Выбрать главу

»Ich dachte, du wüßtest es. Ich sollte Astronaut werden, aber ich fiel durch, und sie haben mich auf ein Abstellgeleise geschoben, wo ich fünf Tage in der Woche damit verbringe, Verrückte zu trösten und hinter geheimnisvollen blinkenden Lichtern her durch die Gegend zu jagen. Ist das nicht Grund genug, um verbittert zu sein?«

»Weil du nicht an deine Arbeit glaubtest, ja. Aber nun weißt du, daß deine Arbeit beim AFAO nicht bloße Zeitverschwendung war. Da war wirklich etwas über der Erde. Ist das nicht besser? Fühlst du jetzt nicht, daß deine Arbeit einen Sinn hat?«

»Nein«, sagte er dumpf. »Was ich getan habe, war keinen Cent wert. Und ist es auch heute noch nicht.« Er nahm eine zweite Spraydose Whisky vom Tisch. »Glair, ich wollte nicht, daß es Wirklichkeit wird, verstehst du? Ich wollte kein UFO-Mädchen in der Wüste finden! Ich…«

Er verstummte, verwirrt von seinem eigenen absurden Ausbruch.

Glair sagte leise: »Du hast es vorgezogen, einen sinnlosen, leeren Job zu haben, weil du dadurch die Möglichkeit hattest, weiterhin über deine verpfuschte Karriere nachzugrübeln. Und so wurde alles nur noch schlimmer, als du mich fandest, nicht wahr? Plötzlich mußtest du dir eingestehen, daß deine Selbstquälerei kein Motiv mehr hatte.«

»Hör auf, Glair. Reden wir von was anderem.«

»Sieh mich an, Tom. Warum willst du dich weiterhin quälen?«

»Glair…«

»Du findest ständig neue Mittel, um dich zu quälen. Du sagtest mir, daß es deine Pflicht sei, mich zu melden. Du hast es nicht getan. Warum? Damit du dich schuldig über die Art und Weise fühlen kannst, wie du deine Pflichten verletzt.«

Seine Hand zitterte so stark, daß er Mühe hatte, die Injektionsnadel der Spraydose an seine Vene zu bringen.

»Noch eins, Tom, dann lasse ich dich in Ruhe. Warum hältst du so Distanz von mir, wenn nicht aus dem gleichen Grund, nämlich, daß du dich quälen und bestrafen mußt? Du willst mich; wir wissen es beide. Aber du quälst dich, indem du meinen Körper mit diesem Ding bedeckst, und sagst dir dabei, daß du tugendhaft bist. In eurer Sprache gibt es ein Wort für deine Art von Persönlichkeit; Vorneen hat es mir einmal gesagt. Ein Mato — Mati...«

»Masochist«, sagte Falkner. Sein Herz hämmerte gegen die Rippen.

»Masochist, ja. Damit meine ich nicht, daß du dich etwa selber peitschst oder zu enge Stiefel trägst. Ich meine, du erfindest immer neue Mittel, um deine Seele zu verletzen.«

»Wer ist Vorneen?« fragte Falkner.

»Einer meiner Partner.«

»Du meinst, einer von der Schiffsbesatzung?«

»Auch das. Aber ich meine einen Sexualpartner. Vorneen und Mirtin und ich, wir waren zusammen eine Mannschaft. Eine dreiköpfige Sexualgruppe. Zwei Männer und ich.«

»Wie kann so ein Arrangement funktionieren? An Bord eines Schiffes?«

»Es funktioniert. Wir sind keine Menschen, Tom. Und wir haben nicht die gleichen Emotionen wie menschliche Wesen. Wir waren sehr glücklich zusammen. Vielleicht sind sie bei der Explosion des Schiffes getötet worden, ich weiß es nicht. Ich sprang zuerst. Aber wir kommen vom Thema ab. Das Thema bist du.«

»Vergiß mich. Ich wußte nie, daß ihr solche — solche Sexualgruppen habt. Ich habe nie an so eine Möglichkeit gedacht. Dann bist du also eine verheiratete Frau.«

»Das könnte man sagen. Es sei denn, die anderen sind tot. Ich habe keine Möglichkeit, mich mit ihnen in Verbindung zu setzen.«

»Aber du hast sie beide geliebt?«

Glairs Stirn furchte sich. »Ich habe sie beide geliebt, ja. Und ich könnte auch noch einen dritten lieben. Komm zu mir, Tom, und hör auf, dich selber unglücklich zu machen.«

Er trat zögernd näher, und er dachte an zwei Männer und eine Frau an Bord einer Fliegenden Untertasse und sagte sich, daß die beiden keine Männer seien und sie keine Frau. Er war über die Stärke der Eifersucht überrascht, die ihn erfaßt hatte. Er fragte sich, wie diese Fremden sich liebten. Er fühlte sich schwindelig.

Glair blickte auf. Ihre Augen waren kühl und einladend zugleich.

»Nimm mir dieses alberne Stück Stoff ab, Tom. Bitte.«

Er zog ihr den Pyjamaoberteil über den Kopf. Ihre Brüste waren hoch angesetzt, fest und zeigten eine völlige Mißachtung für das Gesetz der Schwerkraft. Es waren Brüste, wie man sie bei Pin-up-girls sah. Sie schlug die Decken zurück. Er blickte auf sie herab und erinnerte sich, daß ihr ganzer Körper Trug war, eine synthetische äußere Hülle für etwas unheimlich Fremdes. Ihr Fleisch fühlte sich wie Fleisch an, und in ihm waren Nerven und Knochen und Leitungen für Blut, aber Fleisch, Nerven, Knochen und Blut waren sämtlich pseudolebendige Produkte aus einem Laboratorium.

Wer konnte sagen, welch schreckliche Dinge unter diesen unwirklich vollkommenen Formen steckten?

Aber war eine menschliche Frau unter ihrer Haut schön? Diese Masse aus verknäuelten Eingeweiden, dieser grinsende Schädel unter dem hübschen Gesicht? Nein, dachte Falkner, wir alle tragen einen Alptraum unter unserer Haut. Es war unsinnig, Glair zu diskriminieren.

Seine Kleider fielen. Sie zog ihn neben sich aufs Bett.

Verzweifelt packte er sie und fand sie bereit, und mit einer plötzlichen wilden Erleichterung sprengte er seine selbstauferlegten Fesseln und nahm die Gabe der Liebe an, die sie ihm darbot.

12.

»…und könnte ich dann bitte Ihre Kreditkarte haben?« fragte der Motelangestellte.

»Ich habe keine Kreditkarte«, sagte David Bridger. »Ich zahle für das Zimmer in bar.« Er sah das Mißtrauen im Gesicht des anderen und kehrte das onkelhaft Joviale seiner Person heraus. Er ließ ein dröhnendes Gelächter erschallen und sagte: »Ich bin wohl der letzte Mann in der westlichen Hemisphäre, der ohne so ein Ding herumläuft, he? Bargeld war für meinen Vater gut genug, und das ist es auch für mich! Wieviel?«

Der Angestellte nannte den Preis. Bridger zog ein paar zerknitterte Banknoten aus der Brieftasche, die zu seiner Notausrüstung gehörte — jeder kranazoische Agent hatte für den Fall einer erzwungenen Landung ein Bündel irdischer Banknoten verschiedener Währung bei sich —, und legte sie auf den Schaltertisch. Der Angestellte sah zufriedener aus. Ein staubiger Fremder, ohne Gepäck und ohne Kreditkarte, der hier zu Fuß hereingestapft kam — das war für ein Motel eine komische Sache, jedenfalls nicht alltäglich. Aber das Geld des Fremden hatte die richtige Farbe. Und wer konnte einem Nikolaus drei Wochen vor Weihnachten ein Quartier verweigern?

»Zimmer zweihundertsechzehn«, sagte der Angestellte. »Zweiter Stock, links.«

Das Zimmer war länglich-keilförmig, am Eingang kaum breiter als die Tür. Die Seitenwände öffneten sich in einem Winkel von etwa dreißig Grad zum äußeren Umfang des kreisrunden Bauwerks. Bridger zwängte sich durch die Tür und verschloß sie, dann ließ er sich schwer aufs Bett fallen. Die zwei Stunden Fußmarsch hatten seinen irdischen Leib erschöpft. Er war nicht in Form, dachte er, obwohl an Bord volle Schwerkraft herrschte, um die Muskeln kräftig zu erhalten.

Er zog sich aus und stopfte seine Kleider in den Ultraschall-Reiniger mit Münzbedienung. Dann stellte er sich unter die Dusche. In der Theorie wußte er, wie eine Dusche arbeitete, doch zögerte er eine Weile, bevor er sie aufdrehte. Kranaz war eine trockene Welt, wo Wasser Leben und Macht bedeutete, und es erschreckte ihn, daß er selbst hier, im trockensten Teil von Nordamerika, nur an diesen Knöpfen zu drehen brauchte, damit ein nichtendender Wasserfall sich über ihn ergieße. Er drehte die Dusche auf und wünschte, er könnte seinen irdischen Körper abstreifen, ihn in großen, schwammigen Brocken herunterreißen und seine echte Haut diesem Wasser aussetzen. Er blieb eine halbe Stunde lang unter der Dusche.

Er trocknete sich ab, zog seine Kleider an und trat vor den Spiegel. Er sah einigermaßen präsentierbar aus. Ein dicker Mann brauchte nicht unbedingt adrett auszusehen. Die Kosmetiker, die seine Haut entworfen hatten, hatten es so gemacht, daß man immer glaubte, er habe sich vor drei oder vier Stunden rasiert. Sie hatten das technische Problem eines kontinuierlich nachwachsenden Bartes noch nicht gelöst. Egal, dachte Bridger. Dies hier genügte auch.