Выбрать главу

»Warum gerade im Geist der Erdenbewohner?« fragte Rose.

Drake stand nur daneben und stellte keine weiteren Fragen. Er war offensichtlich zufrieden, daß Tholan sprach.

»Ahnen Sie denn noch nicht, daß die sechste Intelligenz auf der Erde entstanden sein muß? Die Menschheit hat von allem Anbeginn an mit ihr gelebt, hat sich ihr angepaßt, ohne sich ihrer bewußt zu werden. Deshalb wachsen die höheren Formen terrestrischer Tiere, der Mensch eingeschlossen, nach Erlangung der Reife nicht weiter und sterben den sogenannten natürlichen Tod. Dieser Tod ist das Ergebnis der Heimsuchung durch die universalen Parasiten. Deshalb schlafen und träumen sie. Während der Mensch schläft und träumt, nährt sich der Parasit von seinem Geist, und der Mensch wird sich dessen vielleicht etwas bewußter als im Wachzustand. Und deshalb ist der menschliche Geist als einziger der galaktischen Intelligenz so labil. Wo sonst in der Galaxis finden sich gespaltene Persönlichkeiten und ähnliche Erscheinungen? Immer wieder findet man menschliche Geisteskranke, die sichtbar von einem Parasiten befallen sind.

Irgendwie gelingt es diesen Parasiten, den Raum zu durchqueren. Sie kennen keine physischen Grenzen. Sie schweifen zwischen den Sternen umher, wie Ihre Zugvögel von Erdteil zu Erdteil fliegen, um da den Sommer zu verleben, dort zu überwintern. Ich weiß nicht, wann die ersten Parasiten auf die anderen Planeten kamen. Vielleicht wird das niemand je erfahren. Aber als diese ersten Parasiten entdeckt hatten, daß auch auf den anderen Sternen der Galaxis Intelligenzen exi-stierten, setzte ein kleiner, aber ständiger Strom von parasitären Intelligenzen ein, die ihren Weg durch den Raum machten. Wir auf den anderen Welten mußten ein besonderer Leckerbissen gewesen sein, denn sonst hätten sie nicht solche Anstrengungen unternommen, um zu uns zu gelangen. Ich kann mir vorstellen, daß viele auf der Strecke geblieben sind, aber für die, die uns erreichten, hat sich die Mühe wohl gelohnt.

Aber wir auf den anderen Planeten leben nicht seit Millionen Jahren mit den Parasiten, wie es beim Menschen und seinen Ahnen der Fall ist. Wir haben uns nicht an sie anpassen können. Unsere schwache Gegenwehr ist nicht wie auf der Erde durch Generationen hindurch langsam abgetötet worden, bis nur die Widerstandsfähigen übriggeblieben waren. Während also die Erdenmenschen die Infektion jahrzehntelang mit geringem Schaden überstehen können, sterben wir anderen einen schnellen Tod innerhalb eines Jahres.«

»Und deshalb stieg die Zahl der Todesfälle seit Beginn der interstellaren Raumfahrt zwischen der Erde und den anderen Planeten so stark an?«

»Ja.« Sekundenlang herrschte Schweigen, dann sagte der Hawkin-Bewohner mit neuer Energie: »Geben Sie mir meinen Zylinder wieder, ich habe Ihre Fragen beantwortet.«

»Was ist mit dem Vermißtensuchdienst?« fragte Drake kalt. Wieder schwang er den Zyanidbehälter hin und her, aber Tholans Blicke folgten den Bewegungen nicht mehr. Der graue Film auf seinen Augäpfeln hatte sich verstärkt, und Rose fragte sich, ob das nur auf einfache Müdigkeit oder auf den Zyanid-mangel zurückzuführen war.

»So wenig, wie wir uns an die fremden Intelligenzen anpassen konnten«, fuhr Tholan fort, »so wenig konnten sie sich an uns gewöhnen. Sie leben mit uns, und offensichtlich mit Vergnügen, aber mit uns allein als Lebensquelle können sie sich nicht fortpflanzen. Deshalb ist die tödliche Hemmung unter den Hawkin-Bewohnern nicht direkt ansteckend.«

Rose starrte ihn mit wachsendem Entsetzen an.

»Was wollen Sie damit sagen, Dr. Tholan?«

»Die primären Wirte für die Parasiten sind und bleiben die Erdenmenschen. Ein Erdenmensch, der unter uns lebt, kann einen Hawkin-Bewohner anstecken. Aber irgendwie muß der Parasit, der mit einem intelligenten Wesen auf einem anderen Stern lebt, wieder zu einem Menschen zurückkehren, wenn er sich fortpflanzen will. Vor dem Einsatz der interstellaren Raumfahrt war das nur möglich, durch eine neuerliche Durchquerung des Weltraums, und deshalb blieb die Zahl der Infektionen verhältnismäßig klein. Jetzt werden wir immer wieder angesteckt. Die Parasiten kommen zu uns und kehren zurück zur Erde im Geist eines jeden Menschen, der durch den Raum zu uns fliegt.«

»Und die vermißten Personen?« fragte Rose schwach.

»Sie sind die Zwischenträger. Wie das genau funktioniert, weiß ich nicht. Der männliche terrestrische Geist scheint sich besser für die Zwecke der Parasiten zu eignen als der weibliche, und deshalb suchen sie sich meist Männer als Wirte aus. Im Institut wurde mir gesagt, daß die durchschnittliche Lebenserwartung der menschlichen Frau um etwa dreißig Jahre höher ist als die des Mannes. Nachdem die Fortpflanzung vollzogen ist, verläßt der Wirt die Erde. Im Raumschiff fliegt er zu fremden Sternen. Er verschwindet.«

»Aber das ist unmöglich«, sagte Rose mit fester Stimme. »Ihre Behauptungen implizieren die Möglichkeit, daß die Parasiten die Handlungen ihrer Wirte kontrollieren und leiten können. Das kann nicht sein. Wir Erdenmenschen hätten doch längst die Gegenwart der Parasiten bemerken müssen.«

»Diese Kontrolle wird vielleicht sehr klug und unmerklich durchgeführt, Mrs. Smollett. Es kann sein, daß sie nur während der Periode der Fortpflanzung auftritt. Sehen Sie sich doch nur die Akten des Vermißtensuchdiensts an. Warum verschwinden so viele junge Männer? Sie haben dafür ökonomische und psychologische Erklärungen abgegeben, aber sie sind nicht ausreichend ... Aber ich fühle mich jetzt schon sehr schlecht. Ich kann nicht mehr sprechen. Nur eines will ich noch sagen. Im Geistesparasiten haben Sie und ich einen gemeinsamen Feind. Auch die Menschen müßten nicht unfreiwillig sterben, wenn dieser Feind vernichtet würde. Ich dachte, wenn es mir unmöglich sein sollte, mit meinen Informationen auf meinen Heimatplaneten zurückzukehren, weil man mir das wegen der unorthodoxen Methode, mit denen ich meine Kenntnisse erlangt habe, verwehren könnte, so würde ich mich an die Oberhäupter der Erde wenden. Ich wollte sie um ihre Hilfe bitten. Gemeinsam mit ihnen wollte ich die Parasitenplage bekämpfen. Stellen Sie sich nur meine Freude vor, als ich entdeckte, daß der Ehemann einer Biologin des Instituts ein Mitglied einer der bedeutendsten Sicherheitskommissionen der Erde ist. Natürlich tat ich alles, was ich konnte, um in Ihrem Haus als Gast aufgenommen zu werden, um mit Ihnen, Mr. Smollett, in privaten Kontakt zu kommen. Ich wollte Sie von der schrecklichen Wahrheit überzeugen, Ihre Position nutzen, um einen wirksamen Angriff auf die Parasiten zu starten.

Das ist jetzt natürlich nicht mehr möglich. Ich kann Ihnen keine allzu großen Vorwürfe machen. Da Sie ein Erdenmann sind, kann man nicht von Ihnen erwarten, daß Sie die Psyche der Hawkin-Bewohner verstehen. Aber trotzdem werden Sie wenigstens dies verstehen: Ich will weder mit Ihnen noch mit Ihrer Frau jemals wieder etwas zu tun haben. Ich kann es nicht einmal mehr ertragen, noch länger auf der Erde zu bleiben.«

»Sind Sie der einzige Hawkin-Bewohner, der die ParasitenTheorie kennt?« fragte Drake.

»Ja.«

Drake hielt ihm den Zylinder hin.

»Ihr Zyanid, Dr. Tholan.«

Gierig griff der Hawkin-Bewohner danach. Seine geschmeidigen Finger manipulierten geschickt mit dem Schlauch und dem Ventil, und in zehn Sekunden befand sich alles wieder am rechten Platz. In tiefen Atemzügen inhalierte Tholan das Gas, und seine Augen wurden wieder klar.

Drake wartete, bis die Atemzüge des Hawkin-Bewohners sich völlig normalisiert hatten. Dann hob er mit ausdruckslosem Gesicht den Nadelrevolver und feuerte. Rose schrie auf.

Tholan blieb stehen, denn seine vier Standbeine konnten nicht einknicken, aber sein Kopf fiel zur Seite, und das Schlauchende glitt aus seinem plötzlich schlaffen Mund. Wieder schloß Drake das Ventil des Zyanidbehälters und warf ihn beiseite. Ernst stand er da und betrachtete die tote Kreatur. Kein äußerliches Anzeichen ließ erkennen, daß Tholan getötet worden war. Die Kugel aus dem Nadelrevolver war schmaler als die Nähnadel, die dieser Waffe den Namen gegeben hatte. Leicht und lautlos schlug sie in den Körper und explodierte erst in der Bauchhöhle mit vernichtender Wucht.