So glatt und so bedingt zu sprechen, daß
Sein Lob erst recht zum Tadel wird, und daß
Nichts mehr, nichts tiefer dich verletzt, als Lob
Aus seinem Munde.
Leonore. Möchtest du, mein Freund
Vernommen haben, wie er sonst von dir
Und dem Talente sprach, das dir vor vielen
Die gütige Natur verlieh. Er fühlt gewiß,
Das was du bist und hast, und schätzt es auch.
Tasso.
O glaube mir, ein selbstisches Gemüth
Kann nicht der Qual des engen Neid's entfliehen.
Ein solcher Mann verzeiht dem andern wohl
Vermögen, Stand und Ehre; denn er denkt,
Das hast du selbst, das hast du wenn du willst,
Wenn du beharrst, wenn dich das Glück begünstigt.
Doch das, was die Natur allein verleiht,
Was jeglicher Bemühung, jedem Streben
Stets unerreichbar bleibt, was weder Gold,
Noch Schwert, noch Klugheit, noch Beharrlichkeit
Erzwingen kann, das wird er nie verzeihn.
Er gönnt es mir? Er, der mit steifem Sinn
Die Gunst der Musen zu ertrotzen glaubt?
Der, wenn er die Gedanken mancher Dichter
Zusammenreiht, sich selbst ein Dichter scheint?
Weit eher gönnt er mir des Fürsten Gunst,
Die er doch gern auf sich beschränken möchte,
Als das Talent, das jene Himmlischen
Dem armen, dem verwais'ten Jüngling gaben.
Leonore.
O sähest du so klar, wie ich es sehe!
Du irrst dich über ihn, so ist er nicht.
Tasso.
Und irr' ich mich an ihm, so irr' ich gern!
Ich denk' ihn mir als meinen ärgsten Feind,
Und wär' untröstlich, wenn ich mir ihn nun
Gelinder denken müßte. Thöricht ist's
In allen Stücken billig seyn; es heißt
Sein eigen Selbst zerstören. Sind die Menschen
Denn gegen uns so billig? Nein, o nein!
Der Mensch bedarf in seinem engen Wesen
Der doppelten Empfindung, Lieb' und Haß.
Bedarf er nicht der Nacht als wie des Tag's?
Des Schlafens wie des Wachens? Nein, ich muß
Von nun an diesen Mann als Gegenstand,
Von meinem tiefsten Haß behalten; nichts
Kann mir die Lust entreißen schlimm und schlimmer
Von ihm zu denken.
Leonore. Willst du, theurer Freund
Von deinem Sinn nicht lassen, seh' ich kaum,
Wie du am Hofe länger bleiben willst.
Du weißt, wie viel er gilt und gelten muß.
Tasso.
Wie sehr ich lang', o schöne Freundinn, hier
Schon überflüssig bin, das weiß ich wohl.
Leonore.
Das bist du nicht, das kannst du nimmer werden!
Du weißt vielmehr, wie gern der Fürst mit dir,
Wie gern die Fürstinn mit dir lebt; und kommt
Die Schwester von Urbino, kommt sie fast
So sehr um dein't- als der Geschwister willen.
Sie denken alle gut und gleich von dir,
Und jegliches vertraut dir unbedingt.
Tasso.
O Leonore, welch Vertraun ist das?
Hat er von seinem Staate je ein Wort,
Ein ernstes Wort mit mir gesprochen? Kam
Ein eigner Fall, worüber er sogar
In meiner Gegenwart mit seiner Schwester,
Mit andern sich berieth, mich fragt' er nie.
Da hieß es immer nur: Antonio kommt!
Man muß Antonio schreiben! fragt Antonio!
Leonore.
Du klagst anstatt zu danken. Wenn er dich
In unbedingter Freyheit lassen mag,
So ehrt er dich, wie er dich ehren kann.
Tasso.
Er läßt mich ruhn, weil er mich unnütz glaubt.
Leonore.
Du bist nicht unnütz, eben weil du ruhst.
So lange hegst du schon Verdruß und Sorge,
Wie ein geliebtes Kind, an deiner Brust.
Ich hab' es oft bedacht, und mag's bedenken
Wie ich es will, auf diesem schönen Boden,
Wohin das Glück dich zu verpflanzen schien,
Gedeihst du nicht. O Tasso! — rath' ich dir's?
Sprech' ich es aus? — Du solltest dich entfernen!
Tasso.
Verschone nicht den Kranken, lieber Arzt!
Reich' ihm das Mittel, denke nicht daran,
Ob's bitter sey. — Ob er geneßen könne,
Das überlege wohl, o kluge, gute Freundinn!
Ich seh' es alles selbst, es ist vorbey!
Ich kann ihm wohl verzeihen, er nicht mir;
Und sein bedarf man, leider! meiner nicht.
Und er ist klug, und leider! bin ich's nicht.
Er wirkt zu meinem Schaden, und ich kann,
Ich mag nicht gegenwirken. Meine Freunde
Sie lassen's gehn, sie sehen's anders an,
Sie widerstreben kaum, und sollten kämpfen.
Du glaubst, ich soll hinweg, ich glaub' es selbst -
So lebt denn wohl! ich werd' auch das ertragen.
Ihr seyd von mir geschieden — werd' auch mir
Von euch zu scheiden, Kraft und Muth verliehn!
Leonore.
Ach in der Ferne zeigt sich alles reiner,
Was in der Gegenwart uns nur verwirrt.
Vielleicht wirst du erkennen, welche Liebe
Dich überall umgab, und welchen Werth
Die Treue wahrer Freunde hat, und wie
Die weite Welt die Nächsten nicht ersetzt.
Tasso.
Das werden wir erfahren! Kenn' ich doch
Die Welt von Jugend auf, wie sie so leicht
Uns hülflos, einsam läßt, und ihren Weg
Wie Sonn' und Mond und andre Götter geht.
Leonore.
Vernimmst du mich, mein Freund, so sollst du nie
Die traurige Erfahrung wiederhohlen.
Soll ich dir rathen, so begibst du dich
Erst nach Florenz, und eine Freundinn wird
Gar freundlich für dich sorgen. Sey getrost,
Ich bin es selbst. Ich reise, den Gemahl
Die nächsten Tage dort zu finden, kann
Nichts freudiger für ihn und mich bereiten,
Als wenn ich dich in unsre Mitte bringe.
Ich sage dir kein Wort, du weißt es selbst,
Welch einem Fürsten du dich nahen wirst,
Und welche Männer diese schöne Stadt
In ihrem Busen hegt, und welche Frauen.
Du schweigst? Bedenk' es wohl! Entschließe dich.
Tasso.
Gar reitzend ist, was du mir sagst, so ganz
Dem Wunsch gemäß, den ich im Stillen nähre;
Allein es ist zu neu: ich bitte dich
Laß mich bedenken, ich beschließe bald.
Leonore.
Ich gehe mit der schönsten Hoffnung weg
Für dich und uns und auch für dieses Haus.
Bedenke nur, und wenn du recht bedenkst,
So wirst du schwerlich etwas bessers denken.
Tasso.
Noch eins, geliebte Freundinn! sage mir,
Wie ist die Fürstinn gegen mich gesinnt?
War sie erzürnt auf mich? Was sagte sie? -
Sie hat mich sehr getadelt? Rede frey.
Leonore.
Da sie dich kennt, hat sie dich leicht entschuldigt.
Tasso.
Hab' ich bey ihr verloren? schmeichle nicht.
Leonore.
Der Frauen Gunst wird nicht so leicht verscherzt.
Tasso.
Wird sie mich gern entlassen, wenn ich gehe?
Leonore.
Wenn es zu deinem Wohl gereicht, gewiß.
Tasso.
Werd' ich des Fürsten Gnade nicht verlieren?
Leonore.
In seiner Großmuth kannst du sicher ruhn.