«Ihr wollt Geld?»
«Ich will auch Geld, aber ich will nicht nur Geld.»
«Ich bringe Euch den Beistand Englands.»
«Wegen deiner Frau? Hat dir bisher nichts genützt. Die haben dich im Regen stehen lassen. Glaubst du, ich bin blöd?
Seh ich aus wie einer, der denkt, jetzt kommen die Engländer auf einmal gelaufen, nur weil du rufst?»
«Wenn ich die Kurpfalz zurückbekomme, dann bin ich wieder das Haupt der protestantischen Fraktion im Reich, und sie werden kommen.»
«Du wirst nie mehr Haupt von irgendwas.»
«Wie könnt Ihr es -»
«Sei ruhig, armer Kerl, hör zu. Du hast mit hohem Einsatz gespielt, das ist gut, das mag ich. Dann hast du verloren, und nebenbei hast du diesen ganzen tollen Krieg ausgelöst. So kann es gehen. Manche spielen mit hohem Einsatz und gewinnen. Ich zum Beispiel. Ein kleines Land, eine kleine Armee, drüben im Reich scheint die protestantische Sache verloren, und wer hat mir geraten, alles auf eine Karte zu setzen, das Heer zu sammeln und nach Deutschland zu ziehen? Alle haben mir abgeraten. Tu's nicht, lass es, du kannst nicht gewinnen, aber ich hab es getan, und ich hab gewonnen, und bald werd ich in Wien sein und dem Wallenstein die Ohren abreißen, und der Kaiser wird vor mir in die Knie gehen, und ich werd sagen: Willst du noch Kaiser sein? Dann tu, was dir Gustav Adolf sagt! Aber es hätte anders ausgehen können. Ich könnte tot sein. Ich könnte in einem Boot sitzen und weinend zurück über die Ostsee rudern. Es nützt nichts, ein ganzer Kerl zu sein, stark und klug und ohne Angst, denn man kann trotzdem verlieren. So wie man auch einer wie du sein und trotzdem gewinnen kann. Gibt es alles. Ich hab gewagt und gewonnen, du hast gewagt und verloren, und dann, was hättest du tun sollen? Ja, aufhängen hättest du dich können, aber das ist nicht für jeden, und eine Sünde ist es schließlich auch. Drum bist du noch da. Weil du ja irgendwas tun musst. Also schreibst du Briefe und bittest und stellst Forderungen und kommst zu Audienzen und redest und verhandelst, als wär noch was los mit dir, aber da ist nichts! England schickt dir keine Truppen. Die Union kommt dir nicht zur Hilfe. Deine Brüder im Reich haben dich aufgegeben. Es gibt nur einen, der dir die Pfalz zurückgeben kann, und das bin ich. Und ich geb sie dir als Lehen. Wenn du vor mir kniest und mir Gefolgschaft schwörst als deinem Herrn. Also was ist, Friedrich? Was soll es sein?»
Gustav Adolf verschränkte die Arme und sah dem König ins Gesicht. Sein gesträubter Bart zitterte. Seine Brust hob und senkte sich, der König hörte deutlich seinen Atem.
«Ich brauche Bedenkzeit», brachte der König mühsam hervor.
Gustav Adolf lachte.
«Ihr werdet nicht erwarten ...» Der König räusperte sich, wusste nicht, wie er den Satz weiterführen sollte, rieb sich die Stirn, beschwor sich, nicht schon wieder das Bewusstsein zu verlieren, nicht ausgerechnet jetzt, um keinen Preis jetzt, und fing noch einmal von vorne an: «Ihr werdet nicht erwarten, dass ich eine solche Entscheidung treffe, ohne darüber -»
«Genau das erwarte ich. Als ich meine Generäle zusammengerufen hab, in den Krieg einzugreifen auf Gedeih und Verderb, glaubst du, ich hab das ewig hin und her gewälzt? Glaubst du, ich hab mich mit meiner Frau beraten? Glaubst du,
ich hab erst gebetet? Ich entscheide das jetzt, hab ich gesagt, und dann hab ich es entschieden, und gleich darauf hab ich die Gründe nicht mehr gewusst, aber die waren auch egal, weil es entschieden war! Und schon standen die Generäle vor mir und haben Vivat gerufen, und ich hab gesagt: Ich bin der Löwe aus der Mitternacht! Das ist mir so eingefallen.» Er tippte sich an die Stirn. «So etwas kommt einfach. Ich denk mir nichts, und plötzlich ist es da. Der Löwe aus der Mitternacht! Das bin ich. Also sag dem Löwen zu, oder sag ihm ab, aber stiehl mir keine Zeit.»
«Meine Familie besitzt die Landeshoheit über die Kurpfalz sowie die Reichsunmittelbarkeit seit -»
«Und du meinst, du kannst nicht der Erste deiner Familie sein, der die Pfalz vom Schweden als Lehen bekommt. Aber du wirst sehen, ich bin kein übler Kerl. Ich besteuer dich milde, und wenn du keine Lust hast, zu meinem Geburtstag nach Schweden zu kommen, schickst du deinen Kanzler. Ich tu dir nichts. Nimm die Hand, schlag ein, sei kein Schuh!»
«Kein Schuh?» Der König war sich nicht sicher, ob er richtig gehört hatte. Wo hatte dieser Mann Deutsch gelernt?
Gustav Adolf hatte den Arm ausgestreckt, und seine kleine, fleischige Hand schwebte vor der Brust des Königs. Er musste sie nur ergreifen, und er würde wieder das Heidelberger Schloss sehen, wieder die Hügel und den Fluss, wieder die dünnen Sonnenstrahlen, die durchs Efeu in den Kolonnaden fielen, wieder die Hallen, in denen er aufgewachsen war. Und Liz würde wieder leben können, wie es sich ziemte, mit genug
Zofen und weichem Leinen und Seide und Kerzen aus Wachs, die nicht flackerten, und ergebenen Leuten, die wussten, wie man zu einer Majestät sprach. Er konnte zurück. Es würde sein wie früher.
«Nein», sagte der König.
Gustav Adolf legte den Kopf schief, als hätte er schlecht gehört.
«Ich bin der König von Böhmen. Ich bin Kurfürst der Pfalz. Ich nehme das, was mir gehört, von keinem als Lehen, meine Familie ist älter als Eure, und weder gebührt es Euch, Gustav Adolf Wasa, so mit mir zu sprechen, noch, mir ein derart niederträchtiges Angebot zu machen.»
«Donnerwetter», sagte Gustav Adolf.
Der König wandte sich ab.
«Warte!»
Der König, schon auf dem Weg zum Ausgang, blieb stehen. Er wusste, dass er damit alle Wirkung wieder zerstörte, und dennoch konnte er nicht anders. Ein Funke von Hoffnung glimmte in ihm auf und ließ sich nicht ersticken: Es konnte ja sein, dass er diesen Mann mit seiner Charakterfestigkeit so beeindruckt hatte, dass er ihm nun ein neues Angebot machen würde. Du bist doch ein ganzer Kerl, würde er vielleicht sagen, ich habe mich getäuscht in dir! Aber nein, dachte der König, Unsinn. Und trotzdem blieb er stehen und drehte sich um und hasste sich dafür.
«Du bist doch ein ganzer Kerl», sagte Gustav Adolf.
Der König schluckte.
«Da hab ich mich getäuscht», sagte Gustav Adolf.
Der König unterdrückte einen Hustenanfall. In seiner Brust schmerzte es. Ihm war schwindlig.
«Dann geh mit Gott», sagte Gustav Adolf.
«Was?»
Gustav Adolf boxte ihn gegen den Oberarm. «Du hast es auf dem rechten Fleck. Kannst stolz sein. Jetzt hau ab, ich muss einen Krieg gewinnen.»
«Nichts mehr?», fragte der König mit gepresster Stimme. «Das war das letzte Wort, das ist alles, geh mit Gott?»
«Ich brauch dich nicht. Die Pfalz krieg ich so oder so, und England wird mir wahrscheinlich sogar früher zur Seite stehen, wenn du nicht bei mir bist, du erinnerst sie nur an die alte Schmach und die verlorene Schlacht vor Prag. Ist besser für mich, wenn wir das nicht machen, ist auch besser für dich, du behältst deine Würde. Komm!» Er legte seinen Arm um die Schultern des Königs, führte ihn zum Ausgang und zog die Plane zur Seite.
Als sie in den Warteraum traten, standen alle auf. Graf Hudenitz nahm den Hut ab und verbeugte sich tief. Die Soldaten standen stramm.
«Was ist denn das für einer?», fragte Gustav Adolf.
Der König brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er den Narren meinte.
«Was ist denn das für einer?», wiederholte der Narr.
«Du gefällst mir», sagte Gustav Adolf.
«Du mir nicht», sagte der Narr.
«Der ist lustig, so einen brauch ich», sagte Gustav Adolf.
«Dich find ich auch lustig», sagte der Narr.
«Was willst du für den?», fragte Gustav Adolf den König.
«Das würde ich nicht empfehlen», sagte der Narr. «Ich bringe Unglück.»
«Wirklich wahr?»
«Schau, mit wem ich gekommen bin. Schau, wie's ihm ergangen ist.»
Gustav Adolf sah den König eine Weile an. Der erwiderte seinen Blick und bekam einen Hustenanfall, den er die ganze Zeit unterdrückt hatte.