Alphons.
Antonio, nein, da sey nur immer ruhig,
Ich schreib' es dir auf keine Weise zu;
Ich kenne nur zu gut den Sinn des Mannes,
Und weiß nur allzu wohl was ich gethan,
Wie sehr ich ihn geschont, wie sehr ich ganz
Vergessen, daß ich eigentlich an ihm
Zu fordern hätte. Über vieles kann
Der Mensch zum Herrn sich machen, seinen Sinn
Bezwinget kaum die Noth und lange Zeit.
Antonio.
Wenn andre vieles um den Einen thun;
So ist's auch billig, daß der Eine wieder
Sich fleißig frage, was den andern nützt.
Wer seinen Geist so viel gebildet hat,
Wer jede Wissenschaft zusammengeitzt,
Und jede Kenntniß, die uns zu ergreifen
Erlaubt ist, sollte der sich zu beherrschen
Nicht doppelt schuldig seyn? Und denkt er dran?
Alphons.
Wir sollen eben nicht in Ruhe bleiben!
Gleich wird uns, wenn wir zu genießen denken,
Zur Übung unsrer Tapferkeit ein Feind,
Zur Übung der Geduld ein Freund gegeben.
Antonio.
Die erste Pflicht des Menschen, Speis' und Trank
Zu wählen, da ihn die Natur so eng'
Nicht wie das Thier beschränkt, erfüllt er die?
Und läßt er nicht vielmehr sich wie ein Kind
Von allem reitzen, was dem Gaumen schmeichelt?
Wann mischt er Wasser unter seinen Wein?
Gewürze, süße Sachen, stark Getränke,
Eins um das andre schlingt er hastig ein,
Und dann beklagt er seinen trüben Sinn,
Sein feurig Blut, sein allzu heftig Wesen,
Er schilt auf die Natur und das Geschick.
Wie bitter und wie thöricht hab' ich ihn
Nicht oft mit seinem Arzte rechten sehn;
Zum Lachen fast, wär' irgend lächerlich
Was einen Menschen quält und andre plagt.
«Ich fühle dieses Übel, «sagt er bänglich
Und voll Verdruß:»Was rühmt ihr eure Kunst?
«Schafft mir Genesung!«Gut versetzt der Arzt,
So meidet das und das — »Das kann ich nicht»-
So nehmet diesen Trank — »O nein! der schmeckt
«Abscheulich, er empört mir die Natur»-
So trinkt denn Wasser — »Wasser? nimmermehr!
«Ich bin so wasserscheu als ein Gebißner — »
So ist euch nicht zu helfen — »Und warum?»-
«Das Übel wird sich stets mit Übeln häufen,
Und, wenn es euch nicht tödten kann, nur mehr
Und mehr mit jedem Tag euch quälen — «Schön!
«Wofür seyd ihr ein Arzt? Ihr kennt mein Übel,
«Ihr solltet auch die Mittel kennen, sie
«Auch schmackhaft machen, daß ich nicht noch erst,
«Der Leiden los zu seyn, recht leiden müsse.»
Du lächelst selbst und doch ist es gewiß,
Du hast es wohl aus seinem Mund gehört?
Alphons.
Ich hab' es oft gehört und oft entschuldigt.
Antonio.
Es ist gewiß, ein ungemäßigt Leben,
Wie es uns schwere, wilde Träume gibt,
Macht uns zuletzt am hellen Tage träumen.
Was ist sein Argwohn anders als ein Traum?
Wohin er tritt, glaubt er von Feinden sich
Umgeben. Sein Talent kann niemand sehn,
Der ihn nicht neidet, niemand ihn beneiden,
Der ihn nicht haßt und bitter ihn verfolgt.
So hat er oft mit Klagen dich belästigt:
Erbrochne Schlösser, aufgefangne Briefe,
Und Gift und Dolch! Was alles vor ihm schwebt!
Du hast es untersuchen lassen, untersucht,
Und hast du was gefunden? Kaum den Schein.
Der Schutz von keinem Fürsten macht ihn sicher,
Der Busen keines Freundes kann ihn laben.
Und willst du einem solchen Ruh' und Glück,
Willst du von ihm wohl Freude dir versprechen?
Alphons.
Du hättest Recht, Antonio, wenn in ihm
Ich meinen nächsten Vortheil suchen wollte!
Zwar ist es schon mein Vortheil, daß ich nicht
Den Nutzen g'rad' und unbedingt erwarte.
Nicht alles dienet uns auf gleiche Weise;
Wer vieles brauchen will, gebrauche jedes
In seiner Art, so ist er wohl bedient.
Das haben uns die Medicis gelehrt,
Das haben uns die Päbste selbst gewiesen.
Mit welcher Nachsicht, welcher fürstlichen
Geduld und Langmuth trugen diese Männer
Manch groß Talent, das ihrer reichen Gnade
Nicht zu bedürfen schien und doch bedurfte!
Antonio.
Wer weiß es nicht, mein Fürst? Des Lebens Mühe
Lehrt uns allein des Lebens Güter schätzen.
So jung hat er zu vieles schon erreicht,
Als daß genügsam er genießen könnte.
O sollt' er erst erwerben, was ihm nun
Mit offnen Händen angebothen wird;
Er strengte seine Kräfte männlich an,
Und fühlte sich von Schritt zu Schritt begnügt.
Ein armer Edelmann hat schon das Ziel
Von seinem besten Wunsch erreicht, wenn ihn
Ein edler Fürst zu seinem Hofgenossen
Erwählen will, und ihn der Dürftigkeit
Mit milder Hand entzieht. Schenkt er ihm noch
Vertraun und Gunst', und will an seine Seite
Vor andern ihn erheben, sey's im Krieg,
Sey's in Geschäften oder im Gespräch;
So dächt' ich, könnte der bescheidne Mann
Sein Glück mit stiller Dankbarkeit verehren.
Und Tasso hat zu allem diesem noch
Das schönste Glück des Jünglings: daß ihn schon
Sein Vaterland erkennt und auf ihn hofft.
O glaube mir, sein launisch Mißbehagen
Ruht auf dem breiten Polster seines Glücks.
Er kommt, entlaß ihn gnädig, gib ihm Zeit,
In Rom und in Neapel, wo er will,
Das aufzusuchen, was er hier vermißt,
Und was er hier nur wiederfinden kann.
Alphons.
Will er zurück erst nach Ferrara gehn?
Antonio.
Er wünscht in Belriguardo zu verweilen.
Das nöthigste, was er zur Reise braucht,
Will er durch einen Freund sich senden lassen.
Alphons.
Ich bin's zufrieden. Meine Schwester geht
Mit ihrer Freundinn gleich zurück, und reitend
Werd' ich vor ihnen noch zu Hause seyn.
Du folgst uns bald, wenn du für ihn gesorgt.
Dem Castellan befiehl das Nöthige,
Daß er hier auf dem Schlosse bleiben kann,
So lang' er will, so lang' bis seine Freunde
Ihm das Gepäck gesendet, bis wir ihm
Die Briefe schicken, die ich ihm nach Rom
Zu geben Willens bin. Er kommt! Leb' wohl!
Zweiter Auftritt
Alphons. Tasso.
Tasso mit Zurückhaltung.
Die Gnade, die du mir so oft bewiesen,
Erscheinet heute mir in vollem Licht.
Du hast verziehen, was in deiner Nähe
Ich unbedacht und frevelhaft beging,
Du hast den Widersacher mir versöhnt,
Du willst erlauben, daß ich eine Zeit
Von deiner Seite mich entferne, willst
Mir deine Gunst großmüthig vorbehalten.
Ich scheide nun mit völligem Vertraun,
Und hoffe still, mich soll die kleine Frist
Von allem heilen, was mich jetzt beklemmt.
Es soll mein Geist auf's neue sich erheben,
Und auf dem Wege, den ich froh und kühn,
Durch deinen Blick ermuntert, erst betrat,
Sich deiner Gunst auf's neue würdig machen.