»Nicht viel«, antwortete Robert. »Ich wurde in früher Kindheit zu ihm geschickt, aber es kam zu einer Auseinandersetzung in der Familie, und sie holte mich zurück, ehe ich in eines der Mysterien eingeweiht werden konnte. Crawford fand, daß der Clan mehr Einfluß in den Streitkräften benötigte, und so landete ein Dutzend von uns in der Armee und der Raumflotte.
Für mich war es das beste, was mir je widerfahren ist. Ich mußte beweisen, was ich wert war. Und ich tat es.
Ich denke nicht, daß Crawford dem Schwarzen Block je über den Weg getraut hat, selbst damals nicht. Er hegte stets den Verdacht, die Organisation könnte eigene Ziele entwickeln.
Schon damals argwöhnten Leute, daß die Absolventen des Schwarzen Blocks ihre Treue erst diesem schuldeten und in zweiter Linie einzelnen Familien. Ich sage Euch eins: Viel mehr Leute haben das Schwarze Kolleg durchlaufen, als Ihr ahnt. Oder als die Familien je zugeben würden. Ihr würdet doch nicht erwarten, daß sich eine Macht wie die Familien für jede beliebige Gruppe auf den Rücken dreht, oder? Sie haben in Euer Abkommen eingewilligt, weil sie keine andere Wahl hatten. Die Clans beugen sich dem Schwarzen Block, weil ihre heranwachsenden Generationen nicht mehr ihnen gehören. Sie gehören mit Leib und Seele dem Schwarzen Block.
In seinem Kern lauern nur Geheimnisse und Rätsel. Das Schwarze Kolleg. Die Rote Kirche. Die Hundert Hände. Namen, die nur flüsternd genannt werden. Niemand weiß heute mehr, wer den Schwarzen Block leitet oder welche Absichten er verfolgt. Es spielt auch keine Rolle. Seine Leute sind überall. Auch in hohen Positionen. Ihr wärt überrascht.«
»Ich bezweifle es«, entgegnete Ruby. »Mich überrascht nicht mehr viel. Und ich habe den Familien nie vertraut, und auch niemandem, der mit ihnen in Verbindung steht.«
»Wie ausgesprochen klug«, fand Robert.
Jakob mischte sich schnell ein. »Was ist mit Finlay? Irgendeine Idee, wo wir ihn finden könnten?«
»Er ist genau dort, wo Ihr ihn auch erwarten würdet«, sagte Robert. »So dicht an Blut und Tod und Wahnsinn, wie er nur kommen kann. Er lebt in der Arena.«
In der Stadt auf Golgatha, die Parade der Endlosen heißt, geht jeder in die Arena. Um mitzuerleben, wie Menschen gegen Menschen kämpfen, einzeln oder gruppenweise, oder wie Menschen gegen Fremdwesen kämpfen oder Fremdwesen gegeneinander. Solange nur jemand umkommt. Blut ist Blut, egal von welcher Farbe. Niemals bleibt ein Platz auf den Tribünen oder in den Logen frei, und Jahreskarten werden von einer Generation auf die nächste vererbt. Die Arena ist das einzige, was alle Klassen des Imperiums gemeinsam haben.
Niemals kommt es zu einem Mangel an Freiwilligen, die ihr Leben und ihre Ehre auf dem blutgetränkten Sand riskieren – für Reichtum oder Privilegien oder einfach nur den Beifall der Massen. Ein paar verdienen auf diese Weise gar ihren Lebensunterhalt – eine Zeitlang wenigstens. Und der größte Kämpfer von allen, gegen den jeder Mann kämpfen und mit dem jede Frau ins Bett gehen wollte, der Mann, der nie eine Herausforderung ausschlug, war jene geheimnisvolle und rätselhafte Gestalt unter einem anonymen Stahlhelm, die man den Maskierten Gladiator nannte.
Zwei Männer trugen diese Maske, obwohl die Zuschauer das nie erfuhren. Der erste hieß Georg McCrackin, der unbesiegt zurücktrat, als er zu dem Entschluß gelangte, daß er zu alt und zu langsam wurde. Er bildete Finlay Feldglöck zu seinem Nachfolger aus. Georg McCrackin kam während der Rebellion ums Leben, während er den anonymen Helm trug, und Toby Shreck nahm ihm im Rahmen einer Live-Sendung die Maske ab.
Finlay hatte sich aus vielerlei Gründen aus der Arena zurückgezogen, aber er behielt weiterhin das alte Quartier in der Wohnsektion tief unter dem blutigen Sand. Es war sehr bescheiden, aber ihm machte das nichts aus. Hier fand ihn wenigstens niemand, und hier konnte er sich ausruhen und schlafen und planen, wie er am besten seinen alten Widersacher Valentin Wolf aufspürte und ermordete. Die Klon- und Esper-Bewegungen hatten ihm Valentins Kopf auf einer Stange versprochen, als Gegenleistung für seine Dienste als Attentäter, aber jetzt, wo die Rebellion vorüber war, schienen sie viel zu beschäftigt, um sich an alte Freunde und Versprechungen zu erinnern, und so entschied Finlay, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Er konnte nicht einfach ein Schiff anwerfen und losfliegen.
Das Parlament hatte ihm einen offiziellen Status wie dem Todtsteltzer und dieser d’Ark verweigert. Es traute ihm nicht.
Einige dachten nicht ganz ohne Grund, er könnte einen solchen Status nutzen, um sie zu verfolgen. Und so versagten sie ihm eine Rolle in ihrer heißgeliebten neuen Ordnung und ließen ihn von Spionen überwachen. Finlay brachte hin und wieder ein paar von denen um, nur damit die übrigen nervös blieben. Ruhig und unauffällig bereitete er sich auf seine Mission vor. Und so erstaunte es ihn doch ganz schön, als jemand ganz unverblümt an seine Tür klopfte.
Geschmeidig stand er von dem ungemachten Bett auf, wo er auf dem Rücken gelegen und an nichts Besonderes gedacht hatte, und zog den Disruptor aus dem Halfter, der am Bettpfosten hing. Lautlos tappte er zur Tür hinüber und lauschte einen Augenblick lang. Erneut wurde geklopft.
»Wer da?« fragte Finlay.
»Jakob Ohnesorg und Ruby Reise. Wir hätten gern unauffällig ein Wort mit Euch gewechselt. Falls es nicht zu ungelegen kommt.«
Finlay zog eine Braue hoch. Er hatte nie viel Kontakt zu den legendären Helden gehabt, weder während der Rebellion noch anschließend, und so hatte er keinen Schimmer, warum sie ihn jetzt aufsuchten. Aber falls schon nichts sonst, so konnte sich ihr Besuch wenigstens als interessant erweisen, und eine Pause in seiner Brüterei kam ihm gerade recht. Er öffnete die beiden Schlösser und zog drei Riegel zur Seite, die er noch zusätzlich montiert hatte. Rasch trat er zurück, während er die Tür aufriß.
Jakob und Ruby standen allein und mit leeren Händen auf dem Korridor. Sie betrachteten die Schußwaffe in seiner Hand, mit der er auf sie beide zielte, sagten aber nichts. Finlay lud sie mit einem Wink der freien Hand ein, hereinzukommen, und ging dann um sie herum, um die Tür wieder abzuschließen und zu verriegeln.
»Man kann heutzutage gar nicht vorsichtig genug sein. Nicht, wenn man so viele Feinde hat wie ich.«
»Vertraut mir«, sagte Jakob, »ich kenne das Gefühl.«
»Macht es Euch bequem«, forderte Finlay sie auf. »Tut mir leid, daß es hier so aussieht, aber ich habe das Zimmermädchen erschossen.«
Er lächelte, um zu zeigen, daß das ein Scherz gewesen war, und Jakob und Ruby erwiderten das Lächeln, ehe sie vorsichtig weiter ins Zimmer kamen. Sie sahen sich nach Sitzgelegenheiten um. Hier sah es wirklich fürchterlich aus. Jakob und Ruby mußten über etliche Sachen hinwegsteigen, um zwei ramponiert wirkende Stühle zu erreichen. Schmutzige Wäsche lag in einer Ecke aufgehäuft; schmutziges Geschirr türmte sich im Spülbecken der winzigen Kochnische. Etliche Wurfmesser steckten in der Tür. Jakob staubte die Sitzfläche seines Stuhls ab, ehe er Platz nahm. Ruby scherte sich nicht darum. Finlay setzte sich auf die Bettkante und hielt weiterhin den Disruptor auf seine Gäste gerichtet. Sein Blick war kalt und fest, und auch die Hand zitterte nicht.
»Also«, sagte er ruhig, »was führt solche illustre Gesellschaft in mein kleines Schlupfloch, von dem niemand etwas wissen sollte?«
»Robert hat uns gesägt, wo wir Euch finden«, erklärte Jakob.
»Ah«, sagte Finlay. »Letztlich ist es immer die Familie, die Verrat an einem Menschen übt.«
»Wir müssen mit dir reden«, sagte Ruby. »Es gibt Dinge, die wir nur von dir erfahren können.«
»Da habt Ihr recht«, versetzte Finlay. »Ich weiß alles mögliche. Deshalb möchten mich so viele Leute zum Schweigen bringen. An welches spezielle schmutzige kleine Geheimnis habt Ihr gedacht?«