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Alles.

Zuerst mußte sie mehr über ihn erfahren.

Sie zupfte seine Bettdecke zurecht und nahm den Notizblock vom Nachttisch. ›Ich bin nach Albuquerque einkaufen gefahren‹, schrieb sie. ›Machen Sie sich keine Sorgen; in ein paar Stunden werde ich zurück sein. K.‹ Sie legte die Notiz auf das unbenützte Kopfkissen neben ihm und ging ins Kinderzimmer.

Jill, die ruhig gespielt hatte, ließ sich ohne Widerstreben den Mantel anziehen und hinausführen. Sie hatte die leichte Anpassungsfähigkeit einer Dreijährigen für Veränderungen der Umgebung und der Umstände. Sie erinnerte sich noch an ihren toten Vater, aber nur vage, und genau genommen beschränkte sich das Gedächtnisbild darauf, daß sie jemanden Papa genannt hatte. Würde Ted plötzlich zur Tür hereinkommen, würde Jill ihn wahrscheinlich nicht wiedererkennen. Das entlaufene Kätzchen verblaßte genauso in ihrer Erinnerung, nur in viel kürzerer Zeit. Was Vorneens ebenso unvermittelte wie unerklärliche Ankunft betraf, so schien Jill sich überhaupt keine Gedanken darüber zu machen. Sie hatte es als ein Phänomen ihrer Umwelt akzeptiert, wie den Wechsel von Tag und Nacht oder das Kommen des Postboten. Für Jill war Vorneen ein Besucher, jemand, der bei der Familie blieb, und nach dem zweiten Tag hatte sie alles Interesse für den Mann im Bett verloren.

Kathryn brachte Jill über die Straße zu einer Nachbarin, mit der sie eine unbestimmte, distanzierte Freundschaft unterhielt. Die Frau hatte vier Kinder unter zehn Jahren, und es schien ihr nichts auszumachen, ein weiteres zu behüten. »Können Sie Jill bis ungefähr fünf Uhr bei sich behalten?« fragte sie. »Ich muß in die Stadt.« So einfach war es. Jill winkte ihr nach.

Fünf Minuten später war Kathryn auf der Hauptstraße. Der batteriegetriebene Wagen summte mit achtzig Meilen in der Stunde an Bernalillo vorbei und tauchte in die Vorstadt von Albuquerque ein. Um diese Stunde war der Verkehr noch leicht. Graue Wolkenbänke trieben im winterlichen Himmel, schwer und Schnee verheißend. Kathryn fühlte sich beschwingt und angenehm erregt. Hier in der Stadt gab es Leute, die ihr über Fliegende Untertassen Auskunft geben konnten, und dies war ein guter Tag, um mit ihnen zu reden.

Als sie den Wagen in der großen Tiefgarage unter dem Rio Grande Boulevard abgestellt hatte, wanderte Kathryn ostwärts in die Altstadt. Im Telefonbuch war die Romero Street als Adresse des Kontaktkultes angegeben. Natürlich wurde er von seinen Anhängern nicht Kontaktkult oder gar UFO-Klub genannt; das waren Zeitungsnamen, und Kathryn konnte verstehen, daß die Leute solche Bezeichnungen verabscheuten. Der offizielle Name der Gruppe lautete »Vereinigung für die Bruderschaften der Welten«. Kathryn fand sie im Telefonbuch unter der Rubrik »Religiöse Organisationen«.

Eine polierte Bronzetafel neben der Tür eines heruntergekommenen alten Gebäudes zeigte an, daß sie an Ort und Stelle war. Kathryn blieb eine Weile unschlüssig davor stehen. Ihre Wangen wurden plötzlich flammendrot, als sie sich erinnerte, mit welch ätzendem Spott Ted von dieser Vereinigung gesprochen hatte, wie er sich über ihren mystischen Pomp, ihre Séancen in Stonehenge und Mesa Verde und ihre frömmelnde Mixtur aus altertümlichem Ritual und modernem wissenschaftlichem Klimbim lustig gemacht hatte. Ted hatte gesagt, daß die Hälfte der Mitglieder des Kontaktkultes Betrüger und die andere Hälfte ihre willigen Opfer seien, und daß er Frederic Storm, den Vorsitzenden, für den größten Betrüger von allen halte. Kathryn gab sich einen Ruck und ging hinein. Teds Ansichten spielten jetzt keine Rolle. Sie war nicht gekommen, um der Vereinigung beizutreten. Sie wollte bloß Informationen.

Die kostspielige Inneneinrichtung strafte die schäbige Fassade des Hauses Lügen. Kathryn sah sich in einem hohen Vorraum, der bis auf ein paar elegante Ledersessel und eine schimmernde Bronzestatuette auf einem Marmorsockel leer war. Diese Statuette stellte das Wahrzeichen des Kontaktkultes dar, eine nackte Frau mit geschlossenen Augen, die Arme zu den Sternen ausgestreckt. Kathryn hatte das Emblem immer für kitschig und albern gehalten, aber nun war sie — zu ihrem Unbehagen — nicht mehr so sicher. Auf drei Seiten des Raumes führten kostbare Mahagonitüren ins Innere des Gebäudes.

Sie wußte, daß sie beobachtet wurde. Ein Moment verging, und eine der Türen wurde geöffnet. Eine Frau von etwa vierzig Jahren kam heraus und lächelte ein professionelles Lächeln. Ihr Haar war streng zurückgekämmt, ihre Kleidung von moderner Einfachheit. Am Kragen trug sie das stilisierte kleine Modell einer Fliegenden Untertasse, das als Mitgliedsabzeichen der UFO-Gläubigen diente.

»Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?«

»Ah — ja«, sagte Kathryn unschlüssig. »Ich — ich hätte gern ein paar Auskünfte…«

»Gut. Würden Sie bitte mit mir kommen?«

Sie wurde in ein Büro geleitet, das einem Bankpräsidenten Ehre gemacht hätte. Die schlicht und sachlich agierende Frau nahm hinter einem würfelförmigen Schreibtisch Platz. Kathryn sah die grüblerischen, bewußt mystisch-entrückten Züge Frederic Storms aus einer meterhohen Fotografie von der Wand herabstarren. Der Führer, dachte sie. Heil!

»Sie sind ein wenig früh gekommen, um an unserer Abendfeier teilzunehmen«, sagte die Frau. »Um acht Uhr heute abend wird Frederic Storm auf dem Bildschirm zu sehen sein, und das sollten Sie nicht missen. Aber in der Zwischenzeit bin ich Ihnen gern bei Ihrer Orientierung behilflich. Haben Sie schon einmal einer Gruppe der Vereinigung angehört?«

»Nein«, sagte Kathryn. »Ich…«

»Dann handelt es sich nur um eine Routine, die rasch erledigt sein wird.« Die Frau stellte ein Aufnahmegerät auf den Tisch. »Wenn Sie uns ein paar Fragen beantworten, können wir Sie sofort als Mitglied aufnehmen und Sie an der Harmonie unserer Gruppe teilnehmen lassen. Ich nehme an, unsere grundsätzlichen Ziele und unsere Lehre sind Ihnen in Umrissen bekannt?« Die Frau nickte Frederic Storms Abbild bedeutungsvoll zu. »Vielleicht haben Sie einige von Frederic Storms Büchern über seine Kontakte mit unseren Brüdern aus dem All gelesen? Er ist ein wunderbarer Schriftsteller, würden Sie nicht auch sagen? Ich verstehe nicht, wie ein vernünftiger Mensch seine Bücher lesen kann, ohne zu erkennen, daß…«

Kathryn unterbrach sie. »Es tut mir leid, ich habe keines von seinen Büchern gelesen. Ich bin auch nicht zur Abendfeier gekommen, oder um Mitglied zu werden. Ich wollte nur ein paar Informationen.«

Der Ausdruck professioneller Wärme verschwand. »Arbeiten Sie für die Presse oder das Fernsehen?« fragte die Frau schroff.

»Sie meinen, ob ich Reporterin bin? O nein. Ich bin nur eine — eine gewöhnliche Hausfrau. Ich mache mir Sorgen über diese Weltraumdinge, die Untertassen und alles das, und ich weiß nicht, wo ich mit meinen Fragen anfangen soll, außer daß ich mehr darüber wissen möchte, ob es Wesen dort draußen im Raum gibt und was sie von uns wollen. Wissen Sie, ich wollte schon lange einmal vorbeikommen, und als ich vor ein paar Tagen diesen Feuerstreifen am Himmel sah, war es der letzte Anstoß. Aber ich bin wirklich unwissend. Sie werden mit mir ganz unten anfangen müssen.«

Die Frau vom Kontaktkult entspannte sich und gab ihre Abwehrhaltung gegen die vermutete Zeitungsschnüfflerin auf. »Vielleicht sollten Sie mit unserer Literatur beginnen«, sagte sie und nahm einen dicken Umschlag aus einem Schreibtischfach, um ihn Kathryn zuzuschieben. »Darin finden Sie alle für den Anfang wichtigen Broschüren. Und hier —« sie legte ein ziemlich umfangreiches, kartoniertes Buch auf den Umschlag — »haben Sie die letzte Ausgabe von Frederic Storms Werk ›Unsere Freunde, die Galaktiker‹. Ein sehr inspirierendes Buch.«