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«O Mann!«sagte er in seiner sparsamen Art.

«Sie sagen es«, erwiderte ich.

Rollway hatte, als er zu Boden gegangen war, seine Pistole fallen lassen, aber sie lag noch recht dicht bei seiner linken Hand. Ich bat Brad, sie ein Stückchen wegzuschieben — für den Fall, daß der Dealer wieder zu sich käme.

«Nicht anfassen!«sagte ich scharf, als er sich ganz automatisch bückte und seine Hand danach ausstreckte.»Ihre Fingerabdrücke da drauf, das würde uns in einige Verlegenheit bringen.«

Er gab ein leises, zustimmendes Knurren von sich, und Clarissa reichte ihm wortlos ein Papiertaschentuch, mit dem Brad zögernd den Schalldämpfer anfaßte, um die Waffe dann quer durchs Zimmer bis zum Fenster zu ziehen.

«Was, wenn der aufwacht?«sagte er und zeigte auf Rollway.

«Dann verpasse ich ihm halt noch eins mit der Krücke.«

Er nickte, als sei das eine durchaus übliche Verhaltensweise.

«Danke, daß Sie zurückgekommen sind«, sagte ich.

«War ja nicht weit. Sie ham da einen Volvo.«

Ich nickte.

«Ist das der?«

«Mit Sicherheit«, sagte ich.

«O Mann!«

«Bringen Sie bitte meine Freundin zurück ins Selfridge«, sagte ich.»Vergessen Sie, daß sie hier war. Vergessen Sie, daß Sie selbst hier waren. Fahren Sie anschließend nach Hause.«

«Kann Sie doch nich allein da lassen«, sagte er.»Ich komm wieder her.«

«Die Polizei wird da sein.«

Wie immer verursachte ihm der Gedanke an die Polizei Unbehagen.

«Fahren Sie ruhig weiter und nach Hause«, sagte ich.»Die Gefahr ist vorbei.«

Er dachte nach. Dann sagte er hoffnungsvolclass="underline" »Morgen zur gleichen Zeit?«

Ich nickte amüsiert und sagte trocken:»Warum nicht?«

Er schien zutiefst zufrieden, und er und Clarissa gingen zur Tür, wo sie noch einmal stehen blieben und sich umblickten, wie das Clarissa vorhin auch schon getan hatte. Ich winkte ihnen kurz zu, und sie winkten zurück, gingen dann hinaus. Es war nicht zu glauben, aber sie lächelten beide.

«Brad!«rief ich ihm nach.

Er kam schnell und in größter Sorge zurück.

«Alles in Ordnung«, sagte ich.»Wirklich. Aber machen Sie bitte die Haustür nicht hinter sich zu. Ich möchte nicht aufstehen müssen, um die Polizei hereinzulassen. Ich möchte auch nicht, daß sie die Schlösser aufbrechen. Ich möchte, daß sie hier ganz nett und ungehindert hereinspazieren.«

Kapitel 20

Es war ein langer, trüber Abend, der allerdings auch nicht der Komik entbehrte.

Ich saß die meiste Zeit abseits und still in Grevilles Sessel, weitgehend ignoriert von den Leuten, die scharenweise hereinkamen und maßen, fotografierten, nach Fingerabdrücken suchten und Kugeln aus Wänden puhlten.

Am Anfang hatte sich zunächst ein Schwall vorläufiger Fragen über mich ergossen, was schließlich damit endete, daß Rollway stöhnend wieder zu Bewußtsein kam. Obwohl die Polizei im allgemeinen Ratschläge einfacher Bürger nicht sonderlich mag, folgten die Beamten doch meiner Anregung, ihm Handschellen anzulegen, bevor er wieder ganz da sei — was sich als gut erwies, war doch seine bullenhafte Gewalttätigkeit das erste Element seiner Persönlichkeit, das wieder zum Vorschein kam. Denn ganz plötzlich war er auf den Beinen, trat um sich und murmelte vor sich hin, bevor er noch wußte, wo er sich befand.

Während zwei Polizisten ihn an den Armen festhielten, starrte er mich an, und seine Augen nahmen die Dinge ganz allmählich wieder wahr. Ich saß noch immer auf dem Boden und war dankbar, vom Gewicht seines Körper befreit worden zu sein. Er sah aus, als könne er gar nicht glauben, was da vor sich ging, und schimpfte mich in seiner vertraut monotonen Stimme einen Bastard, von anderen, weniger harmlosen Dingen mal ganz abgesehen.

«Ich wußte doch, daß Sie ein Stunkmacher sind«, sagte er. Er war noch zu angeschlagen, um seine Zunge zügeln zu können.

«Sie werden nicht am Leben bleiben, um gegen mich auszusagen, dafür werd ich schon sorgen.«

Die Polizisten nahmen ihn phlegmatisch, aber in aller Form fest, belehrten ihn über seine Rechte und sagten, er werde auf der Wache ärztlich versorgt werden. Ich beobachtete, wie er davonstolperte, und dachte an die Ironie meines früher gefaßten Entschlusses, ihn nicht zu bezichtigen, schon gar nicht, wie jetzt, der Erschießung unschuldiger Menschen. Ich hatte ja nicht gewußt, daß er auch Simms auf dem Gewissen hatte. Ich hatte nicht die geringste Angst vor ihm gehabt. Ihm schien gar nicht in den Sinn gekommen zu sein, daß ich wegen des Kokains vielleicht gar nichts gegen ihn unternehmen würde. Er war vor Mord nicht zurückgeschreckt, um es zu verhindern. Dabei hatte ich ihn noch nicht einmal im Verdacht gehabt, ein Dealer großen Stils zu sein, bis er selbst damit angegeben hatte.

Während die Spurensicherung um mich herum ihren Fortgang nahm, fragte ich mich, ob die Drogenhändler vielleicht deshalb so schnell mordeten, weil ihnen das Leben anderer Menschen völlig gleichgültig war.

Wie Vaccaro, dachte ich, der seine zum Aussteigen bereiten Piloten von fahrenden Autos aus abgeknallt hatte. Vielleicht war das ja unter Drogenbossen eine ganz gebräuchliche Methode der Säuberung. Nachahmungstäter — das hatten wir im Falle von Simms alle gedacht und recht damit gehabt.

Für Leute wie Rollway und Vaccaro hatte das Leben anderer Menschen einen so geringen Wert, weil sie sowieso an dessen Zerstörung interessiert waren. Sie machten Sucht und Korruption zu ihrem Geschäft, hatten die erklärte Absicht, Profit aus dem Zusammenbruch und Unglück anderer zu schlagen, lockten junge Leute vorsätzlich in eine Einbahnstraße des Elends hinein. Ich hatte irgendwo gelesen, daß man zwei bis drei Jahre lang Kokain schnupfen konnte, bevor der körperliche Schaden spürbar wurde. Die Hersteller, Großhändler und Verkäufer dieser Droge wußten das. Die Zeit reichte aus, um ihnen einen steten Absatz zu garantieren. Ihre Gier war durch und durch schmutzig.

Die mit dem Geschäft verbundene Amoralität, die aggressive Brutalität korrumpierten selbst auch, machten ebenfalls süchtig. Rollway hatte sich, ganz wie seine Opfer, selbst zerstört.

Ich stellte mir auch die Frage, was Menschen dahin bringt, so zu werden wie er. Ich konnte ihr Verhalten zwar verurteilen, aber verstehen konnte ich es nicht. Sie waren nicht auf leichtfertige Weise unaufrichtig wie Pross, sondern sie waren gleichgültig und kalt. Wie Elliot Trelawney gesagt hatte — die Logik der Kriminellen war oft sonderbar. Sollte ich jemals die Eintragungen in Grevilles Notizbuch ergänzen, dachte ich, dann vielleicht mit so etwas wie» Die Wege der Unaufrichtigen sind den Aufrechten ein Rätsel«, oder auch» Was macht die Unaufrichtigen unaufrichtig und die Aufrichtigen aufrichtig?«Den wohlfeilen Antworten der Soziologen war nicht zu trauen.

Ich erinnerte mich an eine Geschichte, die ich vor langer Zeit gehört hatte. Ein Skorpion fragt ein Pferd, ob es so gut sein könne, ihn über einen reißenden Bach zu tragen. Warum nicht? sagte das Pferd und schwamm bereitwillig los, den Skorpion auf seinem Rücken. Als sie die Hälfte der Strecke hinter sich hatten, stach der Skorpion zu. Das Pferd, tödlich vergiftet, sagte:»Jetzt werden wir beide ertrinken. Warum hast du das getan?«Und der Skorpion antwortete:»Weil es meine Natur ist.«

Nicholas Loder brauchte sich über nichts mehr Sorgen zu machen oder zu wundern. Seine moralische Natur hatte sich, unter Druck gesetzt, unbefleckt erhoben und ihm den Tod gebracht. Ungerechtigkeit und Ironie, wo man hinsah, dachte ich und empfand Trauer um den Mann, der meine Ermordung nicht stillschweigend hatte hinnehmen wollen.

Er selbst hatte auch Kokain geschnupft, so viel war klar. Vielleicht war er von Rollway abhängig geworden, war vielleicht von diesem mehr oder weniger dazu erpreßt worden zuzulassen, daß er die Pferde manipulierte. Er hatte Angst gehabt, daß ich das entdecken könnte, aber er war letztlich doch kein schlechter Bursche gewesen, und das hatte auch Rollway erkannt, hatte gesehen, wie unsicher es war, darauf zu bauen, daß jener tatsächlich den Mund halten würde.