Er deutete dabei aufs Bett. Jakob entschied, daß es seiner Würde bekömmlicher wäre, wenn er stehen blieb. »Gut, daß Ihr uns so kurzfristig empfangt, Kapitän.«
»Eure Botschaft war nicht sehr deutlich«, sagte Robert stirnrunzelnd. »Tatsächlich grenzte sie ans Vage. Jeden anderen hätte ich rundweg abgewiesen. Tausend verschiedene Aufgaben warten auf mich, damit dieses Schiff seinen Starttermin einhält. Falls jedoch der legendäre Jakob Ohnesorg und die berüchtigte Ruby Reise es wichtig finden, daß wir uns sehen, dann ist es das wahrscheinlich auch. Stellt Eure Fragen.«
»Ich war nicht sicher, Euch noch hier anzutreffen«, sagte Jakob. »Tatsächlich ist mir zu Ohren gekommen, daß Ihr vielleicht den Dienst quittieren würdet, um der Feldglöck zu werden, das Oberhaupt Eures Clans.«
Robert schnitt ein finsteres Gesicht. »Eine Menge Druck wurde auf mich ausgeübt, um genau das zu tun, aber… die Flotte ist mein Leben, Sir Ohnesorg. Sie ist alles, was ich mir je gewünscht habe. Und so rasch Kapitän zu werden… Ich trage jedoch tatsächlich Verantwortung auf Golgatha. Somit bin ich hin- und hergerissen zwischen der Aufgabe als Flottenoffizier, beim Wiederaufbau des Imperiums zu helfen, und der familiären Verantwortung, den überlebenden Clanangehörigen beizustehen, damit sie den Clan Feldglöck wieder beleben können. Ich bin nicht der einzige Kandidat für den Titel, aber die Idee, einen offiziellen Kriegshelden zum Clanoberhaupt zu erheben, hat für viele seinen Reiz. Zur Zeit jongliere ich mit beiden Aufgaben, bis ich zu einer Entscheidung gelange, wo meine wirkliche Pflicht liegt.«
»Einmal Aristo, immer Aristo«, behauptete Ruby.
Robert bedachte sie mit einem kalten Lächeln. »Einmal Kopfgeldjäger, immer Kopfgeldjäger.«
»Wir haben während der Rebellion vielleicht auf gegnerischen Seiten gestanden«, unterbrach Jakob die beiden rasch.
»Ich vertraue jedoch darauf, daß wir beide heutzutage um das Wohl des Imperiums besorgt sind. Wir müssen bestimmte Dinge erfahren, Kapitän. Dinge, die nur Ihr uns erzählen könnt.
Über den Clan Feldglöck und seine früheren Geschäfte mit den abtrünnigen KIs von Shub.«
Robert nickte langsam. »Ich wußte immer, daß das letztlich ans Licht kommen würde. Aber so etwas… Falls ich Euch sage, was ich weiß und was wenig ist, dann benötige ich Eure Zusage, daß Ihr es für Euch behaltet, so lange es nur geht.«
»Wir könnten dich zum Reden zwingen«, stellte Ruby fest.
»Wahrscheinlich«, pflichtete ihr Robert bei. »Aber nicht leicht und nicht schnell. Und falls durchsickern würde, daß Jakob Ohnesorg an der Folterung eines echten Kriegshelden beteiligt war…«
»Ich habe stets getan, was ich für nötig hielt«, sagte Jakob.
»Und zur Hölle mit den Folgen. Aber ich sehe bislang keine Notwendigkeit, gewalttätig zu werden. Warum sollte ich Euer Geheimnis wahren, Feldglöck? Überzeugt mich.«
»Weil sich meine Familie zur Zeit in einer sehr delikaten Lage befindet. Die Wolfs haben uns fast ausgelöscht. Sie jagten uns auf den Straßen, zerrten uns aus sicheren Unterschlüpfen, zeigten keinerlei Gnade. Kaum jemand hat gewagt, uns zu helfen. Einige von uns überlebten aufgrund ihrer Stellung in den Streitkräften. Andere durch Mittel, auf die wir nicht unbedingt stolz sind. Aber die Lage hat sich gewandelt.
Der Schwarze Block hat alle Blutfehden für beendet erklärt, für null und nichtig. Er versucht, so viele Familien wie möglich zu stärken, um seine Machtbasis zu vergrößern. Somit hat der Clan Feldglöck von den Wolfs nichts mehr zu befürchten, und seine überlebenden Angehörigen können endlich wieder aus dem Schatten hervortreten. Ohne ein Familienoberhaupt werden jedoch widerstreitende Fraktionen den Clan unausweichlich von innen zerreißen. Und wenn jetzt ein solches Geheimnis ans Licht käme – der scheinbare Verrat an der Menschheit selbst –, würde es uns für immer verruchten. Ich brauche Euer Wort, Jakob Ohnesorg, ehe ich mein Wissen mit Euch teilen kann. Ich vertraue Eurem Wort.«
»Und meinem nicht?« fragte Ruby Reise.
»Natürlich nicht. Ihr seid Kopfgeldjägerin.«
»Sehr klug. Sag ihm, er soll sich zum Teufel scheren, Jakob.
Wer schert sich darum, falls eine weitere Familie verschwindet? Sollen sie doch alle verrecken!«
»So einfach ist das nicht, Ruby. Ein gemäßigter, verantwortungsbewußter Clan könnte viel dazu beitragen, die extremeren Bestrebungen des Schwarzen Blocks zu entschärfen.
Und falls es einen Clan Feldglöck geben soll, dann ist mir lieber, wenn ihm ein echter Kriegsheld vorsteht als ein Unbekannter. Ihr habt mein Wort, Kapitän.«
»Du wirst weich, Ohnesorg.«
»Jetzt nicht, Ruby. Kapitän, ich werde Euer Geheimnis solange wahren, wie ich es mir gegenüber rechtfertigen kann.
Und Ruby wird meinem Beispiel folgen. Für andere kann ich jedoch nicht sprechen. Baut Euren Clan also wieder auf, solange Ihr könnt, Kapitän, und tut es auf festem Fundament. Denn die Flut wird kommen.«
»Verstanden«, sagte Robert. Er wischte sich das Gesicht mit dem Handtuch ab und warf letzteres zur Seite. Er wirkte auf einmal älter. »Ihr müßt wissen, daß ich nie Anteil an der Hauptverschwörung hatte. Ich denke, man hat mir nicht genug vertraut. Das grundlegende Abkommen bestand darin, daß wir Shub das Geheimnis des neuen Hyperraumantriebes lieferten, als Gegenleistung für fortschrittliche Tech, damit unsere Fabriken an vorderster technologischer Front im Imperium blieben.
Wir hatten nie direkt mit den abtrünnigen KIs zu tun; es lief immer über eine Reihe von Vermittlern, bei denen die rechte Hand nicht wußte, was die linke tat, so daß wir glaubhaft jede Mitwisserschaft leugnen konnten, falls es nötig wurde. Finlay hat gesagt, es wäre ein Schwindel gewesen, die Familie hätte nie wirklich vorgehabt, den abtrünnigen KIs die Antriebstechnik der Fremdwesen auszuliefern. Ich selbst weiß nicht, ob das zutrifft oder nicht. Finlay war nie Clanoberhaupt. Sein Vater Crawford aber war es, und er war wirklich zu allem fähig, um zu bekommen, was er wollte. Und so schickte Shub uns Technik, und wir machten Ausflüchte, und die Beziehung nahm ihren Fortgang. Niemand nahm jemals das Wort Verrat in den Mund. Oder das, was geschehen würde, falls Shub zu dem Schluß gelangte, wir würden niemals liefern. Dann griffen jedoch die Wolfs an, und es wurde ohnehin alles gegenstandslos.
Als der Clan Feldglöck gestürzt und zerstreut war, erfuhren die Wolfs von dem Abkommen und übernahmen es selbst. Valentin führte sie damals bereits. Ein Mann, der zu absolut allem fähig ist. Und soweit reichen meine persönlichen Kenntnisse.«
Jakob sah finster drein. »Habt Ihr eine Ahnung, ob irgendwelche anderen Familienmitglieder mehr wissen könnten?«
»Im Grunde nicht. Die wenigen, die fast mit Sicherheit alle Details kannten, wurden getötet, als die Wolfs den Turm der Feldglöcks stürmten. Nichts ist je aufgezeichnet worden aus leicht erkennbaren Gründen. Die einzigen Überlebenden, die womöglich etwas wissen, sind Finlay und seine Gattin Adrienne. Obwohl letztgenannte, da sie nur eine eingeheiratete Feldglöck ist, wahrscheinlich nur am Rande informiert wurde, wie ich. Und was Finlay angeht… Ihr müßtet ihn schon selbst fragen. Erwartet allerdings nicht zuviel von ihm. Schon seit einiger Zeit frißt das Leben an seinem Verstand, und ich habe keine Ahnung, wieviel noch davon übrig ist.«
»Du magst ihn nicht, wie?« fragte Ruby.
»Er ist ein verrückter Mörder. Wenn ich daran zurückdenke, wie er das Böse in ihm hinter der Maske eines Stutzers bei Hofe tarnte, dann gefriert mir das Blut in den Adern. Ein Werwolf mit roten Fängen und Klauen bewegte sich unter uns, und wir ahnten es nicht. Aber nichts davon ist wichtig. Er gehört immer noch zur Familie.«
»Reden wir über den Schwarzen Block«, schlug Jakob diplomatisch vor. »Was wißt Ihr darüber?«