Выбрать главу

»Erst noch meine Geschichte, Suidur. Bruder Eolann hatte mir angeboten, mich zum Heiligtum des Colm Bén oben auf dem Pénas zu bringen. Abt Servillius wusste davon und hatte sein Einverständnis gegeben. Wenn ich nach Hibernia zurückkehre, wollen natürlich meine Leute daheim alles über die Abtei und ihr Umfeld hören. Wir haben also den Berg erklommen und haben die Nacht in der kleinen Bergkapelle verbracht. Just als wir am nächsten Morgen aufbrechen wollten, um wieder zur Abtei hinabzuklettern, tauchten Grasulfs Männer auf, nahmen uns gefangen und verschleppten uns auf seine Festung.«

»Du bist fremd in diesem Land, Fidelma von Hibernia«, sagte Suidur ernst. »Es geschieht hier vieles, was für einen Außenstehenden ungewöhnlich, wenn nicht gar unverständlich ist. Wenn ich dir einen Rat geben darf, begib dich so bald wie möglich auf die Heimreise. In den Bergen hier bahnt sich Böses an.« Er stand auf. »Ich bitte dich noch einmal, gönn dir etwas Ruhe. Um die Mittagsstunde reiten wir weiter. Radoalds Festung erreichen wir nicht vor morgen, wir werden also über Nacht noch in den Bergen sein.«

Es war Mittag, als Fidelma erwachte. Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel. Auch Bruder Eolann regte sich, doch Suidur war nicht bei ihnen, wenngleich draußen vor der Hütte einiges in Bewegung war. Sie erhob sich und schaute hinaus. Suidur redete mit den beiden Kriegern, sie hörte ihn die rasch aufeinanderfolgenden Gutturallaute der für die drei geläufigen Sprache ausstoßen. Fidelma drehte sich wieder um und flüsterte dem scriptor, der sich aufgesetzt hatte und verschlafen blinzelte, eindringlich zu: »Nur dir zur Warnung. Kein Wort darüber, dass wir die Leiche von Freifrau Gunora gefunden haben, auch absolutes Stillschweigen über die Münzen von Wamba.«

»Auch nichts über den fehlenden Prinzen?«, fragte er und runzelte die Stirn.

»Genau. Wir müssen Vorsicht walten lassen.«

»Ah, ihr seid beide wach.« Hinter Fidelma war Suidurs Schatten aufgetaucht. »Das ist gut. Wir müssen bald aufbrechen.«

»Eine Möglichkeit zum Waschen und etwas zu essen wären gut, ehe es weitergeht. Lässt sich das machen?«, fragte Fidelma.

»Gleich hinter der Hütte gibt es einen Flusslauf und einen kleinen Wasserfall«, erwiderte Suidur. »Und natürlich gibt es etwas zu essen, ehe wir losziehen.«

Fidelma nahm ihr ciorr bholg, ihre Kammtasche mit den nötigsten Toilettensachen, und begab sich zu dem abgeschirmten kleinen Waschplatz hinter der Hütte. Das kalte Wasser, das vom Berg herabstürzte, bot eine ausgezeichnete Badestelle und tat gut. Sie beeilte sich, damit auch Bruder Eolann sich frisch machen konnte. Suidur und seine Männer hatten sich vermutlich schon gewaschen. Dass sie die ganze Nacht hindurch geritten waren, sah man ihnen nicht an. Die Mahlzeit bestand aus Ziegenkäse und Obst, die sie mit dem kristallklaren Wasser aus dem Gebirgsfluss hinunterspülten.

Die beiden Krieger sprachen kein Latein. Zwar versuchte Bruder Eolann, ein paar Worte mit ihnen zu wechseln, aber sie verspürten eindeutig keine Lust, darauf einzugehen. So blieb Suidur der alleinige Gesprächspartner.

»Radoald erwähnte, glaube ich, dass es für seine Familie wenig erfreulich wäre, wenn Perctarit als König zurückkäme«, bemerkte Fidelma, als sie zu essen begannen. »Ist das der Grund, weshalb er Grasulf nicht recht traut?«

Suidur nickte. »Radoalds Vater hat Grimoald geholfen, Perctarit zu stürzen und ihn ins Exil ins Land der Franken getrieben. Radoald kämpfte an der Seite seines Vaters, Lord Billo. Sein Vater kehrte nicht nach Trebbia zurück, und so wurde Radoald der Landesherr. Ich habe da meine Bedenken, ob Perctarit, falls er hier wieder an die Macht kommt, freundschaftliche Gefühle für Radoald hegt.«

»Als wir auf Grasulfs Festung waren, überbrachte ein Reiter die Botschaft, dass Lupus sich gegen Grimoald erhoben habe, doch sei sein Heer nach viertägigem Kampf irgendwo geschlagen worden. Ist das eine schlechte Nachricht?«

Der Arzt betrachtete sie sichtlich beeindruckt.

»Für eine Fremde hast du erstaunlich viel mitbekommen, edle Dame. Auch wir haben davon gehört. Um deine Frage zu beantworten: Es könnte schlecht für uns sein; es hängt davon ab, wie sich Khagan verhält.«

»Ist das der, der Lupus besiegt hat?«

»Ebender. Augenscheinlich hat Grimoald, da er nicht schnell genug nordwärts zu ziehen vermochte, um Lupus zur Entscheidung zu zwingen, dem Anführer der Awaren ein Bündnis angeboten. Die Awaren warfen sich gegen Lupus in die Schlacht und schlugen ihn. Was wird nun aber Khagan von Grimoald als Gegenleistung verlangen? Werden die Awaren über uns herfallen? Wenn ja, dann kann ein jeder von uns nur auf Gott hoffen. Für die Awaren sind wir allesamt Schafe, die man scheren muss.«

»Sehe ich das richtig, dass die Awaren nicht Anhänger unseres Glaubens sind?«

»Soviel ich weiß, halten sie es mit jedem Glauben, der ihnen nützlich erscheint – das kann ihr Hauptgott Ts’ob sein, genauso gut wie alle möglichen Formen unseres christlichen Glaubens. Aber sie gieren nach Land und Macht. Wenn ich ehrlich bin, so ist die Tatsache, dass Grimoald mit ihnen ein Bündnis eingegangen ist, nicht gut für unser Volk.«

»Glaubst du, dem Land droht unmittelbare Gefahr?«, fragte Eolann.

»Sie wiegeln den einen gegen den anderen auf, Bruder gegen Bruder, Nachbarn gegen Nachbarn. Über kurz oder lang wird das fahle Pferd durch die Täler jagen und wird niemanden verschonen.«

»Das fahle Pferd?« Fidelma verlangte es nach einer Erklärung.

»Sein Reiter ist niemand anders als der Tod«, erwiderte Suidur. »Deshalb mein Rat – verlasse dieses Land, ehe es zu spät ist.«

Traurig ließ Fidelma den Blick über die Berge schweifen, die im Norden und Osten vor ihr lagen. »Dabei sieht alles so schön und friedlich aus.«

»Seit uralten Zeiten ist viel Blut in den Tälern hier geflossen. Die Ligurer, die Gallier, die Römer, die Karthager, und wieder die Römer und schließlich meine eigenen Leute, die Langobarden – sie alle haben diese herrlichen Täler mit ihrem Blut getränkt. Und es wird wieder so kommen.« Suidur erhob sich und schien seiner eigenen Prophezeiung einen Moment nachzuhängen, ehe er sich den beiden Kriegern zuwandte und ihnen kurz etwas befahl. Sie begannen zu packen und die Pferde aufzuzäumen.

Jetzt bei Tageslicht bestätigte sich Fidelmas Vermutung vom nächtlichen Ritt: Suidurs Ross war genau die Rasse, die ihr schon zuvor im Tal wiederholt aufgefallen war, hatte die gleiche Färbung, das gleiche Blassgrau. Wulfoald und Bruder Faro hatten Pferde von ebendieser Rasse geritten – gedrungener Rücken, schmale Kruppe und langer Schweif. Mit ihrem feurigen Temperament waren diese Pferde gewiss zäh und ausdauernd und nahmen es an Schnelligkeit mit allen anderen auf. Zweifelsohne zuverlässige Kriegspferde.

»Ist das Wulfoalds Hengst?«, fragte sie Suidur, denn sie fand, das Tier sah dem von Wulfoald zum Verwechseln ähnlich.

Der Arzt reagierte verdutzt. »Was bringt dich auf eine solche Idee?« Doch sogleich fand er selbst die Erklärung. »Ach so, weil es dieselbe Rasse ist. Es ist noch keine zehn Jahre, dass wir sie hier im Tal haben, aber mit guten Zuchterfolgen.«

»Ich habe die Rasse hier zum ersten Mal gesehen. Es sind leichtfüßige und kräftige Tiere.«

»Du scheinst auch was von Pferden zu verstehen. Seigneur Billo, der Herr von Trebbia damals, hatte ein halbes Dutzend von einem byzantinischen Kaufmann in Genua gekauft und sie dann gezüchtet. Woher sie wirklich stammen, wissen wir nicht genau, nur, dass der Kaufmann sie aus dem Osten gebracht hat.« Unversehens hielt er inne und spähte argwöhnisch in Richtung Norden.

»Was ist? Gibt es etwas Besonderes?«, fragte Fidelma, der seine innere Spannung aufgefallen war.

»Leider ja. Grasulf ist offensichtlich ziemlich rasch wieder zu sich gekommen und hat Alarm geschlagen.«