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»Ich zeige mich heute von der allerbesten Seite, Addie. Ich verspreche, daß ich meine Fingernägel von all dein festgeklebten Blut darunter gereinigt habe, ehe ich aufgebrochen bin.«

Adrienne musterte ihn zweifelnd und führte ihn dann den Korridor hinunter in den Salon. Finlay gab sich Mühe, einen ruhigen und entspannten Eindruck zu verbreiten, obwohl sich sein Bauch verspannte und das Herz raste. Nicht einmal vor Auftritten in der Arena war er so nervös gewesen. Aber andererseits fiel ihm das Kämpfen auch leicht. Menschen waren es, die er immer schwierig fand. Und mit Kindern hatte er nie viel Kontakt gehabt. Er hatte Evangeline gefragt, wie er sich verhalten solle, aber sie hatte nur gelacht und ihm empfohlen, sie wie kleine Erwachsene zu behandeln. Das war keine große Hilfe. Die wenigen Dinge, über die er sich mit Erwachsenen unterhielt, umfaßten auch Aspekte, die seiner Meinung nach für Kinder überhaupt nicht geeignet waren. Trotz langen Nachdenkens und trotz Übungen vor dem Badezimmerspiegel wußte er tatsächlich immer noch nicht, was er Troilus und Cressida sagen sollte. Ihm kam auch allmählich der Gedanke, daß er Geschenke für sie hätte mitbringen sollen. Er spürte, wie ihm kleine Schweißperlen auf die Stirn traten.

Allzu rasch erreichte er den Salon, und Adrienne bedeutete ihm mit einem Wink, auf einen kleinen Jungen und ein kleines Mädchen zuzutreten, die ihn beinahe in Habachtstellung erwarteten. Sie trugen eindeutig ihre besten Sachen und waren gewaschen und gepflegt worden, als ginge es ums Leben. Ihre ernsten Gesichter und großen Augen zeigten, daß sie nicht weniger nervös waren als Finlay, was ihm tatsächlich ein wenig half. Er versuchte, sich im etwas pummeligen Gesicht des Knaben wiederzuerkennen, mußte aber einräumen, daß es ihm nicht gelang. Wenigstens erinnerte ihn das Mädchen mit den krausen blonden Haaren an ihre Mutter. Adrienne hüstelte vielsagend, und der Junge verneigte sich formgerecht, während das Mädchen einen Knicks machte, wenn auch ein klein wenig unsicher. Finlay nickte ihnen zu und bemühte sich angestrengt, freundlich zu lächeln. Wenn er das leise Stirnrunzeln bedachte, das er damit bei ihnen hervorrief, mußte er wohl davon ausgehen, daß sein Lächeln kein großer Erfolg war.

»Danke für die Geschenke, Vater«, sagte Troilus leicht atemlos, aber in gleichmäßigem Tonfall. »Das war sehr nett von dir.«

Finlay war für einen Moment aus dem Konzept. Aber natürlich, Adrienne mußte gewußt haben, daß er nicht rechtzeitig daran denken würde, und war ein weiteres Mal für ihn eingesprungen. »Hallo, Troilus, Cressida«, sagte er, so sanft er konnte. »Schön, euch zu sehen. Es ist lange her, wie? Zu lange.«

»Wir haben dich in den Nachrichten gesehen«, sagte der Junge. »Während der Rebellion. Sie sagten, du wärst ein Held.«

»Ich habe meine Pflicht getan«, bemerkte Finlay. »Ich habe für etwas gekämpft, woran ich glaubte. Etwas Wichtiges.

Wenn du älter bist, Troilus, und in den Mannesstand trittst, wirst du als Feldglöck das gleiche tun.«

»Das denke ich nicht«, entgegnete Troilus. »Es hat nicht so ausgesehen, als würde ich sowas gerne tun. Ich denke, ich werde viel lieber Tänzer.«

»Ah«, sagte Finlay. »Na ja, ich bin sicher, das Imperium wird immer… Tänzer benötigen.« Er wandte sich hilfesuchend an Adrienne.

»Ballett«, erklärte sie rundheraus. »Er ist sehr gut darin.«

»Ich verstehe«, sagte Finlay. Er versuchte, sich seinen Sohn und Erben bildhaft vorzustellen, wie er in Strumpfhose und Ballettröckchen über eine Bühne tänzelte, aber es gelang ihm nicht. Er wandte sich an Cressida. »Und was möchtest du werden, wenn du groß bist?«

»Ich werde Nonne«, erklärte das Mädchen feierlich. »Ich trete in die Kirche ein und diene unter der Heiligen Beatrice.«

»Ich verstehe«, sagte Finlay. Er blickte Adrienne an. »Ist das deine Idee von einem Scherz? Eine Art verrückte Vergeltung?

Die Feldglöcks sind seit eh und je Krieger! Männer mit Blut in den Adern, nicht Milch! Wer zum Teufel wird die Feldglöcks führen, wenn ich nicht mehr bin? Dieser Schwanenprinz hier?«

»Sprich leise!« ermahnte in Adrienne. »Du machst den Kindern Angst.«

»Warum nicht? Sie machen ja auch mir eine Mordsangst!

Das ist nicht die richtige Erziehung für einen Feldglöck! Da draußen lauert eine böse Welt, in der alle Arten von Leuten nur darauf warten, über unsere Kinder hinwegzutrampeln. Und wenn ich ihn mir so anschaue, bezweifle ich, daß Troilus ein Schwert jemals auch nur in der Hand gehalten hat.«

Die beiden Kinder drängten sich an ihre Mutter, klammerten sich an ihre Hände und kämpften mit den Tränen. Adrienne funkelte Finlay an und sagte kalt: »Es sind meine Kinder, nicht deine. Du hast das Mitspracherecht verloren, als du es mir überließest, sie allein großzuziehen. Und ich wollte verdammt sein, wenn ich mich daran orientierte, wie dein Vater dich erzogen hat. Ich wollte nicht, daß sie dir in irgendeiner Form ähnlich wurden. Ich wollte normale Menschen aus ihnen machen.«

»Ich bin nicht immer da, um sie zu beschützen!«

»Du warst nie da! Ich habe sie am Leben gehalten und für ihre Sicherheit gesorgt, ohne daß ich einmal zu dir rennen mußte.

Und die Welt, in der sie aufwachsen, wird in nichts deiner Welt ähneln. Das ist einer der Punkte, warum wir die Rebellion ausgefochten haben. Meine Kinder werden ihre Träume wahrmachen, und zum Teufel mit dem Erbe und der Tradition der Feldglöcks! Was hat beides dir mehr gebracht als Blut und ein gebrochenes Herz?«

Finlay ballte die Fäuste, während er um Selbstbeherrschung rang. Er war erst seit Minuten hier, und schon ging alles fürchterlich daneben. Adrienne war wütender, als er sie je erlebt hatte, und seine Kinder standen kurz davor, in Tränen auszubrechen. Er zwang sich dazu, die Fäuste wieder zu öffnen, und holte tief Luft, um sich zu beruhigen.

»Es tut mir leid. Ich wollte nicht laut werden. Es war nur… ein kleiner Schock. Warum hast du mir von all dem nichts erzählt, Addie?«

»Weil ich wußte, daß du so reagieren würdest. Ich hatte gehofft, wenn du erst die Kinder sähest, würdest du es leichter aufnehmen. Ich hätte wissen sollen, daß es eine schlechte Idee war. Du betrachtest die Kinder nur als Erweiterungen deiner Person, als jemanden, der in deine blutigen Fußstapfen tritt.

Und was soll dieser Mist über den Familienvorsitz? Du bist nicht der Feldglöck; Robert ist es. Seine Kinder werden den Clan führen, wenn überhaupt welche.«

»Ich hätte zum Feldglöck werden können, falls ich gewollt hätte. Mein Vater war früher das Oberhaupt. Die Position stand mir rechtmäßig zu, falls ich sie gewünscht hätte. Ich habe mich nur dagegen entschieden.«

»Weil du die Verantwortung nicht haben wolltest. Du hast immer nur an dich selbst gedacht.«

»Ich denke an Evangeline! Ich würde für sie sterben!«

»Tod«, sagte Adrienne. »Das ist alles, womit du dich auskennst, Finlay. Für jemanden zu sterben ist einfach. Für jemanden zu leben ist viel schwerer. Würdest du dein Leben für Evangeline ändern, für deine Kinder? Würdest du für sie aufgeben, was du geworden bist, was du aus dir selbst gemacht hast?«

»Ich weiß nicht, was du meinst.«

»Nein, das tust du nicht. Das ist ja so traurig. Ich denke, du gehst jetzt lieber, Finlay.«

»Was?« Er glotzte sie an. »Aber… ich bin gerade erst gekommen! Du kannst mich nicht einfach hinauswerfen. Ich wollte ja nicht schreien. Ich war nur durcheinander. Tu mir das nicht an, Adrienne. Ich wollte so viel sagen. Dir und den Kindern.«

»Ich denke, du hast genug gesagt. Für dich ist das nichts – Zuhause, Familie und Kinder. Du wüßtest ja nicht, was du damit anfangen solltest. Du würdest sie zerbrechen, ohne es zu wollen. Du warst immer zu grob beim Spielen, Finlay.«

»Addie… bitte. Zwinge mich nicht, zu gehen. Du weißt doch, wieviel mir das bedeutet!«

»Tue ich das? Ich dachte, ich wüßte es. Ich hoffte, ich wüßte es. Ich denke jedoch nicht, daß ich dich je wirklich gekannt habe, Finlay. Du hattest so viele Persönlichkeiten, unter denen ich mich entscheiden mußte. Aber letzten Endes, denke ich, waren sie alle nur Masken, Gesichter, die du der Welt gezeigt hast, damit man dein wirkliches Ich nicht sieht. Damit man dich nicht verletzen konnte. Vielleicht hat Evangeline die Masken durchschaut. Ich mache mir nichts mehr daraus, es noch mal zu versuchen. Ich denke, du suchst den Tod, Finlay, suchst ihn wie eine Geliebte, und ich werde nicht dulden, daß du die Kinder mitnimmst. Es ist Zeit zu gehen, Finlay. Gehe jetzt.