sagen wagte. Deshalb hatte man Narren, und selbst wenn man keinen Narren wollte, musste man einen zulassen, denn ohne Hofnarr war ein Hof kein Hof, und da sie und Friedrich kein Land mehr hatten, musste zumindest ihr Hof in Ordnung sein.
Es hatte eine seltsame Bewandtnis mit diesem Narren. Das hatte sie sofort gespürt, damals, als er aufgetaucht war, letzten Winter, als die Tage besonders kalt gewesen waren und das Leben noch ärmlicher als sonst. Da waren die beiden mit einem Mal vor ihrer Tür gestanden, der dürre junge Mann im bunten Wams und die großgewachsene Frau.
Erschöpft und mitgenommen hatten sie ausgesehen, krank vom Reisen und von den Fährnissen der Wildnis. Aber als sie ihr vorgetanzt hatten, war da eine Harmonie gewesen, ein Gleichklang der Stimmen und der Leiber, wie sie es nie erlebt hatte, seit sie nicht mehr in England war. Dann hatte er jongliert, und sie hatte die Flöte hervorgeholt, und dann hatten die beiden ein Stück über einen Vormund und sein Mündel gespielt, und sie hatte ihren Tod vorgetäuscht, und er hatte sie leblos vorgefunden, und vor Gram hatte er sich getötet, worauf sie erwacht war und mit vor Entsetzen verzerrtem Gesicht sein Messer gepackt hatte, um sich nun auch das Leben zu nehmen. Liz kannte die Geschichte, sie war aus einem Stück der King's Men. Gerührt von der Erinnerung an etwas, was einst groß gewesen war in ihrem Leben, hatte sie die beiden gefragt, ob sie nicht bleiben wollten. «Wir haben noch keinen Hofnarren.»
Zum Einstand hatte er ihr ein Bild geschenkt. Nein, ein Bild war es nicht, es war eine weiße Leinwand mit nichts darauf.
«Lass es rahmen, kleine Liz, häng es auf. Zeig es den anderen!» Nichts gab ihm das Recht, sie so anzureden, aber wenigstens sprach er ihren Namen richtig aus, mitsamt dem englischen Z, er machte es so gut, als wäre er drüben gewesen. «Zeig es auch deinem Mann, das schöne Bild, lass es den armen König sehen! Und alle anderen!»
Das hatte sie getan. Sie hatte ein grünes Landschaftsbild, das sie ohnehin nicht mochte, aus seinem Rahmen nehmen und durch die weiße Leinwand ersetzen lassen, und dann hatte der Narr das Bild im großen Raum, den sie und Friedrich ihren Thronsaal nannten, aufgehängt.
«Es ist magisch, kleine Liz. Wer unehelich geboren ist, kann es nicht sehen. Wer dumm ist, sieht es nicht. Wer Geld gestohlen hat, sieht es nicht. Wer Übles im Schild führt, wer ein Kerl ist, dem man nicht trauen kann, wer ein Galgenvogel ist oder ein Stehlvieh oder ein Arsch mit Ohren, der sieht es nicht, für den ist da kein Bild!»
Da hatte sie lachen müssen.
«Nein, wirklich, kleine Liz, sag's den Leuten! Unehelich Geborene und Dumme und Diebe und Galgenvögel mit bösen Absichten, die alle sehen nichts, weder den Blauhimmel noch das Schloss, noch die wundervolle Frau auf dem Balkon, die ihr Goldhaar runterlässt, und auch nicht den Engel hinter ihr. Sag es ihnen, schau, was passiert!»
Was passiert war, erstaunte sie immer noch, jeden einzelnen Tag, und es würde nie aufhören, sie zu erstaunen. Ratlos standen die Besucher vor dem weißen Bild und wussten nicht, was sie sagen sollten. Denn es war ja kompliziert. Natürlich verstanden sie, dass da nichts war, aber sie waren sich nicht sicher, ob Liz es auch verstand, und somit war es doch denkbar, dass sie jemanden, der ihr sagte, dass da nichts war, für unehelich, dumm oder diebisch halten würde. Sie waren alle so verwirrt, zermarterten sich die Köpfe. War das Bild verzaubert, oder hatte einer Liz hereingelegt, oder hielt sie jedermann zum Besten? Der Umstand, dass inzwischen fast jeder, der an den Hof der Winterkönige kam, entweder unehelich oder dumm oder ein Dieb oder ein Mensch mit bösen Absichten war, machte die Sache nicht leichter.
Viele Besucher kamen ohnehin nicht mehr. Früher waren Leute gekommen, um Liz und Friedrich mit eigenen Augen zu sehen, und manche waren auch gekommen, um Versprechungen zu machen, denn wenn auch kaum jemand glaubte, dass Friedrich wieder über Böhmen herrschen würde, so war es doch auch nicht ganz unmöglich. Etwas zu versprechen kostete wenig; solange einer entmachtet war, musste man es nicht einlösen, stieg er aber wieder auf, so würde er sich an jene erinnern, die in dunklen Zeiten zu ihm gehalten hatten. Aber Versprechungen waren inzwischen das Einzige, was sie bekamen, keiner brachte mehr Geschenke, die wertvoll genug waren, um sie zu Geld zu machen.
Auch Christian von Braunschweig hatte sie mit unbewegtem Gesicht die weiße Leinwand gezeigt. Dumme, Hinterhältige und Uneheliche, hatte sie erklärt, könnten das herrliche Gemälde nicht sehen, und dann hatte sie mit schwer
beschreibbarem Vergnügen mitverfolgt, wie ihr in Tränen aufgelöster Verehrer immer wieder ratlos hinüber zur Wand geblickt hatte, wo das Bild spöttisch und leer seinem Pathos widerstand.
«Das ist das beste Geschenk, das mir je einer gemacht hat», sagte sie zu ihrem Narren.
«Das würde nicht viel heißen, kleine Liz.»
«John Donne hat mir eine Ode geschenkt. Fair phoenix bride hat er mich -»
«Kleine Liz, er wurde bezahlt, er hätte dich auch einen stinkenden Fisch genannt, wenn man ihm dafür Geld gegeben hätte. Was glaubst du, wie ich dich nennen würde, wenn du mich besser bezahlst!»
«Und vom Kaiser habe ich eine Rubinkette bekommen, vom König von Frankreich ein Diadem.»
«Kann ich's sehen?»
Sie schwieg.
«Hast du's verkaufen müssen?»
Sie schwieg.
«Und wer ist überhaupt Schonn Tonn? Was ist das für einer, und was ist ein Verwöhnix?»
Sie schwieg.
«Hast es dem Pfandleiher geben müssen, dein Diadem? Und die Kette vom Kaiser, kleine Liz, wer trägt die jetzt?»
Auch ihr armer König hatte nicht gewagt, etwas über das Bild zu sagen. Und als sie ihn kichernd darüber aufgeklärt hatte, dass es nur ein Scherz und die Leinwand nicht
verzaubert war, da hatte er bloß genickt und sie verunsichert betrachtet.
Sie hatte immer gewusst, dass er nicht der Klügste war. Von Anfang an war das offensichtlich gewesen, aber bei einem Mann seines Ranges war es nicht wichtig. Ein Fürst tat nichts, und wäre er ungewöhnlich klug, so wäre das nahezu ehrenrührig. Klug hatten Untergebene zu sein. Er war er selbst, das reichte, mehr war nicht nötig.
So war die Welt eingerichtet. Es gab ein paar wirkliche Menschen, und es gab den Rest: eine schattenhafte Armee, das Heer von Gestalten im Hintergrund, ein Volk von Ameisen, die über die Erde wimmelten und miteinander gemeinsam hatten, dass ihnen etwas fehlte. Sie wurden geboren und starben, waren wie die Flecken flatternden Lebens, aus denen ein Vogelschwarm bestand - verschwand einer, bemerkte man es kaum. Die Menschen, auf die es ankam, waren wenige.
Dass ihr armer Friedrich nicht der Klügste war und außerdem etwas kränklich, mit einer Neigung zu Magenweh und Ohrenschmerzen, hatte sich schon gezeigt, als er mit sechzehn nach London gekommen war, in weißem Hermelin, mit einem Hofstaat von vierhundert Leuten. Er war gekommen, weil die anderen Freier sich davongestohlen oder im entscheidenden Moment kein Angebot gemacht hatten; zuerst hatte der junge König von Schweden abgelehnt, dann Moritz von Oranien, dann Otto von Hessen. Dann hatte es für eine Weile den geradezu tollkühnen Plan gegeben, sie mit dem Prinzen von Piemont zu verheiraten, der zwar kein Geld hatte,
aber der Neffe des spanischen Königs war - Papas alter Traum von einer Versöhnung mit Spanien, aber die Spanier waren skeptisch geblieben, und auf einmal war nur mehr der deutsche Kurprinz Friedrich mit der großen Zukunft übrig gewesen. Monatelang war der pfälzische Kanzler zum Verhandeln in London gewesen, bis sie sich geeinigt hatten: vierzigtausend Pfund Mitgift von Papa nach Deutschland, dafür zehntausend Pfund jedes Jahr aus der Pfalz nach London.