Und alles wieder bald im Gleichen sey.
Ich gehe selbst zu ihm, so bald ich nur
Von dir erfahre, daß er ruhig ist,
So bald du glaubst, daß meine Gegenwart
Das Übel nicht vermehrt. Doch was du thust,
Das thu' in dieser Stunde; denn es geht
Alphons heut' Abend noch zurück, und ich
Werd' ihn begleiten. Leb' indessen wohl.
Fünfter Auftritt
Leonore allein.
Für dießmal, lieber Freund, sind wir nicht eins,
Mein Vortheil und der deine gehen heut
Nicht Hand in Hand. Ich nütze diese Zeit
Und suche Tasso zu gewinnen. Schnell!
Vierter Aufzug
Erster Auftritt
Zimmer.
Tasso allein.
Bist du aus einem Traum erwacht, und hat
Der schöne Trug auf einmal dich verlassen?
Hat dich nach einem Tag der höchsten Lust
Ein Schlaf gebändigt, hält und ängstet nun
Mit schweren Fesseln deine Seele? Ja,
Du wachst und träumst. Wo sind die Stunden hin,
Die um dein Haupt mit Blumenkränzen spielten?
Die Tage, wo dein Geist mit freyer Sehnsucht
Des Himmels ausgespanntes Blau durchdrang?
Und dennoch lebst du noch, und fühlst dich an,
Du fühlst dich an, und weißt nicht ob du lebst.
Ist's meine Schuld, ist's eines andern Schuld,
Daß ich mich nun als schuldig hier befinde?
Hab, ich verbrochen, daß ich leiden soll?
Ist nicht mein ganzer Fehler ein Verdienst?
Ich sah ihn an, und ward vom guten Willen,
Vom Hoffnungswahn des Herzens übereilt:
Der sey ein Mensch, der menschlich Ansehn trägt.
Ich ging mit off'nen Armen auf ihn los,
Und fühlte Schloß und Riegel, keine Brust.
O hatt' ich doch so klug mir ausgedacht,
Wie ich den Mann empfangen wollte, der
Von alten Zeiten mir verdächtig war!
Allein was immer dir begegnet sey,
So halte dich an der Gewißheit fest:
Ich habe sie gesehn! Sie stand vor mir!
Sie sprach zu mir, ich habe sie vernommen!
Der Blick, der Ton, der Worte holder Sinn,
Sie sind auf ewig mein, es raubt sie nicht
Die Zeit, das Schicksal, noch das wilde Glück,
Und hob mein Geist sich da zu schnell empor,
Und ließ ich allzu rasch in meinem Busen
Der Flamme Luft, die mich nun selbst verzehrt,
So kann mich's nicht gereun, und wäre selbst
Auf ewig das Geschick des Lebens hin.
Ich widmete mich ihr, und folgte froh
Dem Winke, der mich in's Verderben rief.
Es sey! So hab' ich mich doch werth gezeigt
Des köstlichen Vertrauns, das mich erquickt,
In dieser Stunde selbst erquickt, die mir
Die schwarze Pforte langer Trauerzeit
Gewaltsam öffnet. — Ja, nun ist's gethan!
Es geht die Sonne mir der schönsten Gunst
Auf einmal unter; seinen holden Blick
Entziehet mir der Fürst, und läßt mich hier
Auf düstrem, schmalen Pfad verloren stehn.
Das häßliche zweydeutige Geflügel,
Das leidige Gefolg' der alten Nacht,
Es schwärmt hervor und schwirrt mir um das Haupt.
Wohin, wohin beweg' ich meinen Schritt?
Dem Ekel zu entfliehn, der mich umsaußt,
Dem Abgrund zu entgehn, der vor mir liegt?
Zweiter Auftritt
Leonore. Tasso.
Leonore.
Was ist begegnet? Lieber Tasso, hat
Dein Eifer dich, dein Argwohn so getrieben?
Wie ist's geschehn? Wir alle stehn bestürzt.
Und deine Sanftmuth, dein gefällig Wesen,
Dein schneller Blick, dein richtiger Verstand,
Mit dem du jedem gibst was ihm gehört,
Dein Gleichmuth, der erträgt, was zu ertragen
Der Edle bald, der Eitle selten lernt,
Die kluge Herrschaft über Zung' und Lippe? -
Mein theurer Freund, fast ganz verkenn' ich dich.
Tasso.
Und wenn das alles nun verloren wäre?
Wenn einen Freund, den du einst reich geglaubt,
Auf einmal du als einen Bettler fändest?
Wohl hast du recht, ich bin nicht mehr ich selbst,
Und bin's doch noch so gut als wie ich's war.
Es scheint ein Räthsel, und doch ist es keins.
Der stille Mond, der dich bey Nacht erfreut,
Dein Auge, dein Gemüth mit seinem Schein
Unwiderstehlich lockt, er schwebt am Tage
Ein unbedeutend blasses Wölkchen hin.
Ich bin vom Glanz des Tages überschienen,
Ihr kennet mich, ich kenne mich nicht mehr.
Leonore.
Was du mir sagst, mein Freund, versteh' ich nicht
Wie du es sagst. Erkläre dich mit mir.
Hat die Beleidigung des schroffen Mann's
Dich so gekränkt, daß du dich selbst und uns
So ganz verkennen magst? Vertraue mir.
Tasso.
Ich bin nicht der Beleidigte, du siehst
Mich ja bestraft, weil ich beleidigt habe.
Die Knoten vieler Worte lös't das Schwert
Gar leicht und schnell, allein ich bin gefangen.
Du weißt wohl kaum — erschrick nicht, zarte Freundinn -
Du triffst den Freund in einem Kerker an.
Mich züchtiget der Fürst wie einen Schüler.
Ich will mit ihm nicht rechten, kann es nicht.
Leonore.
Du scheinest mehr, als billig ist, bewegt.
Tasso.
Hältst du mich für so schwach, für so ein Kind,
Daß solch ein Fall mich gleich zerrütten könne?
Das was geschehn ist, kränkt mich nicht so tief,
Allein das kränkt mich, was es mir bedeutet.
Laß meine Neider meine Feinde nur
Gewähren! Frey und offen ist das Feld.
Leonore.
Du hast gar manchen fälschlich in Verdacht,
Ich habe selbst mich überzeugen können.
Und auch Antonio feindet dich nicht an,
Wie du es wähnst. Der heutige Verdruß —
Tasso.
Den laß ich ganz bey Seite, nehme nur
Antonio wie er war und wie er bleibt.
Verdrießlich fiel mir stets die steife Klugheit,
Und daß er immer nur den Meister spielt.
Anstatt zu forschen, ob des Hörers Geist
Nicht schon für sich auf guten Spuren wandle,
Belehrt er dich von manchem, das du besser
Und tiefer fühltest, und vernimmt kein Wort,
Das du ihm sagst, und wird dich stets verkennen.
Verkannt zu seyn, verkannt von einem Stolzen,
Der lächelnd dich zu übersehen glaubt!
Ich bin so alt noch nicht und nicht so klug,
Daß ich nur duldend gegenlächeln sollte.
Früh oder spat, es konnte sich nicht halten,
Wir mußten brechen; später wär' es nur,
Um desto schlimmer worden. Einen Herrn
Erkenn' ich nur, den Herrn der mich ernährt,
Dem folg' ich gern, sonst will ich keinen Meister.
Frey will ich seyn im Denken und im Dichten,
Im Handeln schränkt die Welt genug uns ein.
Leonore.
Er spricht mit Achtung oft genug von dir.
Tasso.
Mit Schonung willst du sagen, fein und klug.
Und das verdrießt mich eben; denn er weiß