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Immer noch schreiend rannte Rose aus dem Zimmer. Drake folgte ihr und packte sie am Arm. Sie hörte die klatschenden Geräusche, als er ihr mit der flachen Hand rechts und links ins Gesicht schlug, aber sie spürte nichts. Endlich beruhigte sie sich, und ihre Schreie gingen in Schluchzen über.

»Ich habe dir gesagt, du sollst dich in diese Sache nicht einmischen«, sagte Drake. »Was willst du jetzt tun?«

»Laß mich! Ich will gehen, ich will weg von hier.«

»Nur weil ich meine Pflicht erfüllt habe? Du hast gehört, was die Kreatur gesagt hat. Sollte ich ihn auf seine Welt zurückkehren und diese Lügen verbreiten lassen? Sie würden ihm glauben. Und was meinst du, würde dann geschehen? Kannst du dir vorstellen, was ein interstellarer Krieg ist? Die Hawkin-Leute wären davon überzeugt, daß sie uns alle töten müßten, um dieser Krankheit Einhalt zu gebieten.«

Mit einer Kraftanstrengung, die aus ihrem tiefsten Innern zu kommen schien, straffte sich Rose. Fest blickte sie Drake in die Augen.

»Was Dr. Tholan sagte, waren keine Lügen, Drake.«

»Werde bitte nicht hysterisch. Du bist übermüdet. Du brauchst Schlaf.«

»Ich weiß, daß er die Wahrheit sagte, weil der Sicherheitsdienst das auch weiß und diese Theorie genau kennt.«

»Wie kannst du nur so etwas Lächerliches sagen!«

»Weil du dich zweimal verraten hast.«

»Setz dich«, sagte Drake. Sie gehorchte, und er musterte sie neugierig. »Du hast heute einen anstrengenden Tag gehabt, da du doch so viele Entdeckungen gemacht hast. Du hast viele Facetten, meine Liebe, die du sorgfältig verbirgst.« Er setzte sich ebenfalls und schlug die Beine übereinander.

Ja, dachte Rose, der Tag war wirklich anstrengend gewesen. Sie konnte von ihrem Stuhl aus die elektrische Küchenuhr sehen. Es war bereits zwei Uhr nachts. Harg Tholan hatte ihr Haus vor fünfunddreißig Stunden betreten, und jetzt war er ermordet worden.

»Nun, willst du mir nicht sagen, wann ich meine beiden Fehler gemacht habe?« fragte Drake.

»Du wurdest blaß, als Harg Tholan mich als charmante Wirtin bezeichnete. Wie du weißt, hat das Wort >Wirtin< eine doppelte Bedeutung. Ein Wirt ist eine Person, die einen Parasiten beherbergt.«

»Nummer eins«, sagte Drake. »Und Nummer zwei?«

»Das sagtest du schon, bevor Tholan zu uns kam. Ich habe stundenlang versucht, mich daran zu erinnern. Weißt du es noch, Drake? Du sprachst davon, wie unangenehm es für die Hawkin-Bewohner sei, mit uns Menschen in gesellschaftlichen Kontakt zu treten, und ich erwiderte, Tholan sei Arzt und müsse das tun, ob er wolle oder nicht. Ich fragte dich, ob du denkst, daß menschliche Ärzte besonders gern in die Tropen gehen oder sich von Moskitos stechen lassen. Kannst du dich erinnern, wie aufgeregt du plötzlich wurdest?«

Drake lachte.

»Ich hätte nicht geglaubt, daß man mich so leicht durchschauen kann. Moskitos sind Wirte für die Malaria und die Gelbfieber-Parasiten.« Er seufzte. »Ich habe mein Bestes getan, um dich aus dieser Sache herauszuhalten. Ich wollte den Hawkin-Burschen fernhalten. Ich versuchte, dir zu drohen. Jetzt bleibt mir nichts anderes mehr übrig, als dir die Wahrheit zu sagen. Ich muß es tun, denn nur die Wahrheit - oder der Tod - wird dich zum Schweigen bringen. Und ich will dich nicht töten.«

Sie schauderte, und ihre Augen weiteten sich vor Schreck.

»Die Sicherheitskommission kennt die Wahrheit«, sagte Drake. »Und diese Wahrheit ist nicht gut für uns. Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um zu verhindern, daß die anderen Sterne die Wahrheit herausfinden.«

»Aber ihr könnt die Wahrheit nicht für immer vor ihnen verbergen! Harg Tholan hat sie herausgefunden. Du hast ihn getötet. Aber ein anderes extraterrestrisches Wesen wird dieselben Entdeckungen machen - immer und immer wieder. Du kannst sie nicht alle töten.«

»Wir wissen das auch«, sagte Drake zustimmend. »Wir haben keine andere Wahl.«

»Warum nicht?« schrie Rose. »Harg Tholan hat dir die Lösung des Rätsels verraten. Er hat weder Andeutungen noch Drohungen bezüglich eines bevorstehenden interstellaren Kriegs verlauten lassen. Er schlug vor, daß wir uns mit den anderen intelligenten Rassen verbünden sollten, um gemeinsam die Parasiten zu vernichten. Und das können wir tun! Wenn wir mit vereinten Kräften .«

»Du glaubst, wir können ihm trauen? Hat er für seine Regierung gesprochen? Oder für die eines anderen Planeten?«

»Können wir es wagen, dieses Risiko zu vermeiden?«

»Du verstehst das nicht.« Drake beugte sich zu ihr und ergriff ihre kalten, widerstandslosen Hände. »Es hört sich zwar dumm an, wenn ich dir etwas über Biologie beibringen will, aber ich bitte dich, mir in diesem Fall zu glauben. Harg Tholan hatte recht. Die Menschen und ihre prähistorischen Ahnen leben seit ungezählten Zeitaltern mit parasitären Intelligenzen zusammen. Sicher schon seit längerer Zeit, als der Homo sapiens existiert. In dieser langen Periode haben wir uns nicht nur den Parasiten angepaßt, sondern wir wurden sogar abhängig von ihnen. Es ist kein Parasitismus mehr, sondern eine Lebensgemeinschaft mit gegenseitigen Nutzen. Ihr Biologen habt einen Namen dafür.«

Sie entzog ihm ihre Hände.

»Wovon redest du? Von Symbiose?«

»Genau. Wie du weißt, haben wir eine eigene Krankheit. Sie trägt die umgekehrten Vorzeichen. Sie wird durch unbeschränktes Wachstum hervorgerufen. Tholan hat sie bereits als das Gegenteil der tödlichen Hemmung erwähnt. Was ist die Ursache des Krebses? Wie lange haben Biologen, Physiologen, Biochemiker und all die anderen geforscht, um das herauszufinden? Und welchen Erfolg hatten sie? Kannst du diese Fragen beantworten?«

»Nein, ich kann es nicht«, erwiderte sie langsam. »Wovon redest du?«

»Es klingt natürlich sehr schön, daß wir ewiges Wachstum und Leben erreichen würden, wenn wir die Parasiten vernichten. Wenn wir das überhaupt wollen. Zuletzt würde es uns ermüden, immer größer und immer älter zu werden, und wir würden unserem Leben mit Vergnügen selbst ein Ende setzen. Aber seit wieviel Millionen Jahren hat der menschliche Körper die Möglichkeit, in so unbegrenztem Maß zu wachsen? Kann er es überhaupt? Ist sein chemischer Aufbau darauf eingestellt? Hat er die richtigen Ich-weiß-nicht-was?«

»Enzyme«, flüsterte Rose.

»Ja, Enzyme. Es ist unmöglich für uns. Wenn die parasitären Intelligenzen, wie Harg Tholan sie bezeichnete, aus irgendeinem Grund die Körper der Menschen verlassen oder wenn ihre Verbindung mit dem menschlichen Geist sich auflöst, wird ein unbegrenztes Wachstum einsetzen, aber es wird in ungeregelten Bahnen verlaufen. Wir nennen dieses Wachstum Krebs. Und da liegt der springende Punkt. Wir können auf die Parasiten nicht verzichten. Wir müssen für alle Ewigkeit zusammenbleiben. Um ihre tödliche Hemmung loszuwerden, müssen die extraterrestrischen Wesen erst einmal alles Leben auf der Erde vernichten. Es gibt keinen anderen Weg für sie. Verstehst du jetzt, warum wir unser Wissen für immer vor ihnen verbergen müssen?«

Ihr Mund war trocken, und es fiel ihr schwer, zu sprechen.

»Ich verstehe es, Drake.« Sie bemerkte, daß seine Stirn feucht war und daß kleine Schweißbahnen an jeder Wange herabliefen. »Und jetzt mußt du ihn aus dem Apartment entfernen.«

»Es ist schon sehr spät, und es wird leicht sein, den Körper aus dem Haus zu schaffen. Und danach ...« Er sah sie an. »Ich weiß nicht, wann ich zurückkommen werde.«

»Ich verstehe, Drake«, sagte sie noch einmal.

Harg Tholan war schwer. Drake mußte ihn durch das Apartment schleifen. Rose wandte sich ab. Ihr Magen drehte sich um. Sie bedeckte die Augen mit der Hand, bis sie hörte, wie die Wohnungstür ins Schloß fiel.

»Ich verstehe, Drake«, flüsterte sie.