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Manchmal buchstäblich. Deshalb pflanzten sich Esper auch nur untereinander fort, und die Kinder entwickelten lediglich das jeweils dominante Merkmal.

Und woher stammte all die Macht Dianas? Hatte die Über-Esperin womöglich eine unbekannte Kraftquelle innerhalb Diana Vertues angerührt und erweckt? Vielleicht etwas, das in der menschlichen Psyche so tief vergraben lag, daß nur eine nichtmenschliche Berührung den Lebensfunken übermitteln konnte? Und falls das stimmte, überlegte Diana leicht benommen, konnten dann alle Esper ihr gleich werden, falls man sie nur hart genug anstieß? Oder falls sie verrückt genug waren?

War sie, Diana oder Johana Wahn, in der Lage, andere zu berühren und ihr gleich zu machen? Waren alle Esper potentiell übermenschlich und wurden nur durch äußere Kräfte in künstlichen Grenzen gehalten? Zum Beispiel durch die Mater Mundi?

Diana zwang sich, diesen Gedankengang zu unterbrechen, und nahm einen tiefen und beruhigenden Schluck lauwarmen Tees aus der Tasse, die sie vor sich auf dem Tisch stehen hatte.

Nach all den Dateien, die sie ausgegraben hatte, wußte sie nicht wesentlich mehr als zu Beginn. Tatsächlich hatte sie viel mehr Fragen aufgestöbert als Antworten. Und obendrein verdammt beunruhigende Fragen. Kaum überraschend. Selbst nach fast dreihundert Jahren, die imperiale Wissenschaftler dieses Gebiet erforscht hatten, wußten selbst die besten von ihnen nicht wirklich, aus welchen Quellen sich die Kräfte eines Espers speisten.

Man hatte Esper zwangsweise dienstverpflichtet, kaum daß sie erschaffen worden waren, weil sie einfach so ungeheuer nützlich waren. Und später… hatte man davor gewarnt, dumme Fragen zu stellen.

Esper arbeiteten und sie waren Eigentum, und mehr brauchte niemand zu wissen.

Die Mater Mundi andererseits schien von niemandem erzeugt worden zu sein. Sie oder es war einfach spontan aus dem Nirgendwo aufgetaucht. In einer Minute hatte das Universum noch Sinn ergeben, und in der nächsten schon stand die Weltenmutter mitten im Getümmel. Sie schien an keinen speziellen Planeten gebunden zu sein. Frühere Manifestationen waren auf im ganzen Imperium verstreuten Welten erschienen. Diana war es nicht gelungen, ein Bindeglied zwischen ihnen oder einen gemeinsamen Nenner zu finden. Wo immer man Esper fand, fand man auch Gelegenheiten für die Mater Mundi.

Ihre Vorgehensweise hatte sich allerdings jüngst geändert.

Hatte sie sich ursprünglich nur in einzelnen Espern manifestiert, verknüpfte sie sie jetzt zu Gestalten, die weit mehr vollbrachten als Individuen. Und niemand litt später an schlimmen Nachwirkungen. Zumindest nicht an erkennbaren. Bislang nicht. Es schien, als würde die Weltenmutter stärker und fähiger, je mehr sie vollbrachte. Lernen durch Praxis. Diana lehnte sich zurück und spitzte nachdenklich die Lippen. Vielleicht fand sie etwas Nützliches heraus, wenn sie die Ergebnisse der Auftritte der Mater Mundi miteinander verglich. Womöglich das, was dieses Phänomen zu erreichen versuchte. Oder worauf es abzielte… Diana machte ein finsteres Gesicht. Und vielleicht handelte sie sich noch schlimmere Kopfschmerzen ein, als sie ohnehin schon hatte.

Zu lange arbeitete sie schon in einem Vakuum. Sie brauchte einen Gesprächspartner. Sie wandte sich vom Terminal ab und schaltete einen Bildschirm ein. Für private interplanetare Gespräche fielen heutzutage gewöhnlich lange Wartezeiten an, aber Diana genoß als Kriegsheldin und führende Nervensäge eine Priorität, die sie erbarmungslos ausnutzte. Es dauerte weniger als eine Minute, eine Verbindung nach Nebelwelt herzustellen, und bald blickte Investigator Topas ihr vom Bildschirm aus entgegen, das Gesicht wie immer völlig kalt und beherrscht.

»Hoffentlich ist es wichtig, Vertue. Ich bin beschäftigt.«

»Ihr seid immer beschäftigt, Investigator. Ich muß mit Euch über die Mater Mundi reden.«

»Da seid Ihr nicht die erste. Eine Menge Leute interessieren sich für sie und für das, was sie mit mir gemacht hat.«

»Was hat sie denn mit Euch gemacht?« wollte Diana wissen und beugte sich vor.

Topas runzelte die Stirn. »Sie hat mich verstärkt. Ich kann heute einiges vollbringen. Machtvolle Dinge. Ich bin nicht mehr nur eine Sirene, eine sendende Telepathin. Viele Leute fürchten mich inzwischen. Natürlich ist das auf Nebelwelt gewöhnlich von Vorteil. Aber diesmal läuft es… anders. Falls ich es nicht besser wüßte, würde ich schwören, daß es religiöse Ehrfurcht ist. Seit ein paar Tagen bringen mir die Leute ihre kranken Kinder und bitten mich, sie durch Auflegen der Hand zu heilen.«

»Und?« fragte Diana fasziniert.

Topas schniefte, und es klang beinahe verlegen. »Na ja…

Ich war neugierig. Also habe ich ein paar objektive Tests durchgeführt. Das war vielleicht hilfreich! Niemand hat sein Bett aufgehoben und ist losgelaufen. Hindert die Leute allerdings nicht, weiterhin zu kommen. Ich lasse die Besucher heute von meinen Sicherheitsleuten sortieren. Vor meinen Feinden kann ich mich schützen, aber Gott bewahre mich vor Möchtegernjüngern! Eine Gruppe hat mir tatsächlich eine Kirche errichtet.«

»Was ist passiert?«

»Ich habe sie niedergebrannt. Was verstanden wurde. Warum stellt Ihr mir diese Fragen, Vertue?«

»Ich wollte herausfinden, ob Ihr die gleichen Veränderungen durchlebt habt wie ich. Die Mater Mundi hat viele Leute auf Nebelwelt zusammengeführt. Wurden bei irgend jemandem davon beachtenswerte Veränderungen festgestellt?«

»Vertue, jeder hier ist damit beschäftigt, Nebelhafen wieder aufzubauen. Wir arbeiten sechzehn Stunden am Tag, und niemand von uns findet genug Schlaf. Das macht uns alle ganz schon griesgrämig. Ich kann jedoch nicht behaupten, mir wäre irgendwas… Ungewöhnliches aufgefallen. Ich muß jetzt los.

Belästigt mich nicht wieder ohne einen verdammt guten Grund!«

Der Bildschirm wurde dunkel, als Investigator Topas die Verbindung auf ihrer Seite trennte. Diana wandte sich wieder dem Terminal zu und biß sich dabei auf die Unterlippe. Topas schien ihre Zeit als Manifestation weitgehend unversehrt überstanden zu haben. Wahrscheinlich, weil sie noch nie ein Inbegriff geistiger Gesundheit gewesen war. War das die Verbindung? Hatte es etwas zu bedeuten? Hatte es mehr zu bedeuten, als daß Diana schon zu lange allein in einem Zimmer saß und nun bereit war, nach jedem Strohhalm zu greifen, der auch nur entfernt den Eindruck erweckte, Sinn zu ergeben? War es im Grunde nicht Zeit, daß sie aufgab, nach Hause ging, mehrere üppige Mahlzeiten zu sich nahm und dann eine Woche lang schlief?

Sie seufzte und verbannte diesen verlockenden Gedanken. Irgendwo lag hier die Antwort verborgen. Das mußte sie einfach.

Wenn sie sich einer Sache sicher war, dann, daß die Mater Mundi nicht das war, wofür die meisten Leute sie hielten. Sie verfolgte ihre eigenen Ziele und ihr eigenes Programm und zögerte nicht, jedes unschuldige Werkzeug einzusetzen, das sie für nötig hielt. Egal, welche Schäden die Opfer dabei erlitten.

Die Weltenmutter behandelte Menschen genauso, wie es die Eiserne Hexe getan hatte.

Diana saß in ihrem kleinen Zimmer auf ihrem Stuhl und kam sich ganz klein und ganz allein vor. Diese Aufgabe war zu groß für einen einzelnen Menschen, sogar für sie. Sie kannte aber auch niemanden, an den sie sich mit ihren Fragen und Befürchtungen hätte wenden können. Ausgeschlossen, zu den Anführern der Esper-Bewegung zu gehen. Die Mater Mundi hatte die Bewegung gegründet und war vielleicht immer noch an der Organisation beteiligt auf irgendeiner tiefen und sehr geheimen Ebene. Was bedeutete, daß Diana niemandem trauen konnte.

Die Mater Mundi konnte sich in einfach jedem manifestieren und Diana durch irgendeinen Freund oder Feind oder Fremden angreifen. Falls sie erfuhr, was Diana trieb…

Diana richtete sich abrupt auf. Irgendwas stimmte hier nicht!