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den König mit einem Blick herablassender Neugier.

«Seine Majestät lassen bitten.»

«Endlich», sagte der König.

«Wie?», fragte der Zeremonienmeister. «Was war das?»

«Es wurde auch Zeit», sagte der König.

«So spricht man nicht im Vorzimmer Seiner Majestät.»

«Dass die Kreatur mich nicht anredet!» Der König stieß ihn weg und betrat mit festem Schritt den Nachbarraum.

Er sah einen Kartentisch, er sah ein nicht gemachtes Bett, er sah abgenagte Knochen und angebissene Äpfel auf dem Boden. Er sah einen kleinen feisten Mann - runder Kopf mit runder Nase, runder Bauch, struppiger Bart, ausgedünntes Haar, schlaue, kleine Äuglein. Schon kam er auf den König zu, packte ihn mit der einen Hand am Arm und schlug ihm mit der anderen so kräftig gegen die Brust, dass er umgefallen wäre, hätte der Mann ihn nicht an sich gezogen und umarmt.

«Lieber Freund», sagte er. «Alter lieber guter Freund!»

«Bruder», keuchte der König.

Gustav Adolf roch streng, und seine Kraft war erstaunlich. Jetzt stieß er den König weg und betrachtete ihn.

«Ich freue mich, dass wir uns endlich kennenlernen, lieber Bruder», sagte der König.

Er konnte sehen, dass Gustav Adolf die Anrede nicht gefiel, und das bestätigte seine Befürchtungen: Der Schwede sah ihn nicht als seinesgleichen an.

«Nach all den Jahren», wiederholte der König so würdevoll, wie er konnte, «nach all den Briefen, all den Botschaften,

endlich von Angesicht zu Angesicht.»

«Ich freu mich auch», sagte Gustav Adolf. «Wie geht's dir, wie hältst dich? Was macht das Geld? Hast genug zu essen?»

Der König brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er geduzt wurde. Geschah das tatsächlich? Es musste wohl am schlechten Deutsch dieses Mannes liegen, vielleicht war es auch eine schwedische Marotte.

«Die Sorge um die Christenheit lastet schwer auf mir», sagte der König. «Wie auch auf ...» Er schluckte. «Wie auch auf dir.»

«Ja, ist recht», sagte Gustav Adolf. «Willst was trinken?»

Der König überlegte. Der Gedanke an Wein verursachte ihm Übelkeit, aber vermutlich war es nicht klug abzulehnen.

«So ist es gut!», rief Gustav Adolf und ballte die Faust, und noch während der König hoffte, dass er sie diesmal nicht zu spüren bekommen würde, schlug Gustav Adolf zu.

Der König bekam keine Luft mehr. Gustav Adolf reichte ihm einen Becher. Er nahm ihn und trank. Der Wein schmeckte widerlich.

«Ist scheußlicher Wein», sagte Gustav Adolf. «Haben wir aus irgendeinem Keller, können nicht wählerisch sein, so ist der Krieg.»

«Ich glaube, er ist verdorben», sagte der König.

«Besser verdorben als keiner», sagte Gustav Adolf. «Was willst haben, mein Freund, warum bist du hier?»

Der König sah in das bärtige, schlaue, runde Gesicht. Das war er also, der Retter der protestantischen Christenheit, die große Hoffnung. Und das war doch einst er selbst gewesen, wie war es passiert, dass das jetzt der da war, dieser Fettwanst mit den Speiseresten im Bart?

«Wir gewinnen», sagte Gustav Adolf. «Bist du deshalb da? Weil wir sie besiegen, bei jedem Treffen? Oben im Norden haben wir sie besiegt und dann beim Vorrücken und dann unten in Bayern. Jedes Mal haben wir gesiegt, weil sie schwach sind und keine Ordnung haben. Weil sie nicht wissen, wie man die Leute drillt. Ich weiß das aber. Wie ist das mit deinen Leuten, ich meine, wie war es, als du welche hattest, hatten sie dich gern, deine Soldaten, dort vor Prag, bevor der Kaiser sie getötet hat? Gestern erst hab ich einem, der mit der Kasse desertieren wollte, die Ohren abgerissen.»

Der König lachte unsicher.

«Wirklich. Das hab ich gemacht, es ist nicht so schwer. Man greift zu, dann reißt man, so etwas spricht sich herum. Die Soldaten finden das lustig, weil es ja einem anderen passiert, aber zugleich hüten sie sich von da an, was Ähnliches zu versuchen. Ich hab kaum Schweden dabei, die meisten da draußen sind Deutsche, ein paar Finnen auch, dazu Schotten und Iren und was weiß ich. Alle lieben mich, deshalb gewinnen wir. Willst du mit mir ziehen? Bist du deshalb hier?»

Der König räusperte sich. «Prag.»

«Was ist mit Prag? Trink doch!»

Der König blickte angeekelt in den Becher. «Ich benötige deinen Beistand, Bruder. Gib mir Truppen, dann wird Prag fallen.»

«Ich brauch Prag nicht.»

«Der alte Kaisersitz, wiederhergestellt für den rechten Glauben. Es wäre ein großes Zeichen!»

«Ich brauch keine Zeichen. Wir hatten immer gute Zeichen und gute Worte und gute Bücher und gute Lieder, wir Protestanten, aber dann haben wir im Feld verloren, und alles war für nichts. Siege brauch ich. Ich muss gegen den Wallenstein gewinnen. Hast du den mal getroffen, kennst du ihn?»

Der König schüttelte den Kopf.

«Ich brauch Berichte. Ich denk immer an ihn, manchmal träum ich von ihm.» Gustav Adolf ging zur anderen Seite des Zeltes, bückte sich, kramte in einer Truhe und hielt eine Wachsfigur hoch. «So sieht er aus! Der Friedland, das ist er, ich schau ihn immer an und denk mir: Dich werde ich besiegen, du bist schlau, ich bin schlauer, du bist stark, ich bin stärker, deine Truppen lieben dich, meine lieben mich mehr, du hast den Teufel auf deiner Seite, aber ich hab Gott. Jeden Tag sag ich ihm das. Manchmal antwortet er.»

«Er antwortet?»

«Er hat Teufelskräfte. Natürlich antwortet er.» Mit plötzlich mürrischer Miene zeigte Gustav Adolf auf das weißliche Gesicht der Wachsfigur. «Dann bewegt sich sein Mund, und er verspottet mich. Er hat eine leise Stimme, weil er klein ist, aber ich versteh alles. Dummer Schwede nennt er mich, Schwedenarsch, gotisches Vieh, und er sagt, dass ich nicht lesen kann. Ich kann lesen! Soll ich es dir zeigen? In drei Sprachen les ich. Ich werd das Schwein besiegen. Ich reiß ihm

die Ohren ab. Ich schneid seine Finger weg. Ich verbrenn ihn.»

«Dieser Krieg hat in Prag angefangen», sagte der König. «Nur wenn wir Prag -»

«Machen wir nicht», sagte Gustav Adolf. «Ist entschieden, wir sprechen nicht mehr davon.» Er setzte sich auf einen Stuhl, trank aus seinem Becher und sah den König mit feucht schimmernden Augen an. «Aber die Pfalz.»

«Was ist mit der Pfalz?»

«Musst du wiederkriegen.»

Der König brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was er gehört hatte. «Lieber Bruder, Ihr helft mir, mein Erbland zurückzubekommen?»

«Die spanischen Truppen in der Pfalz, das geht nicht, die müssen fort. Entweder der Wallenstein ruft sie weg, oder ich bring sie um. Die sollen sich nichts einbilden, die haben vielleicht ihre unbesiegbaren Infanteriequadrate, aber weißt du, was? So unbesiegbar sind die gar nicht, die unbesiegbaren Quadrate, und ich gewinn doch.»

«Lieber Bruder!» Der König griff nach Gustav Adolfs Hand.

Der stand sofort auf, presste dem König die Finger so fest zusammen, dass der einen Aufschrei unterdrücken musste, legte ihm die Hand auf die Schulter, zog ihn an sich. Die beiden umarmten einander. Und sie taten es immer noch, und jetzt, da es immer noch dauerte, dauerte es schon so lange, dass die Ergriffenheit des Königs verschwunden war. Endlich ließ Gustav Adolf von ihm ab und begann, im Zelt auf und ab zu gehen.

«Wenn der Schnee weg ist, kommen wir über Bayern und zugleich von oben, ein Zangenangriff, und pressen sie zusammen. Dann machen wir den Vorstoß nach Heidelberg und treiben sie hinaus. Wenn es gutgeht, brauchen wir nicht mal eine große Feldschlacht, schon haben wir die Kurpfalz, und dann geb ich sie dir als Lehen, und dann beißt sich der Kaiser in den Hintern.»

«Als Lehen?»

«Ja, wie sonst?»

«Ihr wollt mir die Pfalz als Lehen geben? Mein eigenes Erbland?»

«Ja.»

«Das geht nicht.»

«Sicher geht das.»

«Die Pfalz gehört Euch nicht.»

«Wenn ich sie erobere, gehört sie mir.»

«Ich dachte, Ihr seid ins Reich gekommen für Gott und die Sache des Glaubens!»

«Ich pfeif dir gleich eine, natürlich bin ich das! Was glaubst du denn, du Maus, du Steinchen, du Forelle! Aber ich will auch was davon haben. Wenn ich dir die Pfalz einfach geb, was krieg dann ich?»