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»Geht vor«, sagte Skudder. »Ich sichere nach hinten.«

Charity und Hartmann nickten und machten sich auf den Weg.

Die Illusion, sich an Bord eines ganz normalen Raumschiffes zu befinden, in dem es lediglich ein bißchen zu kalt war, hielt nur noch wenige Schritte vor. An der nächsten Gangkreuzung fanden sie deutliche Spuren eines Kampfes - die typischen Brandnarben von Laserschüssen, die Wände und Boden getroffen hatten, aber auch Stellen, an denen das Metall aussah, als wäre es von gigantischen Hammerschlägen getroffen und regelrecht zermürbt worden. Charity mußte daran denken, auf welche Art und Weise die Aussichtsplattform von Skytown zerborsten war.

Sie gingen weiter, erreichten die nächste Gangkreuzung und fanden die ersten Toten. Es waren ausnahmslos Männer der Space-Force. Viele schienen durch Laserschüsse getötet worden zu sein, aber einige boten auch einen Anblick, der Charity nicht dazu bewog, ein zweites Mal und genauer hinzuschauen. Der Kampf mußte entlang des gesamten Korridors vor ihnen getobt haben, doch sie entdeckten nicht einen toten Angreifer. Die Fremden hatten ihre Toten entweder mitgenommen - oder keine Verluste gehabt.

Hartmann deutete auf eine Tür am Ende des Ganges. Sie liefen dorthin, öffneten sie und fanden sich in einem rechteckigen, senkrecht in die Tiefe führenden Schacht wieder. Vielleicht würde er später einmal eine Aufzugkabine aufnehmen, oder eine Treppe, im Moment aber war es einfach nur ein Loch, das quer durch das gesamte Schiff zu führen schien. Die Schwerelosigkeit und ihre Magnetstiefel halfen den Gefährten, problemlos den Grund des Schachts zu erreichen.

Hartmann verstellte den Fokus seiner Waffe und wies mit der gleichen Bewegung auf die einzige Tür, die vor ihnen lag.

»Der Hangar«, sagte er. »Seid jetzt auf der Hut. Ich an ihrer Stelle würde den Hangar streng bewachen.«

Er sagte Charity damit nichts Neues. Trotzdem glaubte sie nicht ernsthaft daran, daß sie auf der anderen Seite der Tür auf irgendwelchen Widerstand stoßen würden. Nach allem, was sie bisher gesehen hatte, schien es den Angreifern nicht besonders schwer gefallen zu sein, die Besatzung der EXCALIBUR zu überwältigen. Die Fremden hatten es wohl kaum nötig, Wachen aufzustellen. Trotzdem war sie auf alles gefaßt, als Hartmann die Tür öffnete.

Genauer gesagt, es versuchte.

Die Tür rührte sich nicht. Hartmann runzelte die Stirn, probierte es noch einmal und mit größerer Kraft, doch mit demselben Ergebnis. Die Tür saß so unverrückbar im Rahmen, als wäre sie festgeschweißt.

»Verriegelt?« fragte Skudder.

»Die Tür hat überhaupt kein Schloß. Jedenfalls, soweit ich es beurteilen kann«, sagte Hartmann. »Ich verstehe das nicht.« Er hob seine Waffe. »Tretet ein Stück zur Seite.«

Charity gehorchte, schloß aber vorsichtshalber ihren Helm und bedeutete Skudder und Hartmann, dasselbe zu tun.

Hartmann feuerte. Der dünne, gebündelte Strahl seiner Laserpistole fraß sich in das Metall der Tür und ließ schmelzenden Stahl und brennende Farbpartikel in sämtliche Richtungen spritzen. Charity trat hastig beiseite, um nicht von einem der glühenden Geschosse getroffen zu werden, die von keiner Schwerkraft gebremst wurden.

Und dann änderten sie jäh ihren Kurs. Der Laserstrahl hatte die Tür durchstoßen, und plötzlich wurden Flammen, brennendes Metall und Sauerstoff mit Urgewalt durch das entstandene Loch gezogen. Charitys Vorsicht war berechtigt gewesen. Auf der anderen Seite der Tür herrschte Vakuum.

Was die Tür wie festgeschweißt an ihrem Platz gehalten hatte, war der Luftdruck im Inneren des Schiffes gewesen.

»Passen Sie auf, was Sie tun, Hartmann«, sagte Skudder. »Gouverneur Seybert wird Sie auspeitschen lassen. Sie zerstören mutwillig Staatseigentum.«

Hartmann schnitt ihm eine Grimasse, hob seine Waffe und erweiterte das Loch, das er in die Tür geschweißt hatte. Der Sauerstoff strömte immer schneller aus dem Schacht.

Trotzdem dauerte es eine ganze Weile, bis der Luftdruck so weit gefallen war, daß sie die Tür öffnen konnten. Charity bebte innerlich vor Ungeduld.

Sie hatten schon viel zu viel Zeit verloren. Skytown wurde wahrscheinlich in genau diesem Moment gestürmt, und sie war längst nicht mehr sicher, daß die Angreifer eine kampflose Kapitulation akzeptieren würden.

Endlich schwang die Tür auf, und sie stürmten geduckt in den Hangar. Der Raum war hell erleuchtet, aber luftleer. Die großen Hangartore auf der gegenüberliegenden Seite standen offen, und zumindest auf den ersten Blick war kein Wächter zu entdecken. Die Angreifer hatten es dem Vakuum des Weltalls überlassen, auf das Dutzend Viper-Jäger aufzupassen, das vor ihnen stand.

»Perfekt«, sagte Hartmann. »Achtet auf die Seriennummern. Und los!«

»Warte!« sagte Skudder. »Wir brauchen die Vipern nicht. Da vorn steht etwas Besseres.«

Charitys Blick folgte seinem ausgestreckten Arm. Nicht sehr weit von ihnen entfernt, ein Stück abseits der Vipern, standen fünf scheibenförmige, zwölf Meter durchmessende Moroni-Jets.

»Bingo!« sagte Skudder fröhlich. »Sieht so aus, als hätte wir endlich einmal Glück. Die vorletzte ist eine Kampfmaschine, seht ihr?«

Selbst Charity fiel der Unterschied erst auf den zweiten Blick auf, was allerdings nicht allzu verwunderlich war. Sämtliche Jets der Moroni glichen sich auf den ersten Blick wie das sprichwörtliche Ei dem anderen. Der Unterschied bestand darin, daß einige Maschinen nur leicht bewaffnet waren, einige gar nicht, und wieder andere schwer genug, um damit einen Krieg zu gewinnen. Die Flugscheibe, auf die sie nun nebeneinander zurannten, gehörte zur letzten Kategorie.

Obwohl es mit den Magnetstiefeln schwierig war, zu rennen, erreichte Charity den Jet als erste. Sie stürmte die Rampe hinauf, warf sich mit einer schwungvollen Bewegung in den Pilotensitz und stellte mit einem Gefühl beiläufiger Enttäuschung fest, daß der Jet nicht für die Bedürfnisse eines menschlichen Piloten umgebaut worden war. Trotzdem würde sie ihn fliegen können - vielleicht nicht ganz so souverän wie ihren eigenen Jet, aber gut genug.

Hartmann und Skudder stürmten herein und nahmen auf den beiden anderen Sitzen Platz, und Charity schlug mit der flachen Hand auf den Hauptschalter, der den Gravitationsgenerator des Schiffes zum Leben erweckte.

»Ich schätze, unsere Freunde werden gleich eine böse Überraschung erleben«, sagte Skudder. »Charity, wo bleibt die Waffenenergie?«

Charity blinzelte verwirrt, schlug noch einmal auf den Schalter und wurde mit dem gleichen Ergebnis belohnt: Keinem. Die Energiequelle des Jets weigerte sich, ihren Dienst aufzunehmen.

»Was ist los?« fragte Hartmann.

»Keine Ahnung«, antwortete Charity. »Es funktioniert nicht. Verdammt!«

»Okay«, sagte Hartmann knapp. »Raus hier! Versuchen wir es in einer der anderen Maschinen.«

Sie verließen den Jet und rannten zu der daneben abgestellten Flugscheibe, einem leichten bewaffneten Transporter, der aber immer noch schneller und ungefähr zehnmal gefährlicher war als Hartmanns Vipern. Diesmal nahm Hartmann selbst im Pilotensessel Platz. Charity beobachtete mit angehaltenem Atem, wie er den Hauptschalter herunterdrückte.

Nichts geschah. Der Gravitationsgenerator unter ihren Füßen blieb stumm, und auf dem Kontrollpult leuchtete kein einziges Licht auf. Der Jet war ebenso tot wie der, aus dem sie gerade kamen.

»Das kann doch kein Zufall sein«, sagte Hartmann kopfschüttelnd. »Die Dinger sind praktisch unzerstörbar! Sie können nicht beide gleichzeitig defekt sein.«

»Das sind sie auch nicht«, sagte Charity leise. Obwohl sie wußte, wie sinnlos es war, beugte sie sich an Hartmann vorbei über das Kontrollpult und drückte wahllos ein paar Knöpfe.

Nichts geschah.

»Der Generator funktioniert nicht«, sagte Skudder düster. »Anscheinend haben sie nicht nur unsere Kommunikation lahmgelegt.«

»Wenn sie das könnten«, widersprach Hartmann, »dann hätten sie Skytown nicht in Stücke schießen müssen. Ein Knopfdruck hätte genügt, um uns zu lähmen.«