Und sie dachte keinen Sekundenbruchteil daran, sich davon zu überzeugen.
»Skudder! Bist du verletzt?«
Eine endlose, quälende Sekunde verging, dann meldete sich Skudders Stimme in ihrem Helmmikrofon. »Nein. Ich bin okay. Macht euch keine Sorgen um mich.«
»Such dir eine Maschine«, sagte Hartmann. »Und dann nichts wie raus hier!«
Charity steckte ihre Waffe ein, schwang sich ins Cockpit der Viper hinauf und benutzte alle zehn Finger, um ebenso viele Schalter gleichzeitig umzulegen. Anders als die beiden Jets vorhin erwachte die Viper sofort zum Leben. Das Kontrollpult leuchtete auf, und fünf Meter hinter Charitys Rücken begann das Triebwerk zu grollen.
Charitys Finger legten weitere Schalter um. Das Cockpit schloß sich summend, und Sauerstoff strömte mit einem kalten Zischen in die Kabine. Charity schaltete die Sauerstoffversorgung ihres Anzuges ab, ließ den Helm aber geschlossen; eine allgemeine übliche Vorgehensweise an Bord eines Raumjägers. Im Falle eines explosiven Druckverlusts würde sie die Sekunde, die sie brauchte, um den Helm zu schließen, vielleicht nicht mehr haben.
Auf dem Kontrollpult vor ihr leuchtete ein handtellergroßer Bildschirm auf, und Hartmanns Gesicht erschien. »Wir bekommen Besuch«, sagte er knapp.
Charity hob den Blick. Der tote Riese schwebte noch immer drei Meter über dem Boden und vollführte einen behäbigen, lautlosen Tanz. In der Tür hinter ihm waren drei weitere, gleichartig gekleidete Gestalten erschienen. Sie unterschieden sich weder in Größe noch Statur von ihrem toten Kameraden, und sie reagierten auch genau so schnell und kompromißlos wie er.
Zwei von ihnen hoben ihre Laserpistolen und eröffneten sofort das Feuer, während der dritte eine übergroße, klobige Waffe hob und damit auf die Viper zielte.
Charity blinzelte, als zwei präzise gezielte Laserstrahlen unmittelbar vor ihrem Gesicht von der durchsichtigen Cockpitkanzel abprallten. Wie die gesamte Maschine war das Glas gegen Strahlen gehärtet. Laserbeschuß dieses Kaliber vermochte die Maschine nicht ernsthaft zu beschädigen.
Bei der unbekannten Waffe jedoch, die der dritte Fremde auf sie richtete, war Charity sich nicht so sicher.
Aber sie wartete auch nicht ab, um sich vom Gegenteil zu überzeugen.
Die Triebwerke der Viper benötigten noch ungefähr dreißig Sekunden, um warm zu laufen, doch die Waffensysteme des Jägers waren bereits voll einsatzfähig. Charitys Hand hämmerte auf den Auslöser, und unter der linken Tragfläche des Jägers fauchte eine Rakete heraus und ritt auf einem lodernden Feuerstrahl auf die drei Gestalten zu. Die Fremden versuchten nicht mehr auszuweichen. Das Raketengeschoß jagte durch die Tür, durch die Charity und die anderen hereingekommen waren, bohrte sich in die Schachtwand dahinter und explodierte.
Für eine halbe Sekunde wurde Charity vollkommen geblendet. Gleißendes, unerträglich helles Licht überflutete den Hangar, dann flog die gesamte Rückwand auseinander. Eine Wolke aus brodelndem Feuer schoß durch die riesige Halle. Die Maschine zitterte so heftig, daß Charitys Zähne schmerzhaft aufeinanderschlugen, und ein ganzer Hagelschauer von Trümmern regnete auf die Viper herab. Auf dem Pult begann eine rote Lampe zu flackern und erlosch wieder.
Als das Chaos sich legte, war die Rückwand des Hangars verschwunden, ebenso die Leichen der vier Angreifer. Rotglühendes Metall und verbogener Schrott erhoben sich dort, wo zuvor eine massive Wand aus Stahl gewesen war.
»Na, prächtig«, meldete sich Hartmann über Funk. »Sehr zuvorkommend von dir, daß du keinen Nuklearsprengkopf genommen hast. Ich schlage vor, daß wir die Tore benutzen - es sei denn, du bestehst darauf, dir den Weg nach draußen freizuballern.«
»Was, zum Teufel, haben diese Dinger geladen«, keuchte Charity. Insgeheim mußte sie eingestehen, daß sie einfach das erstbeste Geschoß abgefeuert hatte. Möglicherweise hatte sie wirklich noch Glück gehabt, kein noch größeres Kaliber erwischt zu haben...
Hartmann lachte. »Ich habe dir doch gesagt, daß diese Jäger waffentechnisch erste Sahne sind, oder? Glaubst du mir eigentlich nie?«
»Wenn ihr beide mit dem Fachsimpeln fertig seid«, mischte Skudder sich ein, »dann sollten wir vielleicht von hier verschwinden. Da draußen tut sich nämlich was.«
»Okay«, sagte Harrmann. »Also los. Sollten wir getrennt werden, versucht jeder für sich, Skytown zu erreichen.«
Die roten Kontrollichter des Triebwerks vor Charity wechselten zu grün. Sie griff nach dem Steuerknüppel, ließ die Maschine behutsam in die Höhe steigen und drehte die Viper gleichzeitig um hundertachtzig Grad, bis der Bug genau auf die offenen Hangartore deutete. Neben ihr stiegen Hartmanns und Skudders Maschinen auf lodernden Feuersäulen in die Höhe, und im gleichen Moment erkannte Charity auch, was Skudder mit seiner Bemerkung gemeint hatte. Draußen im All tat sich tatsächlich etwas.
Vor dem Hangar war eines der Rochenschiffe erschienen.
Der Pilot war unschlüssig. Er hatte insgeheim gemerkt, daß im Inneren der EXCALIBUR irgend etwas nicht nach Plan verlief, wußte aber offensichtlich nicht genau, was es war.
Charity gab ihm keine Gelegenheit, genauer nachzusehen. Eingedenk der schlechten Erfahrung, die sie gerade gemacht hatte, schoß sie diesmal keine Rakete ab, sondern feuerte mit allen vier Lasern der Viper.
Das Rochenschiff loderte blendend hell auf. Charity sah, wie sich die armdicken Lichtstrahlen funkensprühend durch das Metall fraßen. Flammen und grelle Explosionen zuckten auf, geschmolzenes Metall lief in Strömen über die Flanken des Schiffes. Die fremdartige Maschine zitterte, kippte über die linke Tragfläche ab, fing sich aber noch einmal. Dann feuerte auch Skudder seine Laser ab, und das Rochenschiff verwandelte sich in einen Feuerball, der das gesamte Schleusentor ausfüllte und die Hälfte des Hangars verschlang. Charitys Viper erbebte wie unter einem Faustschlag. Sie sah, wie drei, vier weitere Jäger von der ungeheuren Feuerwalze ergriffen und davongewirbelt wurden wie trockenes Laub. Sekundenlang kämpfte sie verzweifelt mit der Steuerung, um nicht ebenfalls gegen die Wand geschleudert zu werden. Dann hatte sie die Viper wieder unter Kontrolle.
»Ups«, sagte Skudder. »Die Dinger halten ja gar nichts aus.«
»Wenn ihr beiden euch unbedingt selbst umbringen wollt, dann wartet doch bitte damit, bis ich ein paar tausend Kilometer entfernt bin«, mischte Hartmann sich ein. »Und unterschätzt die Rochenschiffe nicht. Wir haben den Burschen überrascht, aber das funktioniert normalerweise nur einmal. Raus jetzt!«
Charity schob den Beschleunigungshebel beinahe sanft nach vorn. Trotzdem machte die Viper einen Satz, der Charity brutal in den Pilotensessel hineinprügelte, und katapultierte sich regelrecht aus dem Hangar hinaus. Die gewaltige Halle stürzte förmlich hinter Charity zurück, und sie befand sich jäh draußen im All.
Aber sie war nicht allein.
Der Ortungsalarm begann praktisch im gleichen Moment zu schrillen, als die Viper aus der EXCALIBUR hinausjagte. Ein halbes Dutzend roter Lichter begann auf dem Kontrollpult vor Charity zu flackern, und eine Computerstimme quäkte irgend etwas in ihren Helmlautsprecher, das sie nicht verstand. Die Warnung war auch nicht notwendig. Sie hatte die beiden Rochenschiffe, die mit lodernden Triebwerken auf sie zuhielten, bereits gesehen.
»Achtung, jetzt!« rief Hartmann. »Wir greifen den linken an! Alle zusammen!«
Charity fragte sich flüchtig, wer Hartmann eigentlich zum Commander ihrer kleinen Staffel ernannt hatte, gehorchte aber trotzdem sofort. Sie beschleunigte noch mehr, wartete ungeduldig, bis der Rochen im Fadenkreuz des Zielcomputers erschien und feuerte dann die Laser ab.
Die Schüsse lagen genau im Ziel. Die vier grell leuchtenden Laserbahnen vereinigten sich in dem Cockpit des Schiffes - und spritzten auseinander wie harmlose Wasserstrahlen, die auf eine Stahlplatte getroffen waren.