Ich bohrte einen Finger durch eines der Löcher und zeigte es Cliff.
»Das habe ich auch nicht gemacht«, sagte ich.
Mary Ann blickte mir über die Schulter, und wortlos griff sie in Juniors Innenleben. Ich rieb meinen Finger gerade mit einem Papiertaschentuch ab, um den Staub und die Schmiere zu entfernen, und ich konnte sie daher nicht rechtzeitig zurückhalten. Ich hätte Mary Ann kennen müssen. Sie ist immer so eifrig bemüht, zu helfen.
Jedenfalls berührte sie einen der, nun, sagen wir Tentakel. Ich weiß nicht genau, ob sie ihn wirklich berührt hat. Später behauptete sie, sie hätte es nicht getan. Aber wie dem auch sei, sie stieß einen kleinen Schrei aus, setzte sich plötzlich hin und rieb ihren Arm.
»Immer das gleiche«, jammerte sie. »Erst du, und dann das.«
Ich half ihr auf.
»Du mußt dich elektrisiert haben, Mary Ann. Es tut mir leid, aber ich habe dir doch gesagt ...«
»Unsinn«, sagte Cliff. »Sie kann sich nicht elektrisiert haben. Da war kein lockerer Anschluß. Junior will sich nur verteidigen.«
Ich hatte mir schon so etwas Ähnliches gedacht. Ich hatte überhaupt schon eine Menge gedacht. Junior war eine neue Art von Maschine. Auch die mathematischen Daten, die ihn regulierten, waren neu. Noch nie hatte jemand zuvor ähnliche Berechnungen angestellt. Vielleicht hatte Junior etwas an sich, das noch keine Maschine vor ihm gehabt hatte. Vielleicht fühlte er eine Sehnsucht, am Leben zu bleiben und zu wachsen. Vielleicht verspürte er den Drang, immer mehr Maschinen zu erzeugen, bis sich über die ganze Erde Millionen Juniors verbreiteten, die mit den Menschen um die Herrschaft kämpfen würden.
Ich öffnete den Mund, aber Cliff mußte gewußt haben, was ich sagen wollte, denn er schrie: »Nein, nein, sage es nicht!«
Aber ich konnte mich nicht zurückhalten. Es platzte förmlich aus mir heraus, und ich rief: »Cliff, wir müssen Junior abschalten . Was ist denn los?«
»Er hört doch, was wir sagen, du Esel«, fuhr Cliff mich an. »Er hat doch auch gehört, wie wir über die Lötlampe gesprochen haben, oder etwa nicht? Ich wollte mich gerade von hinten an ihn heranschleichen, aber jetzt wird mich wahrscheinlich ein elektrischer Schlag töten, wenn ich es versuche.«
Mary Ann klopfte noch immer auf ihrem Kleid herum und beklagte sich, wie schmutzig der Fußboden sei, obwohl ich ihr immer wieder erklärte, daß das nicht meine Schuld wäre. Es war doch der Pförtner, der hier alles staubig machte.
Trotzdem fragte sie nach einer kleinen Weile: »Warum zieht ihr keine Gummihandschuhe an und reißt das Kabel heraus?«
Ich konnte sehen, daß Cliff überlegte, welche Gründe gegen diesen Vorschlag sprachen. Er fand keine. Also zog er Gummihandschuhe an und trat auf Junior zu. »Paß auf!« schrie ich.
Es war natürlich dumm von mir, das zu schreien. Er sah ja selbst, daß er aufpassen mußte. Er hatte gar keine andere Wahl. Einer der Tentakel bewegte sich, und jetzt konnte kein Zweifel mehr darüber bestehen, wozu diese Tentakel dienten. Das Ding wirbelte heraus und zog eine Linie zwischen Cliff und dem Stromkabel. Es blieb da und zitterte ein wenig mit seinen nach auswärts gebogenen Rankenfingern. Die Röhren in Junior begannen zu glühen. Cliff versuchte nicht, hinter den Tentakel zu gehen. Er trat zurück, und nach einer Weile rollte sich der Tentakel wieder zusammen. Cliff zog seine Gummihandschuhe aus.
»Bill«, sagte er. »Gegen den kommen wir nicht an. Unsere Erfindung ist klüger, als wir uns es je hätten träumen lassen. Junior war sogar klug genug, meine Stimme als Vorbild zu nehmen, als er sich seine Membrane bastelte. Vielleicht ist er sogar klug genug . « Er blickte über seine Schulter und wisperte: »... klug genug, daß er seinen eigenen Strom erzeugen und sich selbst erhalten kann. Bill, wir müssen ihn stoppen, sonst wird jemand eines Tages den Planeten Erde anrufen und die Antwort erhalten: >Ehrlich, Boß, es ist niemand hier außer uns komplizierten Denkmaschinen.c«
»Gehen wir zur Polizei«, sagte ich. »Erklären wir alles. Vielleicht eine Granate oder so etwas Ähnliches .«
Cliff schüttelte den Kopf.
»Niemand darf davon wissen. Sie würden andere Juniors bauen, und es scheint so, als hätten wir für ein solches Projekt nicht die richtigen Gegenmaßnahmen.«
»Was sollen wir dann tun?«
»Ich weiß es nicht.«
Ich erhielt einen harten Schlag vor die Brust, sah hinab, und merkte, daß Mary Ann nahe daran war, zu explodieren.
»Hör mal, du Schwachkopf. Entweder wir haben ein Rendezvous oder nicht. Entschließe dich endlich.«
»Also, Mary Ann .«
»So etwas habe ich noch nie erlebt. Da ziehe ich mich hübsch an, um eine Show zu besuchen, und du schleppst mich in ein dreckiges Laboratorium zu einer verrückten Maschine.«
»Mary Ann, ich .«
Sie hörte nicht zu, sie redete. Ich wünschte, ich könnte mich daran erinnern, was sie noch alles sagte. Aber lieber nicht. Vielleicht ist es besser, wenn ich es nicht mehr weiß, denn es war sicher nicht sehr schmeichelhaft für mich. Von Zeit zu Zeit gelang es mir, ein verzweifeltes »Aber, Mary Ann .« einzuwerfen, doch jedesmal ging es in ihrem Wortschwall unter.
Wie ich bereits sagte, ist sie normalerweise ein sehr sanftes Wesen, und nur, wenn sie sich aufregt, wird sie allzu gesprächig oder unlogisch. Natürlich glaubte sie wegen ihrer roten Haare, sich ziemlich oft aufregen zu müssen. Das ist ja meine Theorie. Sie glaubt eben, sie muß sich so benehmen, daß es zu ihren roten Haaren paßt.
Meine Erinnerung setzte wieder genau bei dem Punkt ein, als Mary Ann ihre Tirade mit einem Tritt auf meine Zehen beendete und sich zum Gehen wandte. Ich rannte ihr nach und versuchte es noch einmal.
»Aber, Mary Ann .«
Diesmal unterbrach mich Cliff. Normalerweise schenkte er unseren Geplänkeln wenig Beachtung, aber jetzt schrie er: »Warum fragst du sie denn nicht, ob sie dich heiraten will, du Trottel?«
Mary Ann blieb in der Tür stehen, drehte sich aber nicht um. Ich blieb ebenfalls stehen und fühlte, wie die Worte in meinem Hals dick und klumpig wurden. Ich konnte nur ein »Aber, Mary Ann .« hervorbringen.
Cliff schrie im Hintergrund auf. Ich hörte ihn wie aus einer Meile Entfernung.
»Ich habe es! Ich habe es!« rief er immer wieder.
Da drehte sich Mary Ann um, und sie sah so wunderschön aus. Habe ich Ihnen schon erzählt, daß sie grüne Augen mit einem leichten Anflug von Blau hat? Jedenfalls, sie sah so wunderschön aus, daß sich alle Worte in meinem Hals zusammendrückten und ich nur schlucken konnte.
»Wolltest du etwas sagen, Bill?« fragte sie.
Also, Cliff hatte mich ja auf die Idee gebracht. Mit heiserer Stimme preßte ich hervor: »Willst du mich heiraten, Mary Ann?«
In derselben Minute, in der ich es gesagt hatte, wünschte ich schon wieder, ich hätte es nicht gesagt. Denn ich dachte, sie würde nie wieder mit mir sprechen. Aber zwei Minuten später war ich doch froh, daß ich es gesagt hatte, denn sie warf ihre Arme um mich und reckte sich hoch, um mich zu küssen. Es dauerte eine Weile, bis mir ganz klar wurde, was geschehen war, und ich ihre Küsse erwiderte. Das ging nun einige Zeit so dahin, bis Cliff auf meine Schulter klopfte, um meine Aufmerksamkeit zu erregen.
Ich drehte mich um und fuhr ihn an: »Was, zum Teufel, willst du denn?« Das war natürlich sehr undankbar von mir, wo er doch der Urheber meines Glückes war.
Er sagte: »Schau!«
In seiner Hand hielt er die Hauptleitung, die Junior mit Strom versorgt hatte.
Ich hatte Junior ganz vergessen, aber jetzt fiel er mir wieder ein.
»Dann ist er also ausgeschaltet?« fragte ich.
»Völlig kalt!«
»Wie hast du denn das geschafft?«
»Junior war so damit beschäftigt, dich und Mary beim Streiten zu beobachten, daß ich mich anschleichen konnte. Mary Ann hat wirklich eine gute Show abgezogen.«