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»Ich habe sie respektiert. Sie war eine Kriegerin.«

»Wie auch immer. Sie war ein guter Soldat. Ich ehre ihr Andenken.« Schwejksam brach ab und legte sich seine Worte sorgsam zurecht. »Kümmert Euch nicht um die Einstellung der Mannschaft. Sie wird sich ändern, wenn die Leute Euch bei der Arbeit erlebt haben.«

»Ich bezweifle es, Kapitän. Ich bin ein Verräter. Ich habe meine Mannschaft und meine eigene Lebensform verraten, um mich den fremdartigen Ashrai in ihrem Kampf gegen die Menschheit anzuschließen. Nicht, daß es ihnen langfristig viel genützt hätte. Trotzdem bin ich der schlimmste Alptraum der Menschheit, ein Investigator, der zu den Eingeborenen überlief.

Ein Verräter voller Stolz auf seinen Verrat.«

»Ihr hattet Eure Gründe«, sagte Schwejksam.

»Genau wie Ihr Eure hattet, als Ihr Befehl gabt, Unseeli zu sengen und alles zu vernichten, was auf dieser Welt lebte.«

»Das habt Ihr mir nie verziehen, nicht wahr?«

»Nein, Kapitän. Wir haben beide zuviel getan, als daß Vergebung noch etwas bedeuten würde.«

»Man hat Euch amnestiert«, stellte Schwejksam fest. »Und man hat Euch wieder als Investigator eingesetzt, als Gegenleistung für Eure Mitwirkung an unserer Mission in der Dunkelwüste. Die Besatzung weiß das. Und sie wird Eure Arbeit und Autorität respektieren, oder ich trete ihr so lange in den Hintern, bis sie es tut.«

»Ich habe nicht um Amnestierung gebeten«, sagte Carrion.

»Ich habe weder bereut noch mich gebessert. Ich bin der letzte der Ashrai, und ihr Erbe lebt in mir weiter. Ich bin hier… weil ich keinen anderen Ort mehr für mich sehe, jetzt, wo die Metallwälder dahin sind.«

»Ihr seid hier, weil ich Euch gebeten habe«, wandte Schwejksam ein. »Weil ich Euch brauche. Weil Ihr mein Freund seid.«

»Vielleicht. Zwischen uns herrscht böses Blut, Johan. Wer wir früher waren, die Männer, die befreundet waren – das liegt weit zurück, so weit, daß ich es kaum noch erkenne. Wir sind heute andere Menschen.«

»Durchaus möglich, Sean. Die Zeit verändert jeden. Nur wenige entwickeln sich so, wie sie es selbst einmal erwartet haben. Wir alle blicken von Zeit zu Zeit zurück und fragen uns, wie zum Teufel wir von dort nach hier gelangt sind.«

»Ich habe mich selbst für meinen Weg entschieden«, sagte der Mann namens Carrion. »Ich bereue nichts.«

»Stirb, du dreckiger Verräter!«

Ein Besatzungsmitglied trat plötzlich aus einer Nische hervor, zielte mit einem Disruptor auf Kernschußweite auf Carrions Brust und drückte den Auslöser. Es blieb keine Zeit für ein Ausweichmanöver, und der schmale Korridor bot ohnehin keinen Platz dafür. Nicht einmal Schwejksam mit all seiner Schnelligkeit und seinen übermenschlichen Reflexen konnte irgendwas tun, um zu verhindern, was hier geschah. Der Energiestrahl aus dem Disruptor zuckte in weniger als einer Sekunde über die paar Fuß Abstand zwischen dem Matrosen und Carrion hinweg. Und ein flammendes Energiefeld breitete sich aus Carrions Energielanze aus und absorbierte mühelos den Disruptorschuß. Energielanzen waren nicht ohne Grund im ganzen Imperium verboten und schon der Besitz mit der Todesstrafe belegt. Sie verstärkten die Kräfte von Espern so sehr, daß sie im Kampf praktisch unbesiegbar wurden. Und Carrion war kein gewöhnlicher Esper.

Einen langen Augenblick lang rührte sich niemand. Der Matrose stand an Ort und Stelle erstarrt, zielte mit der entladenen Waffe weiterhin auf Carrion und glotzte mit offenem Mund.

Carrion erwiderte den Blick ungerührt. Schwejksams Hand schwebte immer noch über der im Halfter steckenden Waffe.

Und dann schluchzte der Matrose auf einmal. Mit wutverzerrtem Gesicht griff er nach dem Schwert an seiner Seite.

Schwejksam trat rasch vor, packte ihn vorn am Hemd und stieß ihn krachend mit dem Rücken ans stählerne Schott. Die Luft wurde dem Mann aus den Lungen gepreßt. Seine Züge erschlafften, und die Hände hingen lose an den Seiten. Schwejksam knurrte ihm ins Gesicht und wandte sich Carrion zu, der keinen Mucks gemacht hatte und so ruhig und entspannte wirkte wie eh und je.

»Hübsche Reflexe, Sean.«

»Ich mußte sie entwickeln, um im Machtbereich der Menschen zu überleben«, sagte Carrion.

Schwejksam knurrte wieder, wandte sich an den Matrosen und funkelte dem Mann in die benommen blickenden Augen.

»Name und Rang, Mister! Aber zackig!«

»Maat Barron, Kapitän. Ein loyales Mitglied Eurer Besatzung. Im Gegensatz zu diesem Stück Abschaum!«

»Das reicht, Mister! Er ist amnestiert, ein Investigator und Euer vorgesetzter Offizier. Er genießt mein volles Vertrauen, und ein Angriff auf ihn kommt einem Angriff auf mich gleich.

Meldet Euch sofort bei der Sicherheit. Ich befasse mich später mit Euch. Und, Barron, zwingt mich lieber nicht, nach Euch zu suchen!«

»Nein, Kapitän. Ich sagte schon, daß ich loyal bin. Aber Ihr versteht nicht…«

»Spart Euch das fürs Kriegsgericht auf.«

»Er hat meinen Vater getötet! Auf Unseeli

Der Maat schien kurz davor zu stehen, in Tränen auszubrechen. Schwejksam und Carrion sahen einander an. Carrion ruckte langsam. »Das ist möglich. Ich habe eine Menge Leute auf Unseeli umgebracht. Ich bedaure Euren Verlust, Barron.«

»Spart Euch Eure Lügen, Verräter!«

»Das reicht!« Schwejksam zerrte Barron vom Schott weg und versetzte ihm einen Stoß, daß der Mann den Korridor entlangstolperte. Andere Besatzungsmitglieder wichen ihm hastig aus. Barron taumelte den Gang entlang, ohne sich noch einmal umzudrehen. Carrion und Schwejksam blickten ihm eine Zeitlang nach und wandten sich schließlich ab. Ringsherum nahmen die zuschauenden Besatzungsmitglieder allmählich wieder ihre Tätigkeiten auf.

»Wir lassen die Vergangenheit nie wirklich hinter uns«, sagte Schwejksam seufzend. »Irgendwas taucht immer wieder auf und verlangt Sühne.«

»Er muß noch ein Kind gewesen sein, als sein Vater umkam«, überlegte Carrion. »Hat sich wahrscheinlich auf Eurem Schiff gemeldet, um in die Fußstapfen des Vaters zu treten.

Nur um mich schließlich hier anzutreffen und Euch als meinen Verteidiger zu erleben. Es muß schwierig für ihn gewesen sein.«

»Nichts davon macht es besser«, erklärte Schwejksam rundweg. »Ich dachte, ich hätte meine Leute besser ausgebildet. Sie sollten eigentlich Krieger sein und keine herumschleichenden Meuchelmörder.«

»Nicht, daß er der erste gewesen wäre«, sagte Carrion. »Es hat schon mehrere Anschläge auf mein Leben gegeben, seit Ihr mich von Unseeli zurückgebracht habt.«

»Was?« Schwejksam musterte ihn scharf. »Warum wurde ich nicht informiert? Warum habt Ihr es mir nicht gesagt?«

»Es war nicht wichtig. Ich bin damit fertig geworden.«

»Das ist mein Schiff, Investigator. Ihr gehört zu meiner Besatzung. Von jetzt an möchte ich alles erfahren. Habt Ihr das verstanden?«

»Ja, Kapitän.«

Schwejksam funkelte ihn kurz an, dann setzten sie ihren Weg fort. Weniger Menschen als zuvor schienen jetzt durch den Korridor zu gehen. Schwejksam verfluchte sich als Idiot, weil er die Wirkung, die Carrions Rückkehr auf seine Besatzung zeitigen würde, nicht voll bedacht hatte. Natürlich mußten Ressentiments aufflammen. Zwölf Jahre waren eine lange Zeit, aber nicht annähernd lange genug, um so etwas wie Unseeli zu vergessen. Gott wußte, daß er sich wirklich bemüht hatte!

Und trotzdem hatte er an nichts anderes gedacht, als den Mann, der früher sein Freund war, mit an Bord zu nehmen, weil er dachte, daß er dorthin gehörte. Sein alter Freund Sean war aber jetzt der Mann, den man Carrion nannte. Verräter, Mörder, von Fremdwesen adoptiert, und das auf seiner Seite freiwillig. Es erforderte schon mehr als eine Amnestie und die Wiedereinsetzung als Investigator, um auszugleichen, was der Mann, der Sean hieß, aus sich selbst gemacht hatte. Schwejksam seufzte leise. Jetzt, wo Frost nicht mehr war, brauchte er jemand anderen, auf den er sich verlassen konnte. So einfach war das. Und sowenig Carrion für diese Rolle geeignet schien, war er doch der einzige, an den Schwejksam sich wenden konnte.