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»Ja. Wie kommst du darauf?«

»Kannst du dich an die Titel erinnern?«

»Selbstverständlich. Ich habe dir doch erzählt, dass ich nach anderen Bibliotheken gesandt habe, um nach Kopien zu forschen, mit denen wir die beschädigten Exemplare ersetzen könnten.«

Fidelma war mit einem blendenden Gedächtnis gesegnet. Zum Teil hatte sie es ihrer Ausbildung zur dálaigh zu verdanken. »Wenn ich mich recht erinnere, war das eine das Geschichtswerk des Livius Ab urbe condita libri

»Stimmt.«

»Hier steht eine Abschrift.« Fidelma zeigte auf einen Buchrücken. »Könnte ja sein, du wüsstest gern, was auf den entfernten Seiten gestanden hat.«

Bruder Eolann nahm das Buch aus dem Regal und legte es auf den Tisch. »Das sieht nach einer exakten Kopie aus. Ich kann mich noch erinnern, wie es oben auf der Seite nach den herausgerissenen weiterging.«

»Aber welche Seiten genau fehlen, weißt du sicher nicht.«

»Ich bilde mir durchaus etwas auf meine Berufsehre ein, Lady. Ich wäre ein schlechter Bibliothekar, wenn ich nicht wüsste, was in meiner Bibliothek Schaden genommen hat.« Bruder Eolann blätterte die Seiten aus festem Pergament um. Bei einer hielt er prüfend inne und las dann laut: »Marcus triumphali veste in senatum venit … Das ist die Seite, die der herausgeschnittenen folgt.«

»Marcus betrat den Senat im Festgewand«, übersetzte Fidelma. »Und was steht nun auf der Seite, die man entfernt hat?«

Er blätterte zurück. »Ah, hier beginnt’s. Caepionis, cuius temeritate clades accepta erat, damnati bona publicata sunt. Caepio, der durch sein unbesonnenes Vorgehen schuld an der Niederlage war, wurde verurteilt, und seine Besitztümer wurden konfisziert.«

»Das klingt, als handele es sich um einen Bericht von einer Schlacht und um die Rolle, die ein gewisser Caepio dabei gespielt hat.« Fidelma überlegte. »Warum mag jemand eines solchen Berichts wegen bereit sein, Seiten aus einem Buch zu reißen?«

Bruder Eolann zuckte mit den Schultern. »Längst vergangene Schlachten kümmern mich wenig, Lady.«

Sie zog das Buch an sich und überflog den Text. Auch für sie waren die Zeilen uninteressant. »Hier steht zu lesen, dass ein römischer Prokonsul namens Caepio in einer Schlacht, die bei Aurasio stattfand, einige Legionen befehligte. Der größere Teil des Heeres unterstand dem Feldherrn Gnaeus Mallius Maximus. Caepio war offensichtlich ein Patrizier, und da Mallius Maximus kein Aristokrat war, weigerte er sich, sich ihm unterzuordnen und versagte seinem Vorgesetzten den Gehorsam. Er hielt es schlichtweg für unter seiner Würde.

Als es dem Feldherrn gelang, mit dem feindlichen Heer einen Frieden auszuhandeln, heißt es hier weiter, griff Caepio auf eigene Faust an. Im Ergebnis dessen wurden seine Legionen geschlagen und vernichtet, und nach dem Vertragsbruch fiel der Feind auch über die Heerscharen des Mallius her und vernichtete sie ebenfalls. An die einhundertundzwanzigtausend Männer wurden abgeschlachtet. Caepio gelang es zu fliehen und nach Rom zu entkommen, doch in Rom war man außer sich ob des Ausgangs der Schlacht. Man stellte Caepio vor Gericht und verurteilte ihn wegen seines Fehlverhaltens. Nur seiner aristokratischen Stellung war es zu verdanken, dass er mit dem Leben davonkam; man schickte ihn jedoch ins Exil, und all sein Hab und Gut wurde konfisziert.« Fragend blickte Fidelma den scriptor an. »Wann mag das Ganze geschehen sein? Kannst du das dem Text entnehmen?«

Bruder Eolann beugte sich über ihre Schulter und wies auf winzige Buchstaben und Ziffern am Seitenrand. »Hier steht Anno urbis conditae sechshundertachtundvierzig«, las er mit einiger Mühe vor, »das wäre nach unserer Rechnung ungefähr hundert Jahre vor Christi Geburt.«

»Viel weiter hilft uns das nicht; hinter den Grund, weshalb man ausgerechnet dieses Textstück herausgeschnitten hat, kommen wir damit nicht.« Ärgerlich verzog Fidelma das Gesicht. »Vielleicht sollten wir nach dem Polybius suchen und sehen, ob in dem Werk auf die gleiche Schlacht und diesen Caepio Bezug genommen wird. Ob das so entscheidend ist, fragt sich jedoch. Kann ja auch sein, es war nur vorsätzlicher Vandalismus.«

Im Türschloss drehte sich ein Schlüssel, und Kakko erschien.

»Seigneur Grasulf hat mir gesagt, er hätte euch eingeladen, mit ihm zu speisen. Ich habe mir die Freiheit genommen, ein Bad für euch vorzubereiten und Kleidung zum Wechseln hinzulegen, denn ich habe gehört, dass die Hibernianer täglich ein Bad nehmen müssen.«

Fidelma hatte sich die ganze Zeit verschwitzt und unwohl in der Hitze gefühlt. Nun aber, da die Rede davon war, wurde ihr bewusst, dass sie, seit sie Bobium verlassen hatte, keine Gelegenheit zum Baden gehabt hatte.

»Das ist schön«, sagte sie nur.

»Der Seigneur von Vars ist peinlich genau bei der Wahl seiner Gäste und deren Reinlichkeit«, stichelte Kakko grinsend

»Die mangelnde Körperpflege haben wir seinen Kriegern zu verdanken, die uns gegen unseren Willen hierher verschleppt haben«, gab Fidelma scharf zurück. »Und auch unserem Eingesperrtsein in einem Verließ ohne …«

»Eure Mantelsäcke sind bereits da, wo ihr sie haben wolltet«, schnitt ihr Kakko das Wort ab, der einsah, dass er ihr verbal nicht das Wasser reichen konnte. »Vielleicht macht euch das euer Hiersein erträglicher. Ich lasse mich bald wieder blicken und zeige euch, wo ihr ein Bad nehmen und euch umkleiden könnt.«

»Es würde unser Hiersein erträglicher machen, wenn du für getrennte Zellen sorgen könntest, es ist um des Anstands willen. Wir sind nicht Mann und Frau, als dass man uns zusammensperren könnte. Zu manchen Stunden ist eine Trennung angebracht. Oder geht eure Fürsorge um Reinlichkeit nicht so weit?«

Der wuchtige Mann blickte sie verdrießlich an, hielt es für besser, nichts zu sagen, und ging, nicht ohne die Tür geräuschvoll hinter sich abzuschließen.

»Mir tut das alles sehr leid, Lady«, gestand Bruder Eolann kleinlaut.

»Wieso? Was tut dir leid?«

»Ich hätte nicht vorschlagen dürfen, an dem Heiligtum länger zu verweilen.«

»Wenn ich mich recht entsinne, war ich diejenige, welche es unbedingt sehen wollte. Und was unser längeres Verweilen dort betrifft, so hatte das etwas mit Freifrau Gunora zu tun. Wir sollten übrigens darüber, dass wir die Leiche gefunden haben, Stillschweigen wahren. Könnte sein, ihr Mörder ist dieser Seigneur von Vars. Es kann nur zu unserem Nutzen sein, wenn er sich in dem Glauben wiegt, wir wären ahnungslos.«

Unversehens erhob sie sich und ging zur Tür, die auf die Terrasse führte, denn plötzlich war ihr ein anderer Gedanke gekommen.

»Wohin willst du?«, fragte Bruder Eolann.

»Keine Sorge, ich will nur noch mal einen Blick auf die Felswand werfen. Such du inzwischen nach dem Polybius. Vielleicht findest du heraus, ob auch dort das fehlende Textstück von diesem – wie hieß er doch – ach ja, Caepio, handelt.«

Nur halbherzig machte sich der scriptor an die Arbeit und durchforstete die Regale.

Als Fidelma zurückkehrte, schimmerte es unternehmungslustig in ihren Augen. »Bist du fündig geworden?«

»Fündig?«, murmelte er, völlig in seine Aufgabe vertieft.

»Fündig mit Polybius.«

»Bisher nicht.« Er blickte auf und bemerkte ihre Erregung. »Was gibt es?«

»Mir ist da ein Gedanke gekommen …«, begann sie.

Sie kam nicht dazu, sich weiter auszulassen, denn wieder drehte sich der Schlüssel im Schloss, und Kakko erschien.

»Das Bad ist bereitet«, verkündete er.

Eine mürrisch dreinblickende Frau stand hinter ihm, um Fidelma zu dem Raum zu begleiten, in dem das Bad für sie gerichtet war. Zu ihrer Erleichterung ging Kakko mit Bruder Eolann zu einer anderen Zelle. Wohlig ließ sie sich ins warme Wasser in den Holzzuber gleiten, entspannte bei den angenehmen Düften und Ölen und nahm sich Zeit, derweil ihre unfreundliche Begleiterin, die sich leider nur in der Sprache der Langobarden auszudrücken verstand, ungeduldig wartete, dass sie fertig wurde. Es dauerte lange, bis Fidelma so weit war und erfrischt und mit sauberer Kleidung angetan der Frau zurück über den Hof folgte.