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Charity war nicht besonders überrascht, daß das Rochenschiff seine furchtbare Primärwaffe nicht einsetzte. Der Pilot hatte offenbar die Befürchtung, den Kommunikationssatelliten zu treffen. Auf diese Weise hatte Hartmann vielleicht eine winzige Chance, nicht sofort abgeschossen zu werden.

Charity jedenfalls hatte keine Zeit, ihm zu helfen.

Einer der beiden Rochen trieb brennend durch das All, aber der Pilot des anderen hatte seine Maschine mittlerweile wieder unter Kontrolle. Und ihr Ortungsschirm demotivierte sie zusätzlich mit der Nachricht, daß sich auch der vierte Gegner mittlerweile fast in Schußweite befand.

Gottlob hatte Charity nicht einmal Zeit, Angst zu haben. Sie schob den Beschleunigungshebel der Viper bis zum Anschlag nach vorne. Der Jäger machte einen Satz, der sie in die Sitzpolster preßte und ihr den Atem aus den Lungen trieb, beschleunigte mit nahezu unvorstellbaren Werten und überwand die Distanz zum gegnerischen Schiff in weniger als einer Sekunde.

Der Pilot des Rochen reagierte im letzten Augenblick. Das Schiff kippte zur Seite, und Charitys Viper raste mit flammenspeienden Triebwerken keine zwei Meter unter der linken Schwinge des Rochen hindurch. Blaue Flammen und winzige Funken stoben aus dem Metall des Rumpfes, als sie den Schutzschirm des Rochenschiffes streifte, und auf dem Instrumentenpult vor ihr begann fast ein Dutzend roter Lichter zu flackern. Einige von ihnen erloschen wieder, andere leuchteten weiter.

Charity beschleunigte noch immer mit allem, was die Triebwerke hergaben, zwang die Viper in eine enge Linkskurve und änderte jäh den Kurs, als ihr Ortungsalarm einen Treffer meldete. Mit glühendem Metall und zerfetzten Leitungen und Drähten wirbelte eine ihrer Raketenlafetten davon. Aus dem aufgerissenen Tank sprühte Treibstoff in einem feinen Nebel, entzündete sich aber wie durch ein Wunder nicht. Auf dem Pult vor ihr begannen weitere rote Lichter zu blinken, und aus dem rasenden Flug der Viper wurde ein ruckelndes Taumeln, das kaum noch unter Kontrolle zu halten war.

Trotzdem gelang es Charity irgendwie, das Rochenschiff noch einmal anzuvisieren. Sie feuerte die Railgun ab, doch statt des erwarteten, schweren Wuuusch ertönte nur ein trockenes Klacken. Die Waffe war beschädigt. Sie war so gut wie wehrlos.

Das Rochenschiff feuerte. Charitys Cockpit wurde undurchsichtig, als das Glas zu schmelzen begann und Blasen warf, und das Kontrollpult vor ihr leuchtete nun in einem einheitlichen Rot.

Charity tat zwei Dinge zugleich - beide, ohne darüber nachzudenken: Sie schlug auf den Notschalter, der den Schleudersitz auslöste, und schob den Beschleunigungshebel erneut bis zum Anschlag nach vorne. Das schmelzende Cockpit wurde aus der Maschine geschleudert und zerfiel rings um Charity herum in mehrere Teile - gerade noch rechtzeitig, um ihr zu zeigen, wie sich die sterbende Viper mit nahezu zwanzigtausend Stundenkilometern in die Unterseite des Rochenschiffs bohrte.

Beide Schiffe explodierten.

Charity schloß geblendet die Augen, als wenige hundert Meter vor ihr für Sekunden eine zweite, unglaublich helle Sonne aufging. Sie riß die Hände vor das Gesicht und wartete darauf, von der Hitze oder einem Trümmerstück getötet zu werden. Weder das eine noch das andere geschah, aber die Schockwelle ergriff sie und wirbelte sie hilflos wie ein Blatt im Herbststurm davon.

Die Erde, die EXCALIBUR und der gesamte Rest des Universums begannen einen irrsinnigen Tanz rings um sie herum, doch Charity sah trotzdem, daß es hinter dem Sternenschiff in unregelmäßigen Abständen noch immer aufblitzte. Zumindest war Hartmann noch am Leben.

Und ganz offensichtlich auch in der Lage, sich zu wehren.

Wie lange das noch für Charity galt, war fraglich.

Sie griff nach den Kontrollen ihres Rückentornisters, aber das Gerät gab nur ein protestierendes Summen von sich und schaltete sich dann ab. Der Treibstofftank war unwiderruflich leer. Es gelang Charity nicht, ihr wildes Trudeln und das Überschlagen unter Kontrolle zu bringen. Und sie entfernte sich immer weiter und weiter von der EXCALIBUR. In einigen Stunden würde das Schiff immer mehr zusammenschrumpfen und schließlich vor dem Hintergrund der Erde verschwinden. Aber das würde sie wahrscheinlich nicht mehr erleben. Ihr Sauerstoffvorrat würde noch eine Stunde reichen, vielleicht zwei.

Eine verdammt lange Zeit um zu sterben.

Charity begann mit den Armen zu rudern, um ihr hilfloses Trudeln irgendwie unter Kontrolle zu bringen, erreichte damit aber eher das Gegenteil. Die Sterne tanzten weiter wie betrunken um sie herum, und für einen Moment wurde ihr so schwindelig, daß sie die Augen schließen mußte.

Als sie die Lider wieder hob, sah sie das Schiff.

Es war das vermißte Landungsschiff der Fremden, das direkt auf sie zuhielt. Charity sah eine verschwommene Bewegung hinter dem schrägen Cockpitfenster, dann blitzte es grell unter dem Bug des Schiffes auf. Statt des erwarteten tödlichen Laserstrahls waren es jedoch nur die Bremstriebwerke des Schiffes. Der Pilot wollte offensichtlich längsseits gehen.

Vielleicht, um ihren Todeskampf in aller Ruhe zu genießen.

Charity würde ihm diesen Gefallen nicht tun. Sie hörte auf, wild mit den Armen zu fuchteln, und wartete reglos, während das Schiff sich ihrer Geschwindigkeit anpaßte und längsseits ging; ein Kunststück, daß dem fremden Piloten übrigens wesentlich schneller gelang als vorhin Charity, als sie dasselbe mit Skudder versucht hatte.

Trotzdem dauerte es gute fünf Minuten, bis das Schiff sich ihrem Kurs so weit angepaßt hatte, daß es neben ihr scheinbar zum Stillstand kam. Eine der großen Seitentüren glitt auf, und ein riesige Gestalt in einem schwarzen Schutzanzug sprang heraus und flog auf sie zu.

Die Fremden wollten sie lebend fangen.

Charity empfing den schwarzen Giganten mit einem Fußtritt, doch der Riese nahm ihn ohne sichtbare Reaktion hin, packte ihr Bein und drehte sie mit einem brutalen Ruck herum, der ihr fast das Gelenk aus der Hüfte kugelte. Sie keuchte vor Schmerz, versuchte mit viel zu großer Verspätung, nach ihrer Waffe zu greifen und wurde abermals herumgewirbelt. Der Fremde schwang einen gewaltigen Arm von hinten um ihre Schultern, blockierte auf diese Weise Charitys Arme und drückte so heftig zu, daß sie keine Luft mehr bekam. Gleichzeitig begannen sie wieder auf die offene Luftschleuse des Landungsschiffes zuzugleiten.

Charity stellte ihren Widerstand ein und wurde damit belohnt, daß der Würgegriff des Fremden sich wieder lockerte, so daß sie atmen konnte. Sie beging nicht den Fehler, noch einmal nach ihrer Waffe greifen zu wollen. Sie hatte die unvorstellbare Kraft des Fremden gefühlt. Wahrscheinlich konnte er ihr jeden einzelnen Knochen im Leib brechen, ohne sich groß anzustrengen.

Sie erreichten das Schiff, glitten durch die Schleuse und gerieten urplötzlich in den Bereich künstlicher Schwerkraft. Charity fiel unsanft zu Boden, als der Fremde sie urplötzlich losließ.

Zwei, drei Sekunden lang blieb sie regungslos liegen und rang qualvoll nach Atem. Dennoch registrierte sie, daß die Luftschleuse gar keine Luftschleuse war. Das Schiff bestand aus einem einzigen, großen Innenraum, an dessen Wänden sich zwei Reihen metallener, unbequem aussehender Sitzbänke entlangzogen. Die Pilotenkanzel war nicht separat. Charity konnte das Kontrollpult des Shuttle erkennen, vor dem zwei Sessel mit hohen Lehnen standen. Nur einer davon war besetzt. Offensichtlich bestand die Besatzung des Transporters im Augenblick nur aus zwei Männern.

Eine Hand packte sie an der Schulter, riß sie grob in die Höhe und drehte sie gleichzeitig herum. Obwohl Charity wußte, wie sinnlos es war, griff sie abermals nach ihrer Waffe. Der Fremde machte eine blitzschnelle Bewegung, um sie Charity aus der Hand zu schlagen.

Und erstarrte in dem Moment, als sein Blick auf Charitys Gesicht fiel. Irgend etwas an ihren Anblick schien ihn regelrecht zu lähmen.