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Toby blieb in einer Entfernung stehen, von der er hoffte, daß sie ausreichend Sicherheit bot, und schenkte der teilweise schimmernden Gestalt sein schönstes professionelles Lächeln.

»Willkommen daheim, Kapitän Eilend, woher immer Ihr auch kommt. Ich bin sicher, Ihr habt Verständnis, wenn wir alle ein bißchen verwirrt sind. Vielleicht wärt Ihr so freundlich, uns… die tatsächliche Geschichte des Halben Mannes zu erzählen.«

Die menschliche Gesichtshälfte betrachtete ihn kalt. »Ich weiß genau, wie Eure Vorfahren meinen Vorgänger verfolgt haben. Ich hoffe doch, daß sich seitdem einiges geändert hat.«

»Oh, sicher«, antwortete Toby und kreuzte in Gedanken zwei Finger hinterm Rücken. »Nehmt Euch einfach Zeit, erzählt alles mit eigenen Worten und laßt keine der wirklich interessanten Einzelheiten aus.«

»Das reicht!« warf Elias Gutmann rasch ein. »Als Parlamentspräsident erkläre ich diesen Vorgang zu einer Frage der Sicherheit. Hört sofort auf zu filmen! Das komplette Band wird konfisziert, ehe Ihr geht.«

»Vergeßt es«, erwiderte Toby. »Wir senden live. Die Leute haben ein Recht auf die Wahrheit. Film weiter, Flynn.«

»Ich bin dabei, Boß.«

Gutmann winkte drängend, und eine große Zahl Sicherheitsleute stürmten vor, Schwerter und Schußwaffen einsatzbereit.

Sie bildeten einen Halbkreis, der um den Halben Mann und Toby und Flynn ausfächerte. Toby tat sein Bestes, um keine besorgte Miene aufzusetzen, und dankte Gott lautlos dafür, daß sie live auf Sendung waren. Gutmann würde es nicht wagen, ihn vor Millionen Zuschauern erschießen zu lassen. Zumindest dachte Toby das. Als Parlamentspräsident war Gutmann inzwischen eine Gestalt des öffentlichen Lebens und vom guten Willen der Öffentlichkeit abhängig. Toby hoffte nur, daß sich Gutmann darüber im klaren war.

»Genug!« sagte der Halbe Mann. »Ich möchte, daß das gesendet wird. Das ganze Imperium muß erfahren, was ich zu sagen habe.«

Die Sicherheitsleute sahen erst den Halben Mann an, dann Gutmann und schließlich einander. Vom ursprünglichen Halben Mann hatte man geglaubt, niemand könnte ihn umbringen, bis der Todtsteltzer es doch zuwege brachte, aber niemand wußte so recht, wie er es geschafft hatte. Der ursprüngliche Halbe Mann war auch für seinen äußerst kurzen Geduldsfaden berüchtigt gewesen sowie die vorbehaltlose Bereitschaft, jeden umzubringen, der ihm in den Weg geriet. Die Wachleute senkten einer nach dem anderen die Waffen, und Gutmann entschied sich rasch dafür, aus einer üblen Lage das beste zu machen, und gab würdevoll nach.

»Natürlich müßt Ihr Eure Geschichte erzählen. Kapitän Eilend. Ich bin sicher, das ganze Imperium verzehrt sich vor Verlangen nach Euren Worten.«

»Gut«, sagte der Halbe Mann, »denn was ich zu sagen habe, betrifft das Schicksal jedes einzelnen Lebewesens im Imperium.« Er blickte direkt in die Kamera, kümmerte sich nicht um die Politiker. »Der Hochstapler hat Euch zum Teil die Wahrheit gesagt. Ich wurde von Fremdwesen entführt und umgeformt, dabei jedoch entzweigeteilt, um zwei unnatürliche Dinge hervorzubringen, die Ihr vor Euch seht. In meinem anderen Selbst beherrschte das fremde Bewußtsein die Verbindung. Ein fremder Wille bewegte den Körper, und eine fremde Intelligenz sprach durch seinen Mund. Er erzählte Euch sorgfältig zurechtgelegte Lügen, um die Wahrheit und die realen Gefahren zu vertuschen. Die Fremdwesen, denen Ihr bis heute begegnet seid, sind nichts im Vergleich zum wirklichen Feind, der auf der Lauer liegt. Etwas lebt in der Dunkelwüste. Etwas Altes und Mächtiges und schaurig Böses. Diese Wesen nennen sich die Neugeschaffenen. Und bald schon werden sie aus der Dunkelwüste hervorkommen und alles vernichten, was lebt.«

Wieder trat eine lange Pause ein. Toby räusperte sich. »Was genau sind… die Neugeschaffenen?«

»Sie sind entsetzlicher, als man sich vorstellen kann. Mächtiger, als Hoffnung und geistige Gesundheit verkraften können.

Fremdartig im Vergleich zu allem, was Ihr als Leben kennt oder begreift. Sie sind gestorben und aus eigener Kraft ins Leben zurückgekehrt. Jetzt sind sie ewig. Und bald werden sie über Euch alle herfallen.«

»Aber wenn sie nicht sterben können und der Tod sie nicht aufzuhalten vermag«, fragte Toby, »wieso belästigen sie sich dann mit etwas Geringfügigem wie uns?«

»Euer Tod liefert ihren gewaltigen Maschinen Treibstoff. Eure Todesqual, über Jahrhunderte ausgedehnt, treibt ihre Maschinen an. Und Eure schreienden Seelen bieten ihnen Trost.

Diese Wesen bestehen aus dem Stoff der Dunkelheit und ertragen das Licht nicht. Also sind sie bestrebt, es auszulöschen, wo immer sie es antreffen, um das ganze Universum in endlose Nacht zu tauchen. Und sie herrschen auf ewig in der Dunkelheit.«

»Wie zum Teufel sollen wir gegen so etwas kämpfen?« wollte Toby wissen.

Der Halbe Mann sah ihn zum ersten Mal an. »Ihr könnt es nicht.«

Jakob Ohnesorg schaltete den Holoschirm aus. »Das war das Wesentliche. Danach kam es nur noch zu Auseinandersetzungen und Panik und einem endlosen Lauf im Kreise. Der Halbe Mann, falls er das wirklich ist, gestattete den Wachleuten schließlich, ihn zu einer gründlichen Befragung fortzubringen, bei der es hoffentlich auch darum geht, wo er die ganze Zeit gesteckt hat. Mein aktueller Stand ist, daß die Abgeordneten immer noch im Plenum sitzen, nach immer weiteren Expertenmeinungen rufen und sich derbe in die Hosen machen.«

»Falls dieser Halbe Mann nicht das ist, wofür er sich ausgibt«, fragte Ruby langsam, »was zum Teufel ist er dann? Eine Furie?«

»Gute Frage«, fand Jakob. »Ich denke jedoch, daß selbst die abtrünnigen KIs von Shub nicht über die nötige Technik verfügen, ein derartiges lebendes Energiefeld zu erzeugen. Das Imperium hatte für Jahrhunderte Zugang zum ursprünglichen Halben Mann und fand nie heraus, wie er funktionierte.«

»Aber falls er echt ist, dann muß auch seine Botschaft zutreffen.«

»Nicht unbedingt. Die ganzen Jahre der Folter und Gefangenschaft haben ihn womöglich verrückt gemacht. Oder er hat alle möglichen Gründe, um zu lügen. Er hat kein Wort darüber verloren, wo er war, wer genau ihn gefangenhielt oder wie er schließlich entkam. Er hat bereits zugegeben, daß eine fremde Intelligenz aus dem ursprünglichen Halben Mann gesprochen hat. Vielleicht haben dessen Schöpfer nur ein neues Spielzeug geschickt, nachdem das alte kaputt war. Nein, wir haben vieles nicht erfahren, und solange wir nicht mehr wissen, finde ich nicht, daß wir der Botschaft oder dem Sendboten übertrieben viel Glauben schenken sollten.«

»Er hatte recht mit dem Hinweis, daß etwas in der Dunkelwüste lebt. Denkst du nicht, wir sollten…«

»Nein, das denke ich nicht«, entgegnete Jakob entschieden.

»Auf uns wartet ein eigener Auftrag. Achten wir doch darauf, nicht abgelenkt zu werden. Zunächst müssen wir herausfinden, wie böse Shub uns schon am Haken hat. Alles andere kann warten.«

»Es muß wundervoll sein, sich so konzentrieren zu können.«

Ruby zuckte ärgerlich die Achseln. »Mir gefällt nichts von alledem. Ich werde das Gefühl nicht los, daß wir, egal was wir unternehmen, immer mehr den Boden unter den Füßen verlieren.«

»Falls nicht wir, wer dann?« hielt ihr Jakob entgegen. »Für uns spricht viel mehr als für jeden anderen.«

Ruby seufzte und zuckte erneut die Achseln. »Wo fangen wir an?«

»Bei Robert Feldglöck, dem frisch ernannten Kapitän der Elementar. Wir wissen, daß seine Familie Umgang mit Shub hatte, bis die Wolfs die Feldglöcks bei einer ausgesprochen-feindlichen Übernahme fast vernichteten. Sehen wir mal, was Robert uns sagen kann.«

»Und falls er nicht mit uns reden möchte?«

Jakob lächelte. »Dann darfst du ein bißchen mit ihm spielen.