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Er sah jedenfalls genau nach der Sorte aus. Außerdem schien er Hazels Umarmung über die Maßen zu genießen. Schließlich lösten sich die beiden wieder voneinander und traten zurück, wobei sie sich noch immer an den Händen hielten.

»Du siehst gut aus, Hazel! Hast du in letzter Zeit jemand Interessanten ausgeraubt?«

»Du wärst überrascht. Wie zur Hölle kommt ein Gauner wie du in die Position des Sicherheitschefs? Das ist ja genauso, als würde man einen ausgehungerten Wolf dazu abkommandieren, auf eine Herde Schafe aufzupassen.«

Silver zuckte liebenswürdig die Schultern. Hazels Worte schienen ihn in keinster Weise beleidigt zu haben. »Selbst der wildeste Wolf muß sich irgendwann einmal niederlassen und ruhiger werden, Hazel. Wir haben eine Menge guter Leute während der Esperseuche verloren, einschließlich der meisten meiner Vorgesetzten. Die Typhus-Marie hat sie innerhalb weniger Tage alle getötet oder ihnen die Gehirne ausgebrannt, und als es uns schließlich gelungen ist, sie zu überwältigen, war ich der einzige, der noch auf den Beinen stand. Zu jedermanns Überraschung – einschließlich meiner eigenen – gehe ich seit dieser Zeit einer guten und größtenteils ehrlichen Arbeit nach.

Hauptsächlich wahrscheinlich deswegen, weil so viel zu tun ist, daß ich weder die Zeit noch die Energie übrig habe, um auf krumme Gedanken zu kommen.«

»Ich hätte nie gedacht, derartige Worte aus deinem Mund zu hören«, lachte Hazel. Sie blickte zurück und bemerkte, daß Owen sie und Silver nachdenklich musterte. »Owen, steig von Johana runter und komm her. Ich möchte dir einen alten Freund vorstellen.«

Owen erhob sich vorsichtig. Johana blieb, wo sie war. Ihr Atem ging rasselnd. Hazel grinste. »Owen, darf ich dir einen alten Freund und Vertrauten vorstellen? Ex-Pirat, Ex-Trickbetrüger, Ex-Rechtsanwalt und Ex-Gelegenheitstransvestit, wenn das Geld knapp wurde. Im allgemeinen ein guter Kamerad, auf den man sich verlassen kann, und zwar auf beiden Seiten des Gesetzes. Ganz besonders dann, wenn man einen Schwindel plant. Der beste Lügner mit dem unschuldigsten Gesicht, das ich je gesehen habe.«

»Deswegen bin ich in meinem gegenwärtigen Job auch so gut«, erklärte Silver gelassen. »Man braucht einen Lügner, um einen anderen zu entdecken. Und ich kenne sämtliche Tricks, weil ich die meisten davon zu meiner Zeit selbst benutzt habe.«

»Das ist ja alles sehr charmant und schelmisch«, warf Jung Jakob ein, »aber wir haben Geschäfte zu erledigen.«

»Oh, selbstverständlich«, entgegnete Silver. »Wartet nur ein wenig ab. Ich besorge Euch eine Karte und ein paar Wachen.«

»Nicht nötig. Ich finde mich auf Nebelwelt ganz gut alleine zurecht. Und ich habe noch nie Leibwächter benötigt.« Jakob Ohnesorg verbeugte sich höflich in Richtung der anderen – sogar in Richtung Johana Wahns –, dann stapfte er selbstbewußt in den Nebel davon. Sein gerader Rücken strahlte nur so vor Kraft und Energie.

»Beeindruckend«, sagte Silver. »Ich hoffe nur, er wird nicht überfallen und ausgeraubt. Wir würden nie das Ende der Geschichte erfahren.«

»Auch ich habe einen Auftrag zu erledigen«, sagte Johana Wahn eisig. Als den anderen bewußt wurde, daß sie aufgestan-den war, ohne daß es jemand bemerkt hatte ruckten ihre Köpfe überrascht herum Sie sah noch gefährlicher aus als zuvor, wenn das überhaupt möglich war. »Und ich brauche ebenfalls keine Karte und keine Leibwächter. Bleibt mir einfach nur aus dem Weg.«

Sie stolzierte davon, und der Nebel teilte sich vor ihr, als könne er ihr gar nicht schnell genug aus den Füßen kommen.

Hinter ihr schloß sich der Dunst wieder, und rasch war sie verschwunden .

Hazel blickte ihr hinterher und schüttelte langsam den Kopf .

»Wißt ihr, ich hätte schwören können, daß wir als Team arbeiten sollten.«

»Macht Euch keine Gedanken deswegen«, sagte Owen. »Ich persönlich fühle mich viel sicherer, nachdem die beiden weg sind. Was ihre geistige Gesundheit angeht, würde ich für keinen von beiden meine Hand ins Feuer legen.«

»Du kapierst wieder mal gar nichts, wie üblich«, entgegnete Hazel. »Gott allein weiß, wieviel Schaden Johana Wahn anrichtet, wenn niemand auf sie aufpaßt. Außerdem wollte ich in Jung Jakobs Nähe bleiben in der Hoffnung, daß sich jemand findet, der weiß, ob es der echte Jakob ist oder nicht.«

»Ich dachte, Ihr wärt Euch sicher, daß er ein Betrüger ist?«

»Bin ich auch. Aber ein Beweis wäre trotzdem schön, oder?«

»Wir können ihm jederzeit hinterher.«

»Nein, können wir nicht, Todtsteltzer. Dann würde er nämlich mit Sicherheit wissen, daß wir ihm nicht über den Weg trauen.«

»Ich hasse derartige Diskussionen«, maulte Owen. »Wir können den lieben langen Tag argumentieren und drehen uns am Ende immer noch im Kreis. Wir könnten uns schließlich auch in ihm irren, oder?«

»Halt, einen Augenblick mal!« unterbrach John Silver die beiden. »Wollt Ihr damit etwa sagen, daß Jakob Ohnesorg möglicherweise nicht Jakob Ohnesorg ist?«

»Wir sind nicht sicher«, antwortete Hazel. »Sagen wir einfach, wir haben unsere Zweifel.«

»Aber er sieht echt aus!« widersprach Silver. »Jeder Zoll ein Krieger und ein Held!«

»Ganz genau«, pflichtete Owen ihm bei. »Er ist zu perfekt.

Zu gut, um echt zu sein.«

»Paranoia«, erklärte Hazel und grinste . »Ein Spiel für die gesamte Familie und jeden, der vielleicht zusieht. Laßt uns machen, daß wir aus der Kälte kommen und ein warmes Plätzchen finden, bevor mir die Zehen abfallen.«

Owen warf einen anerkennenden Blick in die Runde, während er in einen tiefen bequemen Sessel neben einem offenen Kaminfeuer sank. Sie befanden sich in John Silvers Privatquartier.

Der Ex-Pirat und Chef der Sicherheit lebte nach Nebelwelt-Maßstäben in ziemlichem Luxus. Es gab eine ganze Reihe von Hightech-Einrichtungen, einschließlich elektrischer Beleuchtung (selten auf einer Welt, die jede Form von Hightech an der Imperialen Blockade vorbeischmuggeln mußte, was sowohl mit gewaltigen Kosten für den Käufer als auch für den Liefe-ranten verbunden war). Entweder war Silvers Posten extrem gut bezahlt, oder Silver hatte seine frühere Piratentätigkeit doch noch nicht völlig aufgegeben. Hazel nahm Owen gegenüber Platz und starrte verdrießlich in die flackernden Flammen.

Sie wirkte müde und erschöpft und älter, als sie in Wirklichkeit war. Irgend etwas bereitete ihr Kopfzerbrechen, doch Owen hütete sich davor, sie nach dem Grund dafür zu fragen. Sie würde ihm nur den Kopf abbeißen. Sie würde mit ihm reden, wenn sie soweit war, oder niemals.

Silver gab sich Mühe in seiner Rolle als Gastgeber. Er sorgte sich um das Wohl seiner Gäste, plapperte fröhlich über belanglose Dinge und drückte Owen und Hazel große Becher mit Glühwein in die Hände. Hazel hielt ihren Becher einfach nur fest und machte keinerlei Anstalten zu trinken; also nahm Owen schon aus Höflichkeit einen tiefen Schluck. Normalerweise haßte er Glühwein, doch dieser hier schmeckte nicht schlecht. Er war scharf gewürzt und hinterließ eine angenehme Wärme, während er durch die Kehle hinabrann und sich im Magen ausbreitete . Owen nickte Silver dankbar zu, der seinen Gästen gegenüber Platz genommen hatte und sie nun erwartungsvoll anblickte.

»Erzählt uns doch, was sich in letzter Zeit zugetragen hat«, bat Owen, nachdem eine lange Pause deutlich gemacht hatte, daß Hazel nicht daran dachte, ein Gespräch anzufangen. »Bei unserem letzten Besuch waren wir nicht lange genug hier, um Fragen zu stellen. Was hat es mit diesem Gerede von einer Typhus-Marie und der Esperseuche auf sich?«