Выбрать главу

»Wißt ihr Leute eigentlich, was das Sprichwort ›Mit Kanonen auf Spatzen schießen‹ bedeutet?«

»Der Kampf ist vorbei, Todtsteltzer«, sagte eine laut-sprecherverstärkte Stimme von oben. »Allerdings müßt Ihr nicht hier sterben. Imperatorin Löwenstein hat uns ermächtigt, Euch ein Angebot zu unterbreiten. Ergebt Euch, und man wird Euch am Leben lassen. Unsere Wissenschaftler könnten sehr viel lernen, indem sie Euch studieren.«

»Sag ihnen, sie sollen sich zur Hölle scheren, Todtsteltzer«, murmelte Hazel hinter ihm. »Meine Mutter hat mich nicht großgezogen, damit ich als Laborratte ende. Wahrscheinlich werden sie uns vivisezieren, sobald sie die Gelegenheit dazu haben. Oder ihre verdammten Hirntechs beschäftigen sich mit dem, was in unseren Schädeln steckt und sorgen dafür, daß wir die Seiten wechseln. Wir dürfen das nicht zulassen, Owen.«

»Unsere Sensoren zeigen an, daß Ihr ernsthaft verwundet seid, und Eure Begleiterin liegt im Sterben«, sagte die verstärk-te Stimme. »Wir können Euch beide retten. An Bord der Herausforderung befindet sich eine Regenerationsmaschine. Eure Begleiterin muß nicht sterben, Todtsteltzer. Es liegt allein an Euch.«

»Owen…«, begann Hazel.

»Es tut mir leid, Hazel«, entgegnete er. »Ich bin noch nicht soweit, uns beide sterben zu lassen.« Er blickte zu den Antigravbarken hinauf und warf sein Schwert in den Dreck. »Ich ergebe mich. Kommt und holt uns. Aber beeilt Euch. Ich glaube nicht, daß Hazel d’Ark noch viel Zeit bleibt.«

»Du verdammter Dummkopf!« stöhnte Hazel.

Er blickte sie an und lächelte bedauernd. »Das bin ich doch immer, wenn es um dich geht.«

Hazel versuchte, ihre Pistole zu ziehen; doch ihre Finger wollten ihr nicht gehorchen. Owen setzte sich wieder neben sie und lauschte andächtig, wie sie ihn verfluchte, bis die Imperialen Truppen eintrafen und beide in Gewahrsam nahmen.

In der Nähe des von außer Kontrolle geratenen Bränden taghell erleuchteten Zentrums von Nebelhafen leisteten Jung Jakob Ohnesorg und John Silver zusammen mit ihrer kleinen Rebellenstreitmacht den vorrückenden Imperialen erbitterten Widerstand. Der Vormarsch geriet ins Stocken.

Die Luft war heiß und rauchgeschwängert, und das Prasseln der zahllosen Feuer erstickte fast den Lärm der Antigravbarken und das triumphierende Geheul Legions. Die Straßen waren von einem Ende zum anderen voller Kämpfer, und wer hier keinen Platz mehr fand, kämpfte in den Hinterhöfen und Sack-gassen. Der niedergetrampelte Schnee verwandelte sich in blutgetränkten Matsch, und überall lagen reglose Körper. Die Projektilwaffen des Todtsteltzers zeigten im Nahkampf ihren Wert, doch selbst mit ihrer Hilfe schwankte das Schlachtenglück hin und her, und keine der beiden Seiten war imstande, einen Vorteil zu erringen. Stahl krachte gegen Stahl, und die Kämpfer stießen in dem Gedränge beinahe mit den Nasen zusammen. Für Strategie oder Taktik oder auch nur für gute Beinarbeit war kein Platz, sondern nur für die harte, monotone Arbeit des Schlachtens und Zerlegens von Menschen.

Jung Jakob Ohnesorg war mitten im dichtesten Getümmel.

Sein mächtiger Körper ragte aus der Menge, und er schien unbesiegbar. Seine lauten, triumphierenden Kampfrufe erhoben sich trotzig über den allgemeinen Lärm, und jeder, der an seiner Seite kämpfte, fühlte sich in seiner Nähe doppelt so stark.

Ohnesorgs Schwert hob und senkte sich wie eine Maschine, und er mähte sich einen Weg durch die feindlichen Streitkräfte in Richtung ihrer Befehlshaber und Offiziere . Er ließ sich weder aufhalten, noch gelang es irgend jemandem, ihn auch nur zu verlangsamen . Sein Mut und seine grimmige Entschlossenheit inspirierten die Rebellen zu immer größeren Anstrengungen, und sie stürzten sich ins Gewühl, als wären ihre Leben nichts wert .

Mitten im dichtesten Getümmel war auch John Silver zu finden.

Er war über und über mit Blut besudelt, sowohl aus seinen eigenen Wunden, als auch aus denen seiner Feinde. Trotzdem lag das Schwert noch sicher in seiner Hand, und er warf sich unermüdlich nach vorn. John Silver spürte längst keinen Schmerz und keine Erschöpfung mehr. Er wurde nur noch von seiner Weigerung getrieben, sich fallen zu lassen und zu sterben.

Und dann, ganz langsam, Schritt um Schritt, zwangen die Rebellen die Imperialen Kräfte zum Rückzug und verweigerten ihnen den Zugang zum Stadtzentrum. Die Invasoren standen einer unbesiegbaren, unnachgiebigen Streitmacht gegenüber und zerbrachen daran. Schlachtrufe von Hunderten verschiedener Welten und aus Hunderten von Kulturen erhoben sich über den Kampflärm und vereinten sich zu einem markerschütternden Gebrüll der Wut, des Mutes und der Entschlossenheit, und die Angreifer hatten dem nichts entgegenzusetzen.

Einige der Marineinfanteristen wandten sich zur Flucht und riskierten, von ihren eigenen Vorgesetzten erschossen zu werden, die verzweifelt durch ihre Kommlinks nach Verstärkungen riefen oder um Erlaubnis zum Rückzug bettelten. Doch der Befehl lautete, die Stellung zu halten. Die Antigravbarken waren auf dem Weg. Alle.

Der taubstumme Dieb namens Katze saß auf einem auskühlenden Leichnam und starrte auf das, was von der Schwarzdorn-Taverne noch übrig war. Die Flammen erstarben allmählich, und durch den Rauch und Nebel war die geschwärzte, schwelende Ruine nur undeutlich zu erkennen. Sonst war nichts mehr übrig von dem einzigen Zuhause, das Katze jemals gekannt hatte. Von Cyder nirgendwo eine Spur. Bald würde Katze aufstehen und die Ruine durchsuchen, um zu sehen, ob eine der Leichen die ihre war; aber er hatte noch nicht den Mut dafür gefunden. Er glaubte nicht, daß er ein Leben ohne Cyder ertragen könnte. Sie war seine Liebe, seine einzige und große Liebe, und sie allein hatte seinem Leben Sinn verliehen. Sie konnte nicht dort drinnen sein. Von allen Leuten besaß allein sie genug Verstand, aus dem Schwarzdorn zu verschwinden, solange noch Zeit dazu war. Doch der Gedanke, eine verkohlte Leiche umzudrehen und Cyders Ringe an den schwarzen Fingern zu entdecken, war für Katze im Augenblick noch unerträglich. Und so saß er hier und starrte auf das, was vom Schwarzdorn übriggeblieben war, sah, wie es schwelte und rauchte, und wartete darauf, daß Investigator Topas wieder zu Bewußtsein kam.

Katze hatte ihren bewußtlosen Körper über die Dächer getragen, weil er wußte, daß man ihn dort weder aufhalten noch herausfordern würde. Niemand kannte die Dächer so gut wie er. Das Kampfgetöse erreichte ihn nicht, und Legions Geheul machte ihm ebenfalls nichts aus, denn er konnte weder das ei-ne, noch das andere hören.

Statt dessen konzentrierte er sich auf die vor ihm liegende Aufgabe und schaffte den Investigator zu einem sicheren Ort.

Für Katze war der einzige sichere Ort stets die SchwarzdornTaverne gewesen. Den ganzen Weg hierher, während das Gewicht von Topas auf seinen Schultern mit jedem Schritt schwerer geworden war, hatte er in dem Gedanken Trost gefunden, daß Cyder schon wissen würde, was wegen Topas und wegen Maries Entführung zu unternehmen war. Doch der Schwarzdorn war nicht mehr, Cyder war nirgends zu sehen, und Katze hatte nicht die leiseste Ahnung, wie es weitergehen sollte .

Er spürte, wie sich Topas an seiner Seite rührte und drehte sich zu ihr um .

Er half ihr, sich auf die Leiche zu setzen – das war immer noch besser als im Dreck und Schneematsch auf der Straße zu hocken. Eine Weile hielt sich Topas den Kopf, und ihr Mund bewegte sich, ohne daß Katze einen Sinn erkennen konnte.

Katze konnte von den Lippenlesen, doch Geräusche wie Ächzen oder Stöhnen waren ihm fremd.

Nach einer Weile drehte sie sich zu ihm um und schaute ihn an. Ihre Augen waren dunkel und entschlossen. Sie fragte ihn, wo sie war, und er erklärte es ihr in seiner Zeichensprache. Sie verstand ihn nicht. Er deutete auf das Straßenschild, und da nickte sie. Er wollte ihr erzählen, daß er Marie zurückgelassen hatte; doch er wußte nicht, wie er das anstellen sollte. Topas mühte sich auf die Beine. Sie schwankte nur für ein paar Augenblicke und nur ganz schwach. Dann nickte sie Katze ihren Dank zu und stapfte durch den Nebel davon. Katze blickte ihr hinterher. Der Leichnam unter ihm wurde langsam kalt und ungemütlich; also stand er ebenfalls auf. Cyder war nicht tot. In dieser Hinsicht hatte er keinerlei Zweifel. Also sollte er sich besser aufmachen und nach ihr suchen. Und wenn er während seiner Suche den angreifenden Streitkräften hin und wieder einen Schlag versetzen konnte, um so besser. Katze drehte sich um und kletterte die Wand hinauf . Bald war er wieder auf den Dächern unterwegs.