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SIMON R. GREEN

Über das abenteuerliche Leben des OWEN TODTSTELTZER

Der Legende dritter Theil

TODTSTELTZERS KRIEG

KAPITEL EINS

DER KAMPF UM DIE NEBELWELT

Jedes Imperium braucht eine Müllkippe. Einen Ort irgendwo weitab in einer finsteren Ecke, wohin es die Tunichtgute und Querulanten abschieben kann. Imperatorin Löwenstein XIV hatte die Nebelwelt, einen kalten, unwirtlichen Felsen weit außerhalb der üblichen Verkehrswege und so gut wie ausschließlich von Verrätern, Kriminellen und Spitzbuben bevölkert, die von ihrem Glück verlassen worden waren – und von geflohenen imperialen Espern. Löwenstein tolerierte die Existenz der Nebelwelt in ihrem mit harter Hand geführten Reich nur aus einem Grund: Sie wußte stets, wo ihre faulen Äpfel zu finden waren.

Natürlich hätte es Löwenstein vorgezogen, sie alle umzubringen; doch ihre Ratgeber waren weiser. Sie wußten, daß Verbannte insgesamt betrachtet weit weniger Schwierigkeiten bereiten als Märtyrer. Mit den Jahren jedoch wurde die Nebelwelt zu einem Zufluchtshafen für alle Arten von Rebellen und Gesetzlosen, und was einst als nützliche Müllkippe angefangen hatte, entpuppte sich zusehends als ein aufsässiger, giftiger Dorn in der Seite von Löwensteins Reich. Löwenstein gab Befehl, diesen Dorn zu entfernen – wenn es sein mußte, mit Gewalt –, nur um festzustellen, daß der Planet in der Zwischenzeit durch einen psionischen Schild geschützt wurde, erzeugt durch die Kräfte zahlreicher Esper – einen Schild, der mehr als ausreichte, um alles abzuwenden, was Löwensteins Imperiale Flotte auf ihn schleudern konnte.

So kam es, daß die Nebelwelt – trotz aller finsteren Ränkeschmiede Ihrer Kaiserlichen Majestät – zum einzigen überlebenden Rebellenplaneten im gesamten Imperium wurde, zum einzigen Planeten, der sicher war vor Löwensteins Wut.

Jedenfalls dachten seine Bewohner das.

Die Sonnenschreiter II kam aus dem Hyperraum und fiel in einen Orbit um die Nebelwelt. Die lange schlanke Yacht glitzerte nur so vor Ortungsantennen, doch es gab nirgendwo in der Umgebung Imperiale Sternenkreuzer. Das Imperium hatte gelernt, einen Sicherheitsabstand einzuhalten. Es gab nur das einzelne, golden glänzende Schiff, das lautlos über einer kalten, eintönigen Kugel hing.

Owen Todtsteltzer hatte es sich in der Lounge der Sonnenschreiter II auf einem Sessel bequem gemacht und war dankbar für die Ruhe. Und für die Tatsache, daß wenigstens im Augenblick – niemand auf ihn zu schießen versuchte .

Owen hatte gelernt, die stillen Momente im Leben zu genießen – und wenn auch nur aus dem einen einzigen Grund, daß es so wenige davon gab .

Er hatte die erste Sonnenschreiter bei einer Bruchlandung auf dem Planeten Shandrakor verloren, doch die Hadenmänner hatten das Schiff nach Owens Instruktionen rekonstruiert – um den Hyperraumantrieb herum, den sie aus dem Wrack der ursprünglichen Sonnenschreiter geborgen hatten. Es war ein ganz besonderer Hyperraumantrieb: Einer der Prototypen des neuen Motors, den das Imperium gegenwärtig in Massenproduktion zu fertigen versuchte, und der – für den Augenblick zumindest – ein ganzes Stück schneller war als alles, was das Imperium aufzubieten hatte.

Theoretisch zumindest.

Die Yacht selbst sah fast genauso aus, wie Owen sein altes Schiff in Erinnerung hatte, und sie war mit dem gleichen ursprünglichen Luxus und Überfluß ausgestattet – auch wenn die Hadenmänner der Versuchung nicht hatten widerstehen können, einige Dinge im Verlauf der Konstruktion zu verbessern.

Und manchmal verdeutlichten ihre Vorstellungen von Verbes-serung nur, wie sehr sich die aufgerüsteten Männer von Haden bereits von der Menschheit entfernt hatten. Owen konnte mit Türen umgehen, die in soliden Wänden erschienen, sobald er sich näherte. Er mochte auch die Beleuchtung, die sich automatisch ein- und ausschaltete, ohne daß man es befehlen mußte; aber Kontrollen, die nur durch Gedankenbefehl funktionierten, führten wirklich zu weit. Nach ein paar Beinahe-Katastrophen, weil seine Gedanken im entscheidenden Augenblick abge-schweift waren, hatte sich Owen fest vorgenommen, die Steuerung des Schiffs in Zukunft den Schiffslektronen zu überlassen.

Die Hadenmänner hatten auch einige Details der Innenaus-stattung falsch interpretiert – Kleinigkeiten, die Owen trotz allem beunruhigten: Böden, die aus keinem erkennbaren Grund schief waren oder sich wölbten, Sitze, die sich einer nicht ganz korrekten Körperform anpaßten, Lichter und Farben, die das menschliche Auge als unterschwellig unangenehm empfand.

Owen hob seine neue linke Hand und betrachtete sie nachdenklich. Das goldene Metall der künstlichen Hand, das andere Geschenk, das die Hadenmänner ihm gemacht hatten, leuchtete warm im Licht der Schiffslounge. Owen hatte die Vorstellung zunächst nicht gefallen, in derart intimem Kontakt mit Hadenmann-Technologie zu stehen, doch nachdem er seine echte Hand in den riesigen Kavernen unter der Wolflingswelt im Kampf mit dem Grendel verloren hatte, war ihm keine andere Wahl geblieben, als das Geschenk dankbar anzunehmen. Es war eine gute Hand; stark und reaktionsschnell und praktisch unverwundbar, und wenn sie sich auch die ganze Zeit ein wenig kalt und nicht ganz wie seine eigene Hand anfühlte, so konnte er doch sehr gut damit leben. Owen streckte langsam die goldenen Finger und bewunderte ihre flüssige Eleganz. Er vertraute der Hand, weil er mußte; bei seinem neuen Schiff war das allerdings anders. Die Hadenmänner mochten für den Augenblick seine Verbündeten sein, doch ein Volk, das einst offiziell den Titel Feinde der Menschheit getragen hatte – und das mit gutem Grund –, mußte trotz aller Geschenke mit Mißtrauen betrachtet werden. Es bestand immer die Möglichkeit, daß die Hadenmänner ihre eigenen, dunklen Pläne verfolgten und die Mittel zu ihrer Umsetzung in Owens Schiff, in den Verbesse-rungen und vielleicht sogar in seiner künstlichen Hand verborgen hatten.

Owen seufzte. Das Leben war nicht immer so kompliziert gewesen. Er betrachtete das Bild, das der Spiegel in der Wand hinter ihm zeigte: Ein Mann Mitte Zwanzig erwiderte brütend seinen Blick. Er war groß und langgliedrig mit dunklem Haar und noch dunkleren Augen. Ein Mann, der harte Zeiten hinter sich hatte – und wahrscheinlich noch härtere vor sich. Vor noch gar nicht so langer Zeit war Owen Todtsteltzer ein einfacher Gelehrter gewesen , ein unbedeutender Historiker, der nur für sich selbst von Bedeutung gewesen war. Dann hatte Löwenstein ihn ausgestoßen und ihn als Verbrecher gebrand-markt, und Owen war keine andere Wahl geblieben, als zum Rebell und Kämpfer zu werden. Die Hadenmänner hatten ihn Erlöser genannt, und die Untergrundbewegung nannte ihn die Letzte Hoffnung der Menschheit. Owen glaubte nicht ein Wort von alledem.

Das Klimpern von Glas riß ihn aus seinen Gedanken, und Owen blickte liebevoll zu Hazel d’Ark hinüber, die auf der Suche nach etwas halbwegs Trinkbarem die Flaschen des Barschranks durchwühlte. Owen wußte, wie Hazel sich fühlen mußte. Die Hadenmänner hatten sich die größte Mühe mit den Nahrungssynthetisierern gegeben , doch die verschiedenen al-koholischen Getränke , die sie zustande gebracht hatten, schmeckten allesamt gleich abscheulich. Was Hazel allerdings nicht davon abhielt, sie zu trinken… wenngleich sie beharrlich versuchte, eine Mischung zu finden, die in ihr nicht den Drang erweckte, das Zeug auf der Stelle wieder auszuspeien. Owen bewunderte sie für ihre Geduld und wünschte ihr im stillen viel Glück. Was ihn jedoch persönlich betraf – er hätte die Flaschen noch nicht einmal angerührt, wenn ihm jemand eine geladene Pistole an den Kopf gehalten hätte.

Owen betrachtete Hazel. Er bewunderte ihr schmales, spitzes Gesicht und die lange Mähne aus aufreizend rotem Haar. Nach konventionellen Maßstäben konnte man sie zwar nicht als schön bezeichnen, aber Hazel war in nichts konventionell, wenn sie etwas daran ändern konnte.