ich denke weiterhin, daß wir ihnen die Metallärsche versohlen könnten, wenn es sein muß, aber ich bin auch entschieden dafür, zuerst jede andere Option auszuprobieren. Setze Mond weiter unter Druck; ich denke, du dringst allmählich zu ihm durch. Seine letzten Antworten klangen beinahe menschlich.

Bleib kühl, Owen. Halte dich senkrecht. Ich kann sehen, wie hart das alles für dich ist.«

»Ist das so offenkundig? Wie sehr ich mir wünschte, hier alles niederreißen zu können? Was hier geschieht, ist abscheulich, unmenschlich, absolut böse. Es gleicht allem, wogegen wir im Imperium gekämpft haben. Aber entscheidend ist, daß wir lebendig hier herauskommen. Wenigstens einer von uns muß entkommen, um die Menschheit zu warnen.«

»Verstanden«, sagte Hazel. »Und nein, es ist nicht offenkundig. Die anderen kennen dich aber auch nicht so gut wie ich. Es erinnert dich an das Haus der Gebeine, nicht wahr? An das, was deinem Volk auf Virimonde widerfahren ist.«

»Ja. Nur ist das hier anders. Die meisten dieser armen Schweine leben noch, wenn auch in der Hölle. Also muß ich einen Plan entwickeln, der nicht nur die Hadenmänner beseitigt, sondern außerdem die Gefangenen befreit. Und da Pläne nicht unbedingt meine starke Seite sind…«