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Wir hielten den Leichenschmaus und beobachteten derweil, wie die letzten Grabbeigaben nach unten getragen wurden, mit denen die Vorkammer und die kleinere Seitenkammer, die sich gleich links dahinter befand, bestückt wurden: Streitwagenräder und die abgesägten beziehungsweise auseinandermontierten Teile goldener Streitwagen; herrlich bemalte und mit Einlegearbeiten verzierte Kisten; und drei elegante Liegen, von denen eine die Form eines Löwen hatte und mit Löwenköpfen geschmückt war. Ihre goldenen Gesichter mit den blauen Schnauzen und den goldenen Augen, die einen weisen, ernsten und mitleidigen Ausdruck hatten, funkelten mich in der Dunkelheit an und warfen im Lampenschein mächtige Schatten an die Wand, als sie daran vorübergetragen wurden. Unter eine der Liegen wurden weiße Behältnisse gestellt, die Opferspeisen enthielten. Hell leuchtete im Licht der Lotoskelch aus Alabaster, den ich auf dem Schiff in Tutanchamuns Gemächern gesehen hatte. Da waren Stühle und Throne, die mit den Symbolen des Aton geschmückt waren, und zwei lebensgroße Statuen von Wächtern, die geflissentlich die Unordnung ignorierten. An der Wand aufgehäuft lagen in Schilf gewickelte silberne Trompeten, goldene Gehstöcke und in Gold getunkte Pfeile. Als Nächstes wurden zahllose Weinkrüge, deren Beschriftungen anzeigten, dass sie bereits alt waren und aus der Zeit Echnatons stammten, und Unmengen Alabastergefäße mit Ölen und Parfums in die kleine Seitenkammer getragen sowie Hunderte Körbe mit Obst und Fleisch, die dann alle auf Stühle, Kisten und ein langes vergoldetes Bett gestapelt wurden. Überall war Gold, so viel, dass mir von seinem berühmten Glanz ganz übel wurde.

Schließlich war es an der Zeit, Tutanchamuns Grabkammer für die Ewigkeit zu versiegeln. Seltsamerweise beschlich mich das Gefühl, als seien wir, die Lebenden, die sich auf dem Gang drängten, auf der verkehrten Seite der Steintür, die man in aller Hast zwischen uns und der jetzt menschenleeren Vorkammer hochgezogen hatte. Im nervös flackernden Licht der Kerzen wirkten die Mienen der Versammelten – Adlige, Priester und die junge Königin – wie die Gesichter von Verschwörern, die gemeinsam ein Verbrechen begingen.

Ich empfand einerseits so etwas wie Abscheu und Entrüstung, andererseits aber auch Mitleid, als die Steinmetze sich in ihrer dreckigen Arbeitskleidung ans Werk machten, die letzten Steine in die Mauer drückten, die dabei laut knirschten, dann mit groben Bewegungen den nassen, dunkelgrauen Putz aufbrachten und ihn mit Tüchern glätteten, damit die Nekropolenwächter abschließend ihre ovalen Insignien des Anubis hineindrücken konnten. Zahllose Hände griffen nach vorn, um sich dort für alle Zeiten zu verewigen, allerdings auf eine Weise, die routinemäßig und ungeduldig wirkte und damit im Widerspruch zu den anderen Symbolen stand. Große Liebe des gesamten Landes … Bildnisse der Götter zu erschaffen, auf dass sie ihm den Atem des Lebens einhauchen mögen …

Dann schlurften wir wie eine Horde Tiere rückwärts durch den Gang und hielten dabei unsere schwächlichen Lampen hoch. Anchesenamun legte einen letzten Blumenstrauß auf die Treppenstufen – Alraunen, blaue Wasserlilien, Nachtschatten, Oliven- und Weidenzweige; hoffnungsvolle, zarte, kurzlebige Blumen des Frühlings der Welt. Ihr Gesicht war tränennass. Ich bildete das Schlusslicht, und als ich mich ein letztes Mal umdrehte, sah ich, wie die dunkle, stetig steigende Schattenflut unserer davonschreitenden Gestalten eins wurde mit der großen Finsternis der Ewigkeit, die uns jetzt die sechzehn Stufen hinauf folgte, wo sie mit weiteren Steinen versiegelt wurde, für alle Zeit.

53

Die Mondsichel war versunken und lag jetzt über dem Rand des sich schwarz und blau abzeichnenden Tals. Unsicher standen wir in der Runde, unter den späten Sternen, im Land der Lebenden. Doch waren wir nicht allein. In der Dunkelheit wartete eine imposante Gestalt, und hinter ihr standen bewaffnete Männer, deren Waffen im Licht des Mondes blitzten. Haremhab. Ich suchte nach Simuts Wachposten und erkannte in der Dunkelheit die Umrisse zusammengesunkener Körper, getöteter Leiber.

Der General trat vor, um Eje und Anchesenamun zur Rede zu stellen.

»Habt Ihr es nicht für angemessen gehalten, mich einzuladen, um dem König das letzte Geleit zu geben?«, fragte er in forderndem Ton.

Eje trat ihm entgegen.

»Ich bin der König. Ich habe die Rituale vollzogen und die Thronfolge angetreten. Ich werde meine Thronbesteigung und meine bevorstehende Krönung am Morgen bekannt geben.«

»Und was ist mit Euch, Königin? Habt Ihr so wenig von meinem Angebot gehalten, dass Ihr es für überflüssig hieltet, es mit mir zu besprechen, bevor Ihr die Entscheidung gefällt habt, die zu dieser jämmerlichen Situation hier führte?«

»Ich habe alles in Betracht gezogen. Ich bin die Witwe Tutanchamuns, Erneuerer der Götter, und ich bin die Enkeltochter von Amenophis, dem Glorreichen. Und du bist nicht von edlem Geblüt.«

»Wie könnt Ihr es wagen, meine Herkunft in Frage zu stellen?«, knurrte er drohend mit seiner tiefen Stimme.

Sie überlegte. Es war so weit. Haremhab konnte kaum noch erwarten zu erfahren, was sie zu sagen hatte.

»Uns sind Informationen zugetragen worden, vertraulich und streng geheim, die uns verwundert und enttäuscht haben. Sie werfen ein bestimmtes Licht auf das Ansehen und die Integrität der Armee.«

Sie ließ die gefährlichen Worte in der Luft hängen.

»Der Ruf und die Integrität der Armee sind tadellos«, erwiderte Haremhab drohend.

»Wenn der General davon überzeugt ist, weiß er nicht über alles Bescheid, was in seinen eigenen Divisionen vor sich geht«, erwiderte sie. »Es gibt Elemente innerhalb der Armee, die zum Zwecke der persönlichen Bereicherung Handel mit den Hethitern treiben, mit unseren erklärten Feinden.«

Er trat näher, und sein Atem formte Nebel in der kalten Nachtluft.

»Wagt Ihr wirklich, meine Divisionen des Verrats zu beschuldigen? Ihr?« Spöttisch sah er sie an. Aber sie bot ihm die Stirn.

»Ich gebe hier lediglich wieder, was mir gesagt wurde. Vielleicht entspricht es nicht der Wahrheit. Vielleicht aber doch. Der Schlafmohn, wie ich höre, wird über die Frontlinien geschmuggelt. Handel mit dem Feind? Es wäre höchst bedauernswert, wenn sich eine derartige Vermutung bei den Ministerien herumsprechen würde, in den Tempeln, in der Öffentlichkeit«, sagte sie.

Mit einer einzigen flinken Bewegung zog Haremhab sein Krummschwert, und die polierte Klinge funkelte im Mondlicht. Für einen Moment fürchtete ich, er würde ihr den Kopf abschlagen. Er hielt seine Waffe in seiner behandschuhten Faust in die Höhe, und zeitgleich zielten seine Soldaten mit ihren eleganten und tödlichen Pfeilen auf unsere Herzen und warteten nur noch auf seinen Befehl, uns alle stillschweigend abzuschlachten. Simut trat vor, um die Königin zu beschützen, und bedrohte Haremhab mit seinem Dolch. Die beiden Männer starrten einander mit der Intensität von Hunden an, die bereit waren, sich einen blutigen Kampf zu liefern. Aber Anchesenamun ließ sich nicht unterkriegen und griff ein.

»Ich glaube nicht, dass es deiner Sache dienlich wäre, uns zu ermorden. Dir fehlt es an der Macht, die Kontrolle über alle Ministerien und Tempel der Beiden Länder zu übernehmen. Zu viele deiner Soldaten kämpfen im Krieg. Denk genau nach. Hör dir meinen Vorschlag an. Das Einzige, was ich will, ist Ordnung in den Beiden Ländern, und um diese Ordnung zu erhalten, muss die Macht zwischen uns dreien gleichwertig aufgeteilt werden. Eje wird als König regieren, denn er kontrolliert die Ministerien des Königreiches. Du wirst General bleiben. Mit dem geheimen Handel muss Schluss sein. Wenn der aufhört, hast du viel zu gewinnen. Die Zukunft.«