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Drioli betrachtete den Mann mit den kanariengelben Handschuhen und fragte sich, ob das etwa ein Scherz sein sollte.

«Es ist eine komische Idee», sagte er langsam. «Meinen Sie das alles im Ernst?»

«Aber natürlich …»

«Moment mal», unterbrach ihn der Kunsthändler. «Hören Sie, Alter, mir ist eben die Lösung unseres Problems eingefallen. Ich kaufe das Bild und beauftrage einen Chirurgen, die Haut von Ihrem Rücken zu entfernen. Dann können Sie gehen, wohin Sie wollen, und das viele Geld genießen, das ich Ihnen dafür gebe.»

«Ohne Haut auf dem Rücken?»

«Nein, nein, Sie haben mich missverstanden. Der Chirurg ersetzt das alte Hautstück durch ein neues. Eine ganz einfache Sache.»

«Kann man denn das?»

«Aber gewiss. Warum nicht?»

«Unmöglich!», mischte sich der Mann mit den kanariengelben Handschuhen ein. «Er ist zu alt für eine so schwierige Hautverpflanzung. Es wäre Ihr Tod, mein Freund. Ihr sicherer Tod.»

«Sie meinen … ich würde sterben?»

«Natürlich. Eine solche Operation können Sie nicht überleben. Nur das Bild würde durchkommen.»

«Um Gottes willen!», rief Driolo. Er blickte entsetzt in die Gesichter der Menschen, die ihn beobachteten, und in der atemlosen Stille hörte man die ruhige Stimme eines Mannes, der irgendwo im Hintergrund stand: «Wenn man dem Alten genug Geld anbietet, ist er vielleicht sogar bereit, sich auf der Stelle umzubringen. Wer weiß?» Ein paar Leute lachten. Der Kunsthändler scharrte verlegen mit den Füßen auf dem Teppich.

Wieder legte sich die Hand in dem kanariengelben Handschuh auf Driolis Schulter. «Kommen Sie», forderte ihn der Mann mit seinem breiten, weißzahnigen Lächeln auf. «Wir beide werden erst einmal ein gutes Abendessen zu uns nehmen. Bei Tisch können wir ja weiterreden. Was halten Sie davon? Sind Sie hungrig?»

Drioli sah ihn mit zusammengezogenen Brauen an. Ihm gefielen weder der lange, biegsame Hals des Mannes noch die Art, wie er ihn schlangenhaft vorreckte, wenn er mit einem sprach.

«Gebratene Ente und Chambertin», sagte der Mann. Er gab diesen Worten eine kräftige, saftige Betonung, spritzte sie gleichsam mit der Zunge hervor. «Und vielleicht noch ein leichtes, lockeres soufflé aux marrons

Driolis Augen richteten sich auf die Decke, seine Lippen wurden schlaff und feucht. Man sah, wie dem armen alten Kerl buchstäblich das Wasser im Munde zusammenlief.

«Wie mögen Sie Ihre Ente?», fuhr der Mann fort. «Sehr braun und knusprig, oder bevorzugen Sie …?»

«Ich komme», sagte Drioli rasch, bückte sich nach seinem Hemd und zerrte es in wilder Hast über den Kopf. «Warten Sie auf mich, Monsieur. Ich komme.» Und gleich darauf war er mit seinem neuen Gönner aus der Kunsthandlung verschwunden.

Schon wenige Wochen später wurde ein Bild von Soutine – das Porträt einer Frau, in einer ungewöhnlichen Technik gemalt, schön gerahmt und dick mit Firnis überzogen – in Buenos Aires zum Verkauf angeboten. Diese Tatsache stimmt uns ein wenig nachdenklich, umso mehr, als es in Cannes kein Hotel Bristol gibt. Wir können nur für die Gesundheit des alten Mannes beten und inbrünstig hoffen, dass er dort, wo er jetzt weilt, von einem reizenden drallen Mädchen manikürt wird und dass ihm ein Stubenmädchen morgens das Frühstück ans Bett bringt.

Gift

Es muss gegen Mitternacht gewesen sein, als ich nach Hause fuhr. Kurz vor dem Gartentor des Bungalows blendete ich die Scheinwerfer ab, um zu vermeiden, dass der Lichtstrahl beim Einbiegen das Fenster von Harry Popes Schlafzimmer traf und ihn aufweckte. Aber ich hätte mir deswegen keine Gedanken zu machen brauchen. Als ich mich dem Haus näherte, sah ich, dass Harrys Lampe noch brannte. Er war also wach – wenn er nicht über seinem Buch eingenickt war.

Ich parkte den Wagen und stieg die fünf Stufen zur Veranda hinauf. In der Dunkelheit zählte ich jede Stufe, damit ich oben nicht etwa ins Leere trat. Ich überquerte die Veranda, stieß die Fliegentür auf und knipste das Licht in der Diele an. Dann ging ich zu Harrys Tür, öffnete sie einen Spaltbreit und schaute ins Zimmer.

Er lag auf dem Bett, und ich sah, dass er wach war. Er bewegte sich jedoch nicht. Er wandte mir nicht einmal den Kopf zu, aber ich hörte ihn flüstern: «Timber, Timber, komm her.»

Er sprach überaus langsam und vorsichtig. Ich öffnete die Tür vollends und wollte gerade mit schnellen Schritten auf ihn zugehen, als er sagte: «Halt. Warte einen Augenblick, Timber.»

Ich konnte ihn kaum verstehen. Anscheinend kostete es ihn gewaltige Mühe, die Worte herauszubringen.

«Was ist los, Harry?»

«Pssst!», zischte er. «Pssst! Um Gottes willen, sei leise. Zieh die Schuhe aus, bevor du herkommst. Bitte, Timber, tu, was ich dir sage.»

Seine Art zu sprechen beschwor eine Erinnerung herauf: George Barling, der einen Bauchschuss bekommen hatte, stand an die Kiste mit dem Reserve-Flugzeugmotor gelehnt, presste die Hände auf den Leib und verwünschte den deutschen Piloten in genau dem gleichen heiseren, angestrengten Flüsterton, der jetzt aus Harrys Kehle drang.

«Schnell, Timber. Aber zieh dir zuerst die Schuhe aus.»

Ich hatte keine Ahnung, warum ich mir die Schuhe ausziehen sollte, hielt es jedoch für besser, ihm nicht zu widersprechen, denn er machte den Eindruck eines todkranken Menschen. Ich bückte mich also, streifte die Schuhe ab und ließ sie auf dem Boden liegen. Dann ging ich zu Harry hinüber.

«Fass das Bett nicht an! Um Gottes willen, fass das Bett nicht an!» Er sprach noch immer, als hätte er einen Bauchschuss bekommen. Ich sah, dass er auf dem Rücken lag, bis zur Brust mit einem Laken zugedeckt. Er trug einen blau, braun und weiß gestreiften Pyjama und schwitzte fürchterlich. Die Nacht war schwül, und auch ich schwitzte, aber nicht so wie Harry. Sein Gesicht triefte von Schweiß, und rings um den Kopf war das Kissen völlig durchnässt. Vielleicht ein schwerer Malariaanfall, dachte ich.

«Was ist denn nur los, Harry?»

«Eine Bungar», sagte er.

«Eine Bungar! O Gott! Wo hat sie dich gebissen? Und wann?»

«Nicht so laut», wisperte er.

Ich beugte mich vor und packte ihn an der Schulter. «Harry, wir müssen sofort etwas unternehmen. Los, los, sag doch schon, wo sie dich gebissen hat.»

Er rührte sich nicht, und er wirkte seltsam verkrampft, als müsse er alle Kraft zusammennehmen, um einen starken Schmerz zu ertragen. «Ich bin nicht gebissen worden», flüsterte er. «Noch nicht. Sie liegt auf meinem Bauch. Sie liegt da und schläft.»

Ich fuhr unwillkürlich zurück und starrte auf seinen Bauch oder vielmehr auf das Laken, das ihn bedeckte. Das Laken warf an mehreren Stellen Falten, sodass nicht zu erkennen war, ob sich etwas darunter verbarg.

«Eine Bungar auf deinem Bauch? Das ist doch wohl nicht dein Ernst.»

«Ich schwöre es dir.»

«Wie ist sie denn dorthin gekommen?» Es war leichtsinnig von mir, diese Frage zu stellen. Harry scherzte offensichtlich nicht, und ich hätte ihn lieber ermahnen sollen, sich still zu verhalten.

«Ich las», sagte Harry. Er sprach sehr langsam, Wort für Wort, und war ängstlich darauf bedacht, die Bauchmuskeln nicht anzuspannen. «Lag auf dem Rücken und las und fühlte etwas auf der Brust. Hinter dem Buch. Eine Art Kitzeln. Dann sah ich aus den Augenwinkeln diese Bungar über meine Brust kriechen. Klein, etwa fünfundzwanzig Zentimeter. Wusste, dass ich mich nicht rühren durfte. Hätte es auch gar nicht gekonnt. Lag da und beobachtete sie. Dachte, sie würde von meiner Brust aufs Laken kriechen.» Harry schwieg einige Sekunden. Seine Augen richteten sich auf die Stelle, wo das Laken seinen Bauch bedeckte, und ich begriff, dass er fürchtete, sein Flüstern könnte die Bungar gestört haben.

«Da war eine Falte im Laken», berichtete er schließlich weiter. Er sprach jetzt noch langsamer und so leise, dass ich mich weit vorbeugen musste, um ihn zu verstehen. «Hier oben, siehst du? Sie kroch darunter. Ich konnte durch den Pyjama fühlen, wie sie auf meinen Bauch kroch. Und dann machte sie halt. Jetzt liegt sie dort in der Wärme. Schläft wahrscheinlich. Ich habe auf dich gewartet.» Er hob den Blick und sah mich an.