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Die Nassfliegen sollen dem Fisch ein ertrunkenes Insekt, eine zur Wasseroberfläche aufsteigende Larve oder die Nymphe eines gerade vor dem Ausschlüpfen stehenden Insekts vortäuschen. Entweder die Nassfliege ahmt ein echtes Insekt so naturgetreu wie möglich nach, oder sie ist ein Augenfänger, der allein durch Form und Farbe die Aufmerksamkeit des Fisches erregt.

13

Ich stand gestern früh hinter der Theke und half Alma. Sie sagte, dass sonst nie so viel Betrieb an Markttagen sei, schon seit Jahren nicht mehr, und nun wohnten auch noch die Brückenarbeiter und Angler im Haus — aber sie wolle sich nicht beschweren, denn sonst säße meist nur Zehner in der Gaststätte. Ich zapfte gerade Bier, als Märktler hereinkamen und Zehner ihnen zurief, dass der Bauer nur noch ein Knecht sei, der mit seinem großen Traktor immerzu im Kreis fahre, bis er dann verrecke, der Tod dauere das ganze Leben und ende, wenn er eintrete.

«Es gibt keine Arbeit mehr, keine Arbeit für nichts», schrie er.

Alma servierte Kaffee. Eine Frau mit vollgepackten Einkaufstaschen saß in einer Ecke an einem Tisch, ein dicker Mann mit einem gezwirbelten Schnurrbart und langen Koteletten bestellte einen Schoppen Wein, rauchte seine Zigarette mit einer Spitze, erwiderte, zu Zehner gewandt, dass jeder, der Arbeit haben wolle, sie auch bekomme, dass sie in anderen Ländern faul seien, er selbst sei nie in Afrika gewesen, aber es müsse doch einen Grund haben, dass die dort hungerten, wir hier aber nicht, denn weil wir fleißig seien, gehe es uns auch gut. Dann redeten alle durcheinander, und niemand hörte dem anderen mehr zu.

«Es werden hier ja immer weniger Marktstände, bald lohnt es sich überhaupt nicht mehr herzukommen», sagte einer.

Zehner sprach jetzt über die Kriegsjahre, erzählte von einem Polen, der Kriegsgefangener gewesen war und, als Zehner noch ein Kind war, in ihrer Mühle arbeitete. Dieser Pole hatte eine Liebschaft mit einer deutschen Frau, was für einen Polen verboten gewesen sei. Zehner sagte, heute wolle keiner mehr wissen, was sie mit ihm damals gemacht hätten. Dann erzählte er, wie er die beiden im Heuschober beim Lieben beobachtet hatte, von ihren nackten Hintern sprach er und den fuchsfarbenen Haaren dieser Frau, die man später abtransportierte, von den Schwalben, die zu ihren Nestern unterm Dach geflogen waren und ihre Jungen gefüttert hatten, den ganzen Tag hatten sie nichts anderes getan, sich mit ihren Krallen an den Nestern festgeklammert und Insekten in gierig aufgerissene Mäuler gestopft. «Den ganz’n Tag bis zum Dämmern … war nicht mehr viel Zeit, musst’n die Jungen groß krieg’n … und wegflieg’n nach Afrika … un’ dann war se auch weg … weg … weg.»

Alma ging in die Küche, um die Thermoskanne aus der Kaffeemaschine zu holen. Sie kam zu mir, lächelte und sagte, sie freue sich, dass ich wieder mal nach Hause gekommen sei. Dann verschwand sie wieder in der Küche. In der Gaststätte waren alle versorgt, die meisten Märktler wieder gegangen. Die Schwestern schienen irgendwo im Haus unterwegs zu sein. Vielleicht wollten sie noch einmal mit Hermann reden oder suchten nach ihm, weil sie meinten, er sei gar nicht mehr in seinem Zimmer, sondern irgendwo am Fluss bei seinen Fischen, wie Salm und Knuppeglas behauptet hatten.

Als ich, nachdem ich die Gäste bedient hatte, zu Alma in die Küche kam, sagte sie, dass das alles überhaupt keinen Zweck mehr habe. Hermann würde, wenn er überhaupt noch in seinem Zimmer sei, die Tür doch nicht aufmachen, er habe auch seit Tagen nichts mehr gegessen.

«Ich dachte, Leo, auf dich würde er hören. Was machen wir nur, wenn Sartorius kommt?» Alma sah müde aus, ich vermutete wegen der Sorgen, die sie in der letzten Zeit mit Hermann gehabt hatte. Ich fragte mich, was sie an ihm gefunden hatte, was an ihm so Besonderes gewesen war, wieso sie ihn mir vorgezogen hatte, wieso sie nicht von hier weggegangen war, wie sie es immer gewollt hatte. Wenn sie mit uns auf dem Floß gelegen hatte, hatte sie immer von Paris erzählt, obwohl sie noch nie dort gewesen war, sie wollte nach Paris und in einem Hotel arbeiten. Wenn Belgier bei uns logierten, versuchte sie, mit ihnen Französisch zu reden. Sie hatte uns einmal erklärt, dass Arimond, der Name unserer Familie, auch französisch sei und so viel bedeute wie Adlerberg. In ihrem Zimmer hing ein Stadtplan von Paris, den sie auswendig kannte. Sie hatte Verwandte in Paris, die einmal zu Besuch gekommen waren, eine Woche bei uns übernachteten und in der Hauptsaison drei Zimmer belegten, die Alma von ihrem spärlichen Gehalt bezahlte.

Ich fragte Alma, warum sie damals nicht nach Paris gegangen sei. Sie sagte, dass Hermann und Mutter nicht ohne sie zurechtgekommen wären. «Ihr wart ja alle weg, deshalb bin ich zurückgekommen, aber wenn ich das geahnt hätte, wäre ich jetzt nicht hier. Hermann wollte doch auch nichts mehr von mir wissen, und nachdem er diese Frau kennengelernt hatte, erst recht nicht mehr. Deine Schwestern wollen mich hier raus haben. Sie machen mir Vorwürfe wegen des Zustands des Hauses, nur wenn du dabei bist, sagen sie nichts. Ich kann nichts dafür, dass es so gekommen ist, Leo. Was hätte ich denn machen sollen?»

Die Gäste wollten einen Imbiss, an der Theke musste bedient werden. Die Brückenarbeiter standen vom Frühstückstisch auf, zogen ihre Regenjacken an, setzten die Schutzhelme auf, einer kam, bevor er die Gaststätte verließ, zur Theke und tuschelte mit Alma. Nachdem die Arbeiter gegangen waren, räumte Alma ihr Frühstücksgeschirr ab, kam damit in die Küche, stellte es auf die Anrichte und begann mit dem Abwasch. Reese legte ihr Strickzeug auf den Küchentisch, schlurfte zur Anrichte, nahm ein Küchentuch und trocknete die Töpfe und Pfannen ab. Sie stellte einen schweren Gusstopf auf die Spüle, wischte ihn innen trocken, fuhr dann mit dem Tuch außen herum, stellte ihn auf die Anrichte und räumte das schmutzige Besteck in die Spülmaschine.

Während Alma und Reese spülten, saß ich allein am Küchentisch. Ich hörte die Mailbox meines Handys ab und legte es in die Rucksacktasche zurück, stand auf, ging zum Fenster und sah zum Fluss. Der Nebel überm Wasser löste sich auf, zog am Ufer entlang und verfing sich wie ein zartes Tuch im Ufergestrüpp, es nieselte leicht. Auf der Brücke holten die Arbeiter Werkzeug aus einem Pritschenwagen. Sie bohrten Löcher, spannten eine Schnur, vermaßen etwas. Alma sagte, dass die Brückenarbeiter nun schon seit zwei Wochen bei uns logierten. Die Brückenarbeiter seien sehr angenehme Gäste. Ein Zug hielt am Bahnhof. Schüler und eine Wandergruppe stiegen aus. Einige Schüler kamen in die Gaststätte zum Kickerspielen. Sie warteten auf ihren Bus, redeten darüber, dass ihr Lehrer plötzlich erkrankt und der Unterricht ausgefallen sei. Alma bat mich, die Schüler zu bedienen. Sie trugen Aufnäher des Gymnasiums, das auch Hermann besucht hatte — das Bildnis des heiligen Hermann Joseph, der die Eifel christianisiert hatte und nach dem auch Hermann, wie viele hier in der Gegend, seinen Namen erhalten hatte. Vielleicht hätte Hermann nicht aufs Gymnasium gehen sollen, vielleicht fängt das Unglück damit an, dass man Dinge lernen muss, die man nicht lernen will, dass man plötzlich in einer Welt ist, in die man nicht gehört, in der man sich völlig fremd fühlt.

Ich kann nicht behaupten, dass ich für Hermann in diesen Jahren ein guter Bruder gewesen bin, ich fing damals an, ihn zu verspotten, wie es auch meine Freunde taten — alles, was er machte und was ich früher bewundert hatte, erschien mir nun lächerlich. Eifersüchtig war ich, weil Alma sich seinetwegen von mir abgewandt hatte, sich nur noch um ihn kümmerte, dass alle sich nur noch um Hermann bemühten.

Ich bezweifle, dass unsere Mutter von diesen Vorgängen etwas mitbekommen hat, weiß nicht, in welcher Welt sie damals lebte und ob sie nach Valentins Tod noch etwas wirklich interessierte, außer ihren gelegentlichen Eskapaden mit fremden Männern. Reese jedenfalls sagte einmal, dass nach Valentins Tod ihre Lebensfreude plötzlich dahin gewesen sei. Sie habe früher viel gelacht, gesungen und Klavier gespielt, danach aber nichts mehr dergleichen getan.